24.07.2003

"Ich hätte mir auch de Stoppani als neuen Präsidenten vorstellen können"

Die Jahrestagung des Verbandes Schweizer Presse vom 18. bis 20. September verspricht diesmal speziell viel Zündstoff. Themen werden u.a. die GAV-Kündigung der Verleger sein sowie die Entwicklung rund um das neue RTVG. Zu wählen ist aber auch mit dem designierten Coninx-Nachfolger Hanspeter Lebrument ein neuer Präsident. Interlaken ist nicht nur Ort der Tagung, sondern auch publizistisches Hoheitsgebiet der Jungfrau Zeitung. Da deren Verleger Urs Gossweiler (Bild) sich traditionell an den Verbandstagungen mit Lebrument streitet, wollte "persoenlich.com" von ihm wissen, was uns heuer erwartet. Das Interview:

Herr Gossweiler, in St. Moritz vor einem Jahr wehrten Sie sich vehement für eine liberale Mediengesetzgebung. Es wird gemunkelt, Ihr Auftritt wäre so heftig gewesen, dass Sie sich dabei den Einzug ins Präsidium von Schweizer Presse verbaut hätten.

In der Tat war ich in St. Moritz vom Ton her laut. Ich spürte, dass unser Verband wichtige Prinzipien über Bord warf, das wollte ich mit aller Gewalt verhindern. Mein Auftritt war jedoch kontraproduktiv, da er nicht geplant, sondern aus dem Bauch heraus erfolgte. Das gleiche Anliegen vertrat dann einen Tag später Bundesrat Kaspar Villiger, wenn auch vom Ton her staatsmännisch. Auf eine mögliche Wahl ins Präsidium hatte dies jedoch keinen Einfluss. Schliesslich bin ich schon ein Jahr zuvor in Montreux nicht gewählt worden, obwohl ich dort einstimmig vom Präsidium nominiert war, die gesamte Mitgliederversammlung hindurch den Mund hielt und trotzdem als einziger der offiziellen Kandidaten nicht gewählt wurde. Hinein kam der wilde Kandidat Norbert Neininger. Die Geschichte ist also abgehakt.

Nun tagt Schweizer Presse heuer bei Ihnen in Interlaken. Was dürfen wir da von Ihnen erwarten?

Schweizer Presse tagt nicht bei uns, sondern in einem der schönsten Hotels der Welt, dem Victoria-Jungfrau. Dass sich dieses Haus in unserem Mikrokosmos Jungfrau befindet ist zwar mehr als zu begrüssen, hat jedoch mit uns als Medienhaus nichts zu tun. Das Grand Hotel ist ein paar Jahre älter als unser Unternehmen. Zurück zu Ihrer Frage: Von mir darf man erwarten, dass ich an der Mitgliederversammlung teilnehme, mich beim Apéro freudig mit all meinen Freunden aus der ganzen Schweiz unterhalte und beim Gala-Dinner das Kulinarische geniesse.

Das ist alles? Schliesslich soll Ihr Kontrahent im Verband, Hanspeter Lebrument, zum neuen Präsidenten gewählt werden...

Er ist auch schon gewählt. Da müssen wir also nicht mehr debattieren. Schliesslich ist er vom Präsidium einstimmig nominiert, und wenn Sie die Stimmen der Medienhäuser, die im Präsidium vertreten sind, zusammen zählen, dann merken Sie, dass die Sache bereits gelaufen ist.

Heisst das, Sie sind gegen Lebrument?

Nein, überhaupt nicht. Er ist nach wie vor einer der interessantesten Gesprächspartner in unserem Verband, da er nie ein Blatt vor den Mund nimmt. Ob er der richtige Präsident für Schweizer Presse darstellt, ist jedoch ein anderes Thema.

Sie sind also gegen Lebrument als Präsident?

Das spielt erstens gar keine Rolle, was ich denke, und zweitens ja. Die Gründe sind für mich klar. In den letzten zehn Jahren drohte Lebrument zwei Mal mit seinem Austritt, einmal trat er gar aus. Am Tag seiner Nomination durch das Präsidium fühlte er sich bereits genötigt, unseren aktuellen Präsidenten, Hans Heinrich Coninx, zu kritisieren, bei der Sozialpartnerschaft schlägt er unnötig harte Töne gegenüber den Gewerkschaften an, und bei der Mediengesetzgebung tanzt er immer zwischen Liberalisierung und Subventionspolitik hin und her. Somit habe ich meine Zweifel, ob wir mit ihm die Kernprobleme werden lösen können.

