01.11.2018

Tamedia

«Ideologien sind mir ein Gräuel»

Vom Sportchef zum Chefredaktor: Marcel Rohr folgt bei der «Basler Zeitung» auf Markus Somm. Der 51-Jährige äussert sich im persoenlich.com-Interview über seine eigene politische Gesinnung und sagt, wie er der BaZ zu mehr Glaubwürdigkeit verhelfen will.
Tamedia: «Ideologien sind mir ein Gräuel»
«Ich stehe weder für links, noch für rechts. Ich stehe für Journalismus», sagt Marcel Rohr, designierter Chefredaktor der «Basler Zeitung». (Bild: zVg.)
von Christian Beck

Herr Rohr, Sie wurden zum neuen Chefredaktor der «Basler Zeitung» ernannt (persoenlich.com berichtete). Tönt gut, aber eigentlich werden Sie Tamedia-Filialleiter Basel.
Oh nein, das sehe ich überhaupt nicht so. Hier am Aeschenplatz in Basel werde ich mit einer eigenen, starken Redaktion die Produkte, die dank der starken Unterstützung durch Tamedia aus Zürich kommen, veredeln und vor allem auch regionalisieren. Mir wurde durch die Tamedia-Führungsspitze ganz klar signalisiert, dass ich hier durchaus Spielraum habe und diesen werde ich auch entsprechend in allen Ressorts ausnutzen.

Welche Tätigkeiten konkret machen Sie zum Chefredaktor statt zum Basel-Ressortleiter?
Ich führte 13 Jahre lang das Sportressort der «Basler Zeitung», zuvor war ich 12 Jahre lang beim «Blick». Vor allem beim «Blick» habe ich gelernt, wie man dem Leser Geschichten erzählt. Zudem weiss ich – auch wenn ich nicht jeden Ton auswendig kann –, welche Musik die Leute gerne hören. Ich glaube, dass ich gute Geschichten erzählen kann, nicht nur im Sport, sondern auch in den anderen Ressorts.

Geschichten erzählen macht noch keinen Chefredaktor…
Klar, es braucht Führungsqualitäten, man muss die Mitarbeiter hinter sich scharen, man muss hier am Aeschenplatz eine neue Aufbruchsstimmung erzeugen. Die BaZ schaut auf sehr schwere Monate und Jahre zurück, und wir haben in letzter Zeit einige Leser verloren. Es ging auch ein bisschen um die Glaubwürdigkeit. Hier gilt es, den Hebel anzusetzen. Wir möchten nun einen Neuanfang machen mit frischer Energie und einem starken Partner im Rücken.

Warum sind ausgerechnet Sie ausgewählt worden? Zur Wahl stand auch Kulturchef Raphael Suter.
Über andere Personen kann ich mich nicht äussern. Ich kann nicht sagen, warum sich Verleger Pietro Supino und seine Verwaltungsratskollegen für mich entschieden haben. Ich habe ein Konzept mit meinem Plan erarbeitet, das ich dem Gremium präsentierte.

«Wir werden im Online eine neue Marke setzen»

Und was ist Ihr Plan?
Ich will die BaZ in ein neues, digitales Zeitalter führen. Vor allem der Brand baz.ch, der in Basel bereits schon stark verankert ist, muss auf ein neues Level gehievt werden. Wir müssen die Leute davon überzeugen, dass wir im Online eine neue Marke setzen. Wir müssen dort viel stärker und präsenter werden. Gleichzeitig wollen wir weiterhin eine spannende Tageszeitung machen, welche die Leser berührt. Und die Leute dürfen sich durchaus auch in Zukunft ein wenig über die BaZ ärgern. Wir wollen nicht langweilig sein. Wir wollen vor allem aber wieder glaubwürdig sein. Es ist doch selbstverständlich, dass wir die Hoffnung haben, dass einige Leser zurückkommen und der BaZ erneut eine Chance geben. Das wünscht sich ja jeder Chefredaktor.

