18.03.2004

"Ivo Bachmann, wie lebt es sich als Fremdkörper?"

Ivo Bachmann (Bild) hat seine ersten hundert Tage als Chefredaktor der Basler Zeitung bald hinter sich. Diese knapp drei Monate waren geprägt von Gerüchten über die redaktionelle Befindlichkeit und von Spekulationen über die neue BaZ. Wie hat Bachmann selber seinen Start erlebt? Warum die Abkehr von einer Tabloid-Zeitung? Und: Wie wird sie denn nun, die neue BaZ? "persoenlich.com" hat nachgefragt. Das Interview:
"Ivo Bachmann, wie lebt es sich als Fremdkörper?"

Wie beurteilen Sie Ihre ersten rund hundert Tagen im Amt?

Ich habe die spannendste Aufgabe, die man derzeit in der Schweizer Medienlandschaft haben kann.

Ihr Stellenantritt war von grosser Unsicherheit bei der Belegschaft begleitet, vor kurzem hat die interimistische Inland-Chefin auf ihren Posten verzichtet – einmal mehr wegen unterschiedlicher Auffassung mit der Chefredaktion. Dabei kannte man Sie bisher eher als Integrationsfigur. Was läuft schief?

Das sind mindestens drei Fragen... Erstens: Es läuft nichts schief, wir sind auf Kurs. Zweitens: Es ist verständlich, dass grosse Veränderungen nach einer langen Phase der Kontinuität Verunsicherung bewirken. Doch mein Ziel ist auch bei der BaZ eine von gegenseitigem Vertrauen geprägte, inspirierende Zusammenarbeit. Drittens: Die BaZ-Redaktion zeichnet sich aus durch eine sehr grosse Routine und eine Riesenkompetenz. Unter dieser Routine litt aber da und dort die Kreativität in der täglichen Arbeit. Daran arbeiten wir nun.

Wie?

Indem wir zum Einen rein handwerklich nicht 0815-Schemen herunterspulen, sondern in Varianten denken: Welches ist die geeignete Umsetzung eines Stoffs? Zum Anderen wollen wir in der Themendiskussion weniger ereignisorientiert arbeiten, sondern auch Themen lancieren.

Und gelingt das? Wo haben Sie die Zeitung Ihrer Meinung nach verändert?

Wir sind auf sehr gutem Weg. Ein Beispiel dafür ist unsere heutige Berichterstattung über die Bombardier-Schliessung in Pratteln, wo wir national zitiert werden. Ganz allgemein werden wir stärker wahrgenommen, die BaZ ist wieder lebendiger geworden.

Gestern haben Sie den Verwaltungsrat der Basler Zeitung Medien über den Aufbau der neuen BaZ informiert. Waren Sie mit den Reaktionen zufrieden?

Sehr.

Das ist überraschend, wählte man doch die unspektakulärste Variante. Haben Sie sich plötzlich an das "halbe Kilo BaZ" mit ihrem unhandlichen Format gewöhnt?

(Lacht) Man muss unterscheiden zwischen der inhaltlich und der formalen Ebene. Im Bezug auf das Format besteht international ein klarer Trend zum Tabloid. Dadurch stellt sich für die Basler Zeitung, die eine treue Leserschaft hat und stark in den nationalen Anzeigenmarkt eingebunden ist, die Frage, ob ein so radikaler Formatschnitt machbar ist, oder ob ein stufenweises Vorgehen sinnvoller wäre. Ich persönlich bin im Bezug auf die Formatdiskussion absolut zufrieden. Wenn wir das "Tablo" in einem ersten Schritt in die BaZ einführen, können wir die Reaktionen im Leser- und Anzeigenmarkt beobachten und dann gegebenenfalls ausbauen.

Viel wichtiger als Formatfragen ist aber die inhaltlich-konzeptionelle Diskussion, denn auch im Broadsheet kann man eine noch attraktivere BaZ machen.

Bleiben wir trotzdem noch schnell beim verpassten Tabloid. Aufgrund ihrer Marktstellung hätte die BaZ doch eine einmalige Chance gehabt, Innovationsgeist zu beweisen. Warum die Halbherzigkeit?

Im Rahmen der Konzeptionsarbeit hatten wir Kontakt mit wichtigen Werbeagenturen der Schweiz. Zudem veranstalteten wir eine grosse Leserumfrage. Die jetzt beschlossene Variante ist im Hinblick auf die Rückmeldungen aus beiden Märkten die beste. Im übrigen ist diese Mischung von Broadsheet und Tabloid eine Variante, die sich bereits bei anderen Qualitätstiteln bewährt hat, zum Beispiel in Skandinavien.

