15.04.2015

Ringier

"In ein, zwei Jahren dürfte der Digitalanteil bei über 50 Prozent liegen"

988,5 Millionen Franken Umsatz, davon rund 32 Prozent aus dem Digitalgeschäft: Verleger Michael Ringier und CEO Marc Walder präsentierten am Mittwochmorgen an der Dufourstrasse den Geschäftsgang des letzten Jahres. Nebst den Zahlen interssieren weitere Themen rund um das Medienhaus - zum Beispiel die Personalie Michael Voss, neue Digitalcracks für die Blick-Gruppe und die Turbulenzen bei "Le Temps". persoenlich.com nennt fünf wichtige Punkte - und die neuesten Informationen dazu.
Ringier: "In ein, zwei Jahren dürfte der Digitalanteil bei über 50 Prozent liegen"

1. Die Digital-Strategie

"Wir werden nicht nur zu den Überlebenden, sondern zu den Gewinnern in der neuen Medienrealität gehören", sagt Verleger Michael Ringier vor den Journalisten zu Beginn der Jahres-Medienorientierung in Zürich (persoenlich.com berichtete). Die Aussagen begründet das Unternehmen mit einer Zahl: 32,1 Prozent. So gross war der Digitalanteil des Jahresumsatzes (988,5 Millionen Franken) im letzten Jahr. Der Wert wurde kontrovers diskutiert. Ist ein Medienunternehmen umso besser für die Zukunft gewappnet, desto grösser der digitale Anteil am Umsatz ist? Oder kann sich ein Medienhaus, das immer mehr Geld ausserhalb des publizistischen Geschäfts erwirtschaftet noch Medienhaus nennen? Für Ringier-CEO Marc Walder ist der Wert ganz klar "eine relevante Kerngrösse." Der digitiale Geschäftsbereich wächst rasant - und dorthin führt die Zukunft", sagt er im Gespräch mit persoenlich.com. Im internationalen Vergleich habe Ringier im Jahr 2007 eher spät mit den Investitionen in den Digitalbereich begonnen. Heute gehöre man in diesem Geschäft zu einem der besten in ganz Europa. Mit dem Digitalanteil von über 30 Prozent am Umsatz ist er "zufrieden", man liege damit sogar über der mittelfristigen Planung. "Es ist einen Frage von ein, zwei Jahren, bis der Wert über 50 Prozent liegt."

2. Die Kooperation mit "Buzzfeed"

Knapp zwei Monaten arbeitet Ringier mit der New Yorker Plattform zusammen. Rund 50 "Buzzfeed"-Videos sind wöchentlich auf Blick.ch oder Blickamabend.ch zu sehen. "Die Videos bringen den Onlinezeitungen sehr viele Klicks", sagt Walder. Damit könne Ringier kreative und lustige Unterhaltungsvideos auf höchstem Niveau anbieten. Wichtig sei aber, dass die Besucher parallel mit spannenden Inhalten aus Sport, Wirtschaft und Politik beliefert werden. "Wir müssen den Anteil von Videoinhalten auf all unseren Plattformen in allen Ländern substanziell erhöhen", fügt er an. Denn nicht nur die Nutzer würden Videoformate gerne konsumieren, sie seien auch für den Werbemarkt attraktiv.

