08.10.2002

Markus Gilli zu den Entlassungen bei TeleZüri

Am Montagabend kündete die Tamedia die Streichung von 16 Stellen bei TeleZüri an. Betroffen sei der Bereich Technik, die Redaktionen würden durch die Sparübung nicht tangiert. "persoenlich.com" befragte TeleZüri-Programmleiter und -Chefredaktor Markus Gilli (Bild) zu den Hintergründen. Das Interview:

Die Einstellung von Tele 24 erfolgte vor knapp einem Jahr. Schon damals hat Peter Canale Leute entlassen. Warum kommen jetzt weitere Kündigungen?

Das stimmt nicht. Canale kündigte als technischer Leiter und hatte ab Dezember 2001 nichts mit TeleZüri zu tun. Die Konzeption wurde von Jürg Wildberger gemacht. 1994 hatte der Sender 64 Mitarbeiter, 1997 -- vor dem Going National -- 75. Und heute sind es über 90, wir liegen somit mehr als 15 Stellen über 1997. Vor allem im technischen Bereich ist die Redimensionierung also nur teilweise gemacht worden.

Welche Stellen sind genau betroffen? Sind die entsprechenden Leute schon informiert?

Die Belegschaft wurde gestern um 19:30 Uhr informiert, anschliessend ging unser Communiqué raus. Betroffen sind alle Bereiche der Technik. Jetzt können die Leute -- wie vom Gesetzgeber für Massenkündigungen vorgesehen -- Vorschläge unterbreiten, wie sich Entlassungen vermeiden lassen. Falls beispielsweise genügend KollegInnen mit einem Fünfzig-Prozent-Pensum einverstanden sind, könnten Kündigungen umgangen werden.

Auf Ihrer Website werden 41 TechnikerInnen aufgeführt, ein Drittel davon verliert nun die Stelle. Wie kommt man zu so massiven Überkapazitäten?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die tägliche Stunde News und Talk wird jeweils von 18:00 bis 19:00 Uhr live produziert. Rechnet man die Vorbereitungszeit mit ein, ergibt sich beispielsweise für einen Kameramann ein Pensum von rund 30 Prozent. TeleZüri bezahlt ihm aber eine volle Stelle, was einfach zu teuer wird. -- Das meinen wir mit der angekündigten "Rückkehr zum ursprünglichen TeleZüri-Konzept": Ein Kameramann muss z.B. auch als Tontechniker oder als Cutter eingesetzt werden können.

Wir müssen jetzt also wieder mit verwackelten VJ-Bildern rechnen?

Zynische Kommentare finde ich angesichts der verlorenen Stellen und der schwierigen Situation für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfehlt. Unsere Videojournalisten filmen selber -- das hat nichts mit der Technik zu tun. Auch in diesem Bereich ist TeleZüri absolut professionell.

Wie sehen die genannten "sozialverträglichen Lösung" für die Entlassenen konkret aus?

Der Sozialplan geht sehr weit. Die Tamedia bietet die gleiche Lösung wie einst bei der Einstellung von TV3.

Der damalige CEO Christian Stärkle hat TeleZüri vor wenigen Wochen verlassen. Hat dieser Abgang etwas mit den geplanten Restrukturierungen zu tun?

Nein. Da besteht absolut kein Zusammenhang. Wenn Sie mehr wissen wollen, müssen Sie aber schon Stärkle selber anrufen.

Seit längerem wird über Kürzungen bei "Lifestyle" und "Swissdate" gemunkelt. In der aktuellen Pressemitteilung sind just diese Gefässe nicht erwähnt. Ein Versehen?

Es gibt keine Versehen, Herr Egli! Bei "Swissdate" finden absolut keine Veränderungen statt, weder in der Moderation noch sonst -- mit zweieinhalb Stellen könnten wir hier gar nicht weiter abbauen. Aber auch "Lifestyle" ist eine erfolgreiche Sendung, eine Einstellung hat ebenfalls nie zur Diskussion gestanden. Wir planen jedoch gegenwärtig mit "Lifestyle"-Redaktionsleiter Joël Gilgen einen Relaunch. Dieser wird am 1. Januar 2003 stattfinden.

Die Sponsorenbeiträge sollen auch schon üppiger geflossen sein...

Die Preise sind in diesem Bereich generell zusammengebrochen, das hat nichts mit "Lifestyle" zu tun. Immerhin sind die Werbeblöcke rund um die Sendung voll ausgebucht.

Sie vermelden gute Einschaltquoten, verkaufen aber offensichtlich zu wenig Werbung. Wo liegt das Problem?

Die Verkaufsabteilung von TeleZüri ist jetzt reorganisiert. Wir haben mit Verkaufsleiter Tarkan Özküp einen absoluten Top-Profi gewinnen können. Wir sind also nachgesessen und haben die versäumten Hausaufgaben gemacht -- dies im Rahmen eines grösseren Massnahmenpakets, zu dem auch die Umstrukturierung in der Technik gehört und welches die Zukunft von TeleZüri sichern soll. Die Tamedia sieht unser Potential und vertraut uns. Das zeigt auch die ungewöhnliche lange Frist von drei Jahren bis zum Break-Even, die uns eingeräumt wurden.

Versagt nicht die Regionalstrategie gegenüber den Auftraggebern?

Nein. Ich glaube, wir müssen unsere Nische ideal nützen. Wir bedienen mit dem Grossraum Zürich das wirtschaftlich interessanteste Gebiet der Schweiz. Wir haben einen grossen Publikumserfolg mit TeleZüri, der nun auch auf der kommerziellen Ebene umgewandelt werden muss. Nationales Fernsehen wäre angesichts der Wirtschaftslage nicht finanzierbar. Zudem müssen nun endlich Gebühren für die privaten Anbieter und eine Lockerung der Werberichtlinien erfolgen.

Wie gross ist das erwartete Defizit 2002 von TeleZüri?

Die Zahlen werden von der Tamedia im Halbjahresrhythmus kommuniziert.

Viel mehr als eine Million?

Die genaue Zahl finden Sie im Jahresbericht...


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