Was bringt uns "die erste wirklich moderne regionale Tageszeitung des 21. Jahrhunderts", die Sie vor einiger Zeit ankündigten, inhaltlich?

Lassen Sie sich im September überraschen! Bekannt ist: Wir wollen die BaZ als führende Regionalzeitung der Nordwestschweiz positionieren und dabei nahe am Leser sein. Es soll eine Zeitung sein, die auf Qualität statt Quantität setzt.

Wird die BaZ demnach dünner?

Wir konzentrieren uns verstärkt auf die für unsere Leser in der Nordwestschweiz wirklich relevanten Themen.

Wird die BaZ dünner?

Kompakter.

Dünner?

Verglichen mit der derzeit produzierten nicht.

Beruht das nur auf der Hoffnung auf mehr Anzeigen, oder wird der redaktionelle Umfang beibehalten?

Über das Jahr rechnen wir in etwa mit gleich vielen redaktionellen Seiten wie im vergangenen Jahr, wenn auch mit einer neuen Dramaturgie und einer Reihe von neuen Elementen. So haben wir im Sinn, einen neuen Einstieg in den ersten Bund zu schaffen. Während die BaZ heute auf den Seiten zwei und drei wie die meisten Tageszeitungen lange, grosse Stoffe bietet, arbeiten wir hier unter dem Arbeitstitel "Heute" an einem neuen Gefäss. Dabei verfolgen wir unter anderem das Ziel, auf einer Doppelseite einen schnellen Überblick darüber zu ermöglichen, was passiert ist und passieren wird. Gleichzeitig werden wir ein neues Navigationssystem durch die BaZ schaffen -- eine attraktivere Form von Inhaltsverzeichnis. Im weiteren wollen wir in der neuen BaZ vermehrt ressortübergreifend arbeiten, was in der Zeitung zum Ausdruck kommen wird. Wenn ich also sage, dass regionale Themen und Aspekte für die neue Basler Zeitung ganz wichtig werden, dann bedeutet das nicht nur einen profilierteren Regionalteil. Vielmehr soll in allen Ressorts immer überlegt werden, welches die regionalen Aspekte eines Ereignis’ sind, welches die Auswirkungen und die Bedeutung für unsere Leser sind.

Das tönt nach einer Art Jungfrau Zeitung, die nur ins Blatt bringt, was regionale Konsequenzen hat...

Ich kenne dieses Modell zu wenig. Für die Basler Zeitung kann es aber sicher nicht die Lösung sein, ausschliesslich Themen mit regionalem Bezug zu bringen. Wir haben intern darüber diskutiert, ob der Lokalteil vor dem In- und Auslandteil sein soll, wie das beispielsweise Lebruments Südostschweiz macht. Doch die Nordwestschweiz hat eine andere nationale und internationale Bedeutung und Ausstrahlung, hier haben die Leute andere Erwartungen.

Unklar ist bis heute geblieben, wie Sie Publikumsnähe ohne Niveau-Verlust erreichen wollen. Oder sollte die mehrfach kolportierte Provinzialisierung für Sie am Ende gar nicht so schlimm sein?

Eine Provinzialisierung wird ebenso wenig stattfinden wie eine Boulevardisierung! Ich habe inzwischen mit falschen Gerüchten und Mutmassungen leben gelernt, es gibt im Moment ja allein in Basel rund dreihunderttausend Chefredaktoren (lacht).

Die haben Sie Ende Januar auch zur aktiven Mithilfe aufgefordert. Wie ist denn das Feedback der Leserschaft?

Unterschiedlich. Wir erhalten erfreulich viele Vorschläge, die wir in Teilen auch umsetzen. Häufig schreibt man uns auch, was unbedingt erhalten bleiben müsse. Dann reagieren Leser aber auch auf die Veränderungen, die wir bereits realisiert haben. Hier gibt es viel Zustimmung, aber natürlich auch Ablehnung.

Basel will anders sein -- und ist es möglicherweise auch. Wie lebt es sich als Fremdkörper?

Ich habe zahlreiche Begegnungen gehabt und dabei festgestellt, dass viele Menschen hier sehr offen sind und sich auf Veränderungen freuen. Sie finden es gut, wenn auch Leute von ausserhalb kommen und frischen Wind bringen. Auf der anderen Seite warten viele Basler auch erst einmal ab oder sind eher kritisch-distanziert. Wenn man aber etwas herumschaut in dieser Region, stellt man fest: Es waren nicht selten Leute aus dem Rest der Schweiz oder aus dem Ausland, die hier Positives bewirkt haben -- und das nicht nur im Fussball.


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