Aber es ist doch von Vorteil, wenn ein Präsident eines Arbeitgeberverbandes gegen die Gewerkschaften hart auftritt.

Erstens sind wir ein Branchenverband und kein klassischer Arbeitgeberverband mehr. Deshalb hätte ich mir auch gut Marco de Stoppani als neuen Präsidenten vorstellen können. Es muss nicht unbedingt ein Verleger sein. Zweitens müssen wir mit den Gewerkschaften dort hart umgehen, wo sie unvernünftig sind. Ich habe die GAV-Verhandlungen beim letzten Mal als Mitglied der Verhandlungsdelegation hautnah miterlebt. Die Gesprächspartner und das Resultat sind nicht unvernünftig. Unsere Aktionen als Verband der letzten Wochen waren jedoch unvernünftig. Wir können den Gewerkschaften nicht vorwerfen, dass sie im Hochsommer Urlaub machen und selber auch verreisen.

Das Auftreten der Gewerkschaften gegenüber der Geschäftsleitung bei Tamedia wird aber doch auch Ihnen Sorgen bereiten?

Nun, die Gewerkschaften wehren sich stets gegen einen Rahmenvertrag. Sie wollen einen für alle Betriebe gültigen Gesamtarbeitsvertrag. Bei Tamedia drängen sie jedoch auf eine individuelle Lösung auf Betriebsebene, die weit über den GAV hinaus geht. Dies ist in sich schon mal unglaubwürdig. Wenn man die Forderungen der Gewerkschaften und eines Teils der Tamedia-Belegschaft genau studiert, dann stellt man fest, dass die deutschen Gewerkschaften gerade moderat sind im Vergleich. Dies ist für mich ein echter Skandal und muss bekämpft werden, nicht der aktuelle GAV. Es ist für mich daher unverständlich, warum der Verband Schweizer Presse in einer solchen Situation den GAV kündigt und somit den Gewerkschaften in die Hände spielt.

Was kritisieren Sie konkret an Lebrument bei seiner Haltung zum neuen RTVG?

Auch hier wäre es unfair, lediglich unseren zukünftigen Präsidenten zu kritisieren. Das gesamte Präsidium trägt da die Verantwortung. Man hätte nie auf Subventionen beim Regionalfernsehen drängen dürfen, denn damit öffnete man die Büchse der Pandora. Mit der Hoffnung auf ein paar Millionen SRG-Gebühren verabschiedete sich der Verband als glaubwürdiger, kritischer Gesprächspartner für das Parlament bei Fragen wie Pressefreiheit, Werbezeit- und Konzessionsbeschränkung für die SRG sowie Einfrierung der Medienartikel-Diskussion. Anstelle davon breitet sich die SRG auf allen Medienkanälen ungehindert aus, die Linke und erstaunlich viele bürgerliche Politiker wollen die Pressefreiheit einschränken, und beängstigend viele können sich Direktzahlungen an Lokalzeitungen vorstellen, was der Untergang unserer Medienvielfalt bedeuten würde.

Sie wüssten also alles besser?

Nein, ich vertrete nur die Meinung, die Schweizer Presse bis und mit der Jahrestagung 2000 in Zermatt vertrat. Es ist einfach ein historischer Fehler, seine Strategie am Staat auszurichten, nur weil ein paar Millionen Ertrag fehlen. Der Staat kann und soll uns nicht helfen. Das müssen wir alleine tun. Auf diese Position müssen wir zurück kehren. Ich hoffe, Lebrument und das neue Präsidium werden dies tun. Er ist auch verantwortlich für die neue Struktur und eine geschickte Personalpolitik. Dabei denke ich nebst den ausgewiesenen Geschäftsführern auch an die guten Geister im Hintergrund.

Wie beurteilen Sie den jetzigen Präsidenten Hans Heinrich Coninx?

Hans Heinrich war ein Glücksfall für unseren Verband. Sein Beziehungsnetz, seine Reputation als Verleger und seine Reden sind unübertroffen. Er machte aus dem Verlegerverband die Drehscheibe der Schweizer Medienlandschaft und weit darüber hinaus. Sichtbare Zeichen davon sind unsere Jahrestagung und das FLASHextra.


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren