von Christian Beck
«Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen.» So beginnt ein Gedicht von Matthias Claudius (1740-1815). Auch Journalistinnen und Journalisten gehen manchmal reisen und berichten darüber. Geschieht dies auf Einladung und Rechnung eines Reiseveranstalters oder Hotels, sollte dies entsprechend deklariert werden.
In den Richtlinien zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (Journalistenkodex) heisst es unter Punkt 10.2: «Bei Pressereisen muss erwähnt werden, wer die Kosten übernommen hat.» Doch wie verpflichtend ist diese Richtlinie überhaupt? Ursina Wey, Geschäftsführerin des Schweizer Pressrats, wählt deutliche Worte: «Medienschaffende, die ihren Beruf ernst nehmen, halten sich an die Richtlinie 10.2 wie an alle übrigen Richtlinien auch.»
Noch ein Versäumnis
Nicht immer jedoch klappt es mit den Transparenzhinweisen. Ein solcher ging bei einer bislang sechsteiligen «Hotel-Geheimtipp»-Serie von 20 Minuten vergessen. Erst auf Anfrage von persoenlich.com wurde dieser Satz hinzugefügt: «Diese Pressereise wurde durch das Hotel ermöglicht.» Das Fehlen des Hinweises sei «ein Fehler gewesen», hiess es (persoenlich.com berichtete).
Bei Stichproben in verschiedenen Medien stiess persoenlich.com am Mittwoch bei Annabelle auf den Artikel «Redaktionstest: Die schönsten Schweizer Boutique-Hotels». Ein Transparenzhinweis fehlte. Am Donnerstagmorgen war er plötzlich da:
«Tatsächlich haben wir aufgrund Ihrer Anfrage festgestellt, dass wir es versäumt haben, einen Transparenzhinweis zu platzieren», antwortete Annabelle-Chefredaktorin Barbara Loop kurz später. «Wir haben diesen Fehler unterdessen korrigiert und Ihre Anfrage zum Anlass genommen, die Redaktion bezüglich Richtlinie 10.2 des Journalistenkodex' zu sensibilisieren, sodass bezahlte Reisen zukünftig konsequent ausgewiesen werden.»
Die Annabelle-Redaktion erhalte eine Vielzahl von Einladungen zu Pressereisen, wähle diese aber «äusserst selektiv und unabhängig» aus, um die entsprechenden Hotels im Anschluss zu testen, so Loop. «Über unsere Erfahrungen in diesen Hotels berichten wir ebenfalls unabhängig und bringen in unseren Texten wo nötig auch Kritik an.» Und, so Loop, behalte man sich auch vor, ein Hotel nicht als Tipp an die Leserschaft weiterzugeben, «wenn dieses unsere Erwartungen nicht erfüllen konnte».
In der Regel bezahlt die NZZ
Beim Lifestyle-Portal NZZ Bellevue wählte persoenlich.com den Artikel «Das Valbella Resort bietet neu noch mehr Platz zum Sein» aus. Transparenzhinweis? Fehlanzeige. «Der Besuch erfolgte auf Einladung des Hotels. Der Hinweis fehlt beim konkreten Beispiel tatsächlich», so Karin Heim, Leiterin der NZZ-Unternehmenskommunikation.
Bei der NZZ gibt es eine interne Regelung: «Mitarbeitende der NZZ können Einladungen zu Tagungen, Empfängen, kulturellen, sportlichen oder ähnlichen Veranstaltungen annehmen, wenn eine Teilnahme im Interesse der NZZ liegt (z.B. im Rahmen einer Berichterstattung oder zur beruflichen Kontaktpflege), der Rahmen angemessen ist und in der Einladung keine unzulässige Vorteilsgewährung liegt.» Seien mit einer solchen Einladung Reise- und Übernachtungskosten verbunden, so würden diese in der Regel von der NZZ bezahlt. Heim: «