12.11.2019

Kurt Schaad

«Man muss sich aus den Komfortzonen lösen»

Der gebürtige Schaffhauser hat das TV im letzten halben Jahrhundert hautnah erlebt: als «Karussell»- und «Tagesschau»-Moderator, «Eco»-Gründer sowie Joiz-Initiant. Bevor er am 20. November im Sonnenberg in Zürich auftritt: ein Gespräch über die Medienszene.
Kurt Schaad: «Man muss sich aus den Komfortzonen lösen»
Der 68-jährige Kurt Schaad gilt als einer der erfahrensten Schweizer Journalisten. (Bilder: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Schaad, Sie haben sich für ein Referat mit der Schweizer Medienszene der letzten fünfzig Jahre auseinandergesetzt. Was hat Sie dazu bewogen?
Die digitale Revolution hat auch vor der Schweiz und vor der Schweizer Medienszene nicht haltgemacht. Das Rad dreht sich immer schneller, und niemand weiss, in welche Richtung die Entwicklung genau gehen wird. Wie sich das über die letzten fünfzig Jahre entwickelt hat, ist faszinierend.

Wenn Sie zurückschauen, ganz banal: War es früher besser?
Nein, das war es nicht. Es war anders, überschaubarer. Gestern und heute waren und sind gute Inhalte die wichtigsten Erfolgsfaktoren. Dazu kommt, dass Bewegtbild auf sämtlichen digitalen Kanälen immer wichtiger wird.

abbaSchaad

Welches sind für Sie die grössten Herausforderungen für den Schweizer Medienmarkt?
Dass man sich aus Komfortzonen lösen muss, ohne die künftige Medienordnung genau zu kennen. Die Verleger trauern der Welt der Druckmaschinen nach. Sie wenden sich nur zähneknirschend dem elektronischen Bewegtbild zu, ohne das Videohandwerk richtig begriffen zu haben. Dafür war bisher der Quasi-Monopolist SRG zuständig. Es ist so etwas wie eine geschützte Werkstatt, die nun durch die Googles und Facebooks in ihrem Fundament erschüttert wird. Um gegen diese ausländische Konkurrenz zu bestehen, sind gute (schweizerische) Inhalte wichtig: Serien, Spiele, Dokumentationen, Nachrichten – Programme, die in Köpfen von innovativen einheimischen Medienmachern entstehen. Auch losgelöst von der SRG. Auf allen möglichen elektronischen Kanälen und vor allem auch für ein junges Publikum.

Wie weit soll der Staat unterstützend eingreifen?
So wenig wie möglich, so viel wie nötig. Die Schweiz ist ein kleines Land mit einem kleinen Markt. Werbe- oder Abogelder reichen nicht immer, um kompetente Informationen oder gute Ideen zu finanzieren. Deshalb braucht es Gebührengelder oder die Zusteller-Mässigung – solange es noch Printprodukte gibt. Auch können Subventionen im Onlinebereich durchaus Sinn ergeben. Es ist aber wichtig, dass diese Unterstützung innovativen Ideen zugutekommt. Gebührengelder also nicht nur für Institutionen wie die SRG, sondern auch für unabhängige Produzenten. Wettbewerb ist in diesem kleinen Markt nur beschränkt möglich, ein Wettbewerb der Ideen hingegen nicht.

Sie haben sehr lange für das Schweizer Fernsehen in den verschiedensten Funktionen gearbeitet und haben mit Joiz für kurze Zeit einen eigenen Sender betrieben. Inwiefern hat sich das ganze Fernsehen aus Ihrer Sicht verändert?
Ich war Mitgründer von Joiz. Und Joiz war ja nicht nur ein Sender, sondern eine Mischung aus Fernsehen und Social Media. 2010 mussten wir noch bis vor dem Bundesgericht für einen Programmplatz auf einem Kabelnetz kämpfen, das wäre heute nicht mehr der Fall. Ob es die Begriffe Fernsehen, Kanal oder Sender im allgemeinen Sprachgebrauch in Zukunft noch geben wird, wage ich zu bezweifeln. Die Zukunft gehört den Streaming-Plattformen. Das Alleinstellungsmerkmal beim Fernsehen ist die Livesendung. Etwas zu sehen, das aktuell hier und jetzt stattfindet und das ich live mitverfolgen kann. Zum Leidwesen der Free-TV-Sender schneidet hier Pay-TV ein immer grösseres Stück vom Kuchen ab. Inzwischen mischt auch Facebook mit und kauft weltweit Sportübertragungsrechte. Der Markt ist ganz schön in Bewegung geraten.

«In Zeiten von Fake News braucht es einen Service public»

Warum hat Joiz schlussendlich nicht funktioniert (persoenlich.com berichtete)?
Wir wussten, dass man mit Bewegtbild in der Schweiz auf keinen grünen Zweig kommt. Deshalb war von Anfang an klar, dass wir ins Ausland expandieren wollten. Nach drei Jahren war der «proof of concept» erbracht. Joiz Deutschland mit Standort Berlin wurde gegründet. Unser grösster Fehler war nicht die Auslandexpansion an sich, sondern dass wir zu schnell nach Berlin gegangen sind. Das hat zu viele Kräfte gebunden, die dann in der Schweiz fehlten. Das Joiz-Labor Zürich hat sich nur noch seitwärts und nicht mehr vorwärts bewegt. 

Hat der öffentliche Rundfunk, also die SRG, langfristig eine Chance?
In Zeiten von Fake News braucht es einen Service public. Allerdings muss sich die SRG von der Angst-Kultur lösen, die, unter anderem, durch den Einbau unnötiger Hierarchiestufen entstanden ist. Die dadurch entstehende Angst, Fehler zu machen, ist ein Ideenkiller. Es braucht einen Kulturwandel, der wieder innovative Inhalte möglich macht.

Und wie sieht es mit Blick TV aus?
Ein mutiges Projekt und boulevardmässige Konkurrenz für SRF. Ich hoffe, dass die Rechnung im kleinen Deutschschweizer Markt aufgeht. Konkurrenz für SRF ist immer gut.



Am Mittwoch, 20. November 2019, referiert Kurt Schaad zum Thema «Schweizer Medien – Zeit der letzten Chancen» im Restaurant Sonnenberg in Zürich.

Die Veranstaltung dauert von 12.15 bis 13.45 Uhr und kostet 65 Franken inkl. Lunch und Getränke. Anmeldungen sind noch bis am Mittwoch, 13. November, möglich unter club@dersonnenberg.ch. Veranstalter der medialen Zeitreise ist Freddy Burger Management (FBM) in Zusammenarbeit mit «persönlich».

Das ganze Interview erschien in der November-Ausgabe von «persönlich».



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