Sie reden jetzt schon zum zweiten Mal von Glaubwürdigkeit. War die BaZ in Vergangenheit nicht glaubwürdig?
Natürlich gab es die eine oder andere Geschichte, die für Furore sorgte. Mir ist wichtig, dass man einen respektvollen Umgang miteinander pflegt. Aber klar: Man darf kritisieren, wir wollen den Grossen und Mächtigen auf die Finger schauen. Das ist unsere Aufgabe, wir wollen die wichtigste Gewalt im Staat sein, die es nebst allen anderen braucht. Diese Rolle wollen wir spielen, in allen Formen und Farben. In Zukunft kann die «Basler Zeitung» mit dem starken Partner aus Zürich einen Mehrwert auf allen Kanälen bieten, den die Leute dazu animiert, für die journalistischen Angebote von uns auch wieder bezahlen zu wollen.

«Es soll in Basel wieder vermehrt um Journalismus gehen»

Wird die BaZ auch künftig derart anecken, wie dies unter der Ära Blocher/Somm öfters der Fall war?
Das werden wir sehen (lacht). Was ich bereits jetzt versprechen kann: Ich komme nicht aus dem linken Lager und ich komme nicht aus dem rechten Lager. Ideologien sind mir ein Gräuel. Ich will das nicht. Ich will gute und spannende Geschichten. Wenn es Argumente gibt, hören wir die uns aus beiden Lagern an und werden entsprechend Geschichten machen. Das ist meine Botschaft: Es soll in Basel wieder vermehrt um Journalismus gehen und weniger um den Duktus links oder rechts.

Ihr Vorgänger Markus Somm kommentierte häufig politisch. Werden Sie auch politische Kommentare abgeben?
Das lasse ich mir momentan noch offen. Selbstverständlich habe ich aber angekündigt, dass ich mich positionieren will – auch in der Politik. In welcher Häufigkeit und wie stark dies der Fall sein wird, wird man dann noch sehen. Aber ich bin auf jeden Fall bereit, diese Aufgabe anzunehmen.


Somm ist eher dem rechtsbürgerlichen Lager zuzuordnen. Wo verorten Sie sich auf der politischen Skala?
Ich würde mal sagen, Markus Somm war im Zweifelsfall dem rechten Lager zuzuordnen. Er bot auch immer wieder den Gegnern aus dem anderen Lager eine Plattform. Mich kann man politisch nirgends zuordnen. Das garantiere ich. Ich stehe weder für links, noch für rechts. Ich stehe für Journalismus. Es klingt wahnsinnig platt, aber es ist einfach so.

«Ich sehe mich überhaupt nicht als Sanierer und auch nicht als Sparpapst»

Sie werden nicht nur Chefredaktor, sondern auch noch Sanierer. Mit der Integration der BaZ in das Tamedia-Netzwerk sollen in Basel bis zu 16 Vollzeitstellen abgebaut werden. Liegt Ihnen die Rolle als Buhmann?
Ich will diese Zahl nicht kommentieren. Das mit den 16 Stellen ist überhaupt noch nicht sicher. Es ist doch klar, dass alle Verlage in diesen harten Zeiten die Budgets gut im Griff haben müssen. Das betrifft ja nicht nur die «Basler Zeitung». Wenn es sein muss, kann ich sehr wohl hart sein, intern wie extern. Selbstverständlich versuchen wir, so viele Arbeitsplätze wie möglich anzubieten. Ich sehe mich überhaupt nicht als Sanierer und auch nicht als Sparpapst. Im Gegenteil: Mir wurde zugesichert, dass wir durchaus Spielraum haben, um unser Produkt möglichst gut zu gestalten. An diesem Versprechen halte ich mich fest.

Einige Mitarbeiter haben sich sowieso schon verabschiedet. Die Weko liess lange auf den Entscheid warten. Dadurch sind viele profilierte, langjährige Journalisten abgesprungen, wie beispielsweise Michael Bahnerth und Erik Ebneter. Haben Sie überhaupt noch gute Schreiberlinge?
Selbstverständlich haben wir noch profilierte Journalisten – in jedem Ressort. Die Abgänge habe ich teils auch mit einem gewissen Bedauern zur Kenntnis genommen. Es ging tatsächlich sehr, sehr lange, bis der Weko-Entscheid vorlag. Das tat der Redaktion nicht gut, wir haben alle darunter gelitten. Jetzt ist diese Ungewissheit aber vorbei, wir können einen Schritt in die Zukunft machen. Mit neuer Energie packen wir das an. Vielleicht gelingt es mir auch, die eine oder andere Perle zu entdecken. Gerade im Raum Basel gibt es immer wieder interessante und talentierte Journalisten.