3. Die neue Task Force fürs Digitalgeschäft

Nach den immensen Investitionen ins Digitalgeschäft sucht Ringier auch weiterhin nach qualifizierten Mitarbeitenden aus diesem Bereich. Im Januar schrieb der "Tages-Anzeiger", bis Ende des Monats wolle Walder einen neuen Digitalcrack aus den USA präsentieren. Die Kandidaten für den Posten kämen aus den Häusern "Buzzfeed" und "Huffington Post". Gegenüber persoenlich.com bestätigt Walder: "Die entsprechende Person kommt aus Amerika." Dort sei man der Schweiz im digitalen Bereich mindestens zwei Jahre voraus. Woher der neue Digitalchef zu Ringier stösst, sagt der Ringier-CEO nicht. Nur so viel: "Die Person kommt aus einem Unternehmen, dass eine ähnliche Strategie wie "Buzzfeed" verfolgt". Nebst dem neuen Digitalchef sucht Ringier vor allem für die Blick-Gruppe "die besten Talente" aus den verschiedenen Branchen. "Wir stellen eine Task Force zusammen, um für die Herausforderungen im digitalen Bereich gewappnet zu sein", sagt Walder. Eine Personalie ist bereits spruchreif: Sebastian Pfotenhauer, früherer DigitalTV-Chef von Stern.de ist Anfang April neu zur Blick-Gruppe gestossen. Die Anstellung von Pfotenhauer geht einher mit neuen Organisation des Bereichs Video. Künftig sollen mehr eigene Inhalte produziert und das Videoangebot auf Blick.ch deutlich ausgeweitet werden. Weitere Neuzugänge kündigt Ringier für die kommenden Tage an.

4. Der Abgang von Michael Voss und die Suche nach einem Nachfolger

Überraschend verkündete Ringier vergangene Woche den Abgang von Michael Voss, CEO Publishing und Entertainment, per sofort. Die Trennung erfolge in gegenseitigem Einvernehmen. Voss selbst begründete seine Entscheidung mit "persönlichen und privaten Gründen". Für Marc Walder war Voss "ein wichtiger und enger Mitarbeiter im Prozess der Transformation." Im Hinblick auf das Joint-Venture mit Axel Springer - Voss war designierter CEO von Ringier Axel Springer Medien Schweiz AG - hätte man schnell agieren müssen. "Wenn die Wettbewerbskommission grünes Licht für das Joint-Venture gibt, werden wir den vorgesehenen Zeitplan einhalten können", sagt er. Nun läuft bei Ringier die Suche nach einem geeigneten CEO für das JV. Gesucht wird laut Walder hauptsächlich im Ausland. Denn in der Schweiz seien Personen, die für die Position in Frage kämen, bereits in festen Funktionen. "Ich hoffe, wir können in rund zwei Monaten einen Nachfolger präsentieren", sagt er. Bis dahin übernimmt Walder den Bereich Publishing und Entertainment von Voss interimistisch. "Ich habe zwei, drei Reisen abgesagt, um mehr hier sein zu können", sagt er. Die Doppelbelastung sei sehr anstrengend, aber er werde von seinen Mitarbeitern tatkräftig unterstützt.

5. Die Turbulenzen in der Ringier-Zentrale in Lausanne

Rund 90 Mitarbeiter der "LeTemps"-Redaktion ziehen Anfang Mai vom Sitz in Genf nach Lausanne in die Ringier-Zentrale um. Dort werden sie mit Kollegen des Wochenmagazins "L’Hebdo" in einem Newsroom zusammenarbeiten. Laut mehreren Medienberichten ist die Stimmung unter den Mitarbeitern schlecht. Ringier habe kein publizistisches, sondern nur ein ökonomisches Konzept, wird beklagt. Zudem stünde in Lausanne gar nicht genügend Platz für alle Mitarbeiter bereit. Nachdem Ringier Entlassungen angekündigt hatte, gaben einige Mitarbeiter ihren Job sogar freiwillig ab. Walder, der die Übernahme von "Le Temps" immer wieder als "Herzensangelegenheit" bezeichnet, relativiert die Vorwürfe. "Die Stimmung als 'schlecht' zu bezeichnen, sei falsch", sagt er. Am Montag habe er sich mit den beiden Chefredaktoren Stéphane Benoit-Godet und Alain Jeannet getroffen und den Puls gefühlt. "Solche Veränderungen führen bei den Angestellten immer zu Verunsicherung", sagt er. "Mit der besseren Technik und der besseren Infrastruktur im Newsroom ermöglichen wir es den Mitarbeitern, eine bessere Zeitung zu machen." Viele der Mitarbeiter würden dies auch schätzen.


Text: Michèle Widmer

Bild: Keystone



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