David Sieber, ehemaliger Chefredaktor der Konkurrenzblätter «bz Basel» und «bz Basellandschaftliche Zeitung», musste gehen. Stehen Sie schon in Kontakt?
Da kann ich gar nichts dazu sagen – weder ja noch nein.

Sprechen wir über Ihre Schreibqualitäten. Welches waren Ihre letzten drei Artikel?
Bis jetzt war ich im Sport zuhause. Ich versuchte auch immer wieder, den Sport mit Gesellschaft zu verknüpfen. Der FC Basel ist ein unheimlich spannendes Themenfeld. Der FCB bewegte weit über das Stadion hinaus. Beim FC Basel ging es auch immer wieder um Führungsstrukturen: Wie wird ein Verein mit so einem grossen Budget geführt? So eine Frage darf man ja auch in mach anderen Betrieben oder Sparten stellen. Es interessiert immer und überall, wie Führungspersönlichkeiten auftreten. Das ist ein spannendes Thema. Vielleicht sind auch meine nächsten drei Artikel wieder aus dem Sportbereich, weil ich bis Ende Jahr das Sportressort weiterhin führe. Nachher werden wir sehen, wohin die Reise auch für mich persönlich geht.

Ihr Herz schlägt für den Fussball. Können Sie auch Wirtschaft, Politik, Kultur?
Ja, ich traue mir das absolut zu. Weil ich weiss, dass ich Geschichten erzählen kann. Ich weiss, was die Leute bewegt und berührt.

Sie starteten Ihre Karriere im kaufmännischen Bereich, bevor Sie 1988 das journalistische Handwerk erlernten. Sagte Ihr Vater: «Lern zuerst mal was Richtiges»?
(Lacht.) Nein, das sagte er nicht. Soviel kann ich verraten: Als ich Fussballchef beim «Blick» wurde, fragte er: «Warum bist du nicht Fussballchef bei der NZZ geworden?» Er war in all den Jahren fleissiger NZZ-Leser, ist sehr Zürich-affin. Ich sagte ihm, dass der Fussball- und Sportteil vom «Blick» etwas spannender als jener der NZZ sei. Ansonsten hat er sich nie über meine Karriere ausgelassen, hat sich aber jetzt wahnsinnig über meine Beförderung gefreut.



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Kommentare

  • Ueli E. Adam, 04.11.2018 12:04 Uhr
    ich werde Rohr als Fussball Klarblick sehr vermissen. Hoffentlich sieht man ihn wenigstens ab- und zu in einem Fussball-Talk
  • Robert Weingart , 02.11.2018 14:39 Uhr
    Genau, immerhin ein Basler. Aber ob er es als bhsheriger Sportschreiber min als Filialleiter äh nein sorry als Chefredaktor packt sei dahingestellt.
  • Victor Brunner, 02.11.2018 07:46 Uhr
    Nach allen Seiten und Befehlen von der Werdstrasse in Zürich offen. Trotzdem ist die Ernennung von Marcle Rohr zum Filialleiter ein Fortschritt. Er ist Basler und nicht wie seine Vorgänger Leutenegger und Somm von Zürich!
  • Peter Eberhard, 01.11.2018 09:36 Uhr
    Abgesehen von der korrekten Wiedergabe der Fakten sollte ein Journalist nach meiner Meinung schon ein gewisses politisches Selbstverständnis haben, das auch in seiner Schreibe zum Ausdruck kommt. Dabei kann man übrigens neben "links" und "rechts" auch zum Beispiel für "liberal" stehen. "Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht" (Gerhard Schröder). Die Antworten von Marcel Rohr tönen für mich bereits nach dem üblichen Tamedia-Einheitsbrei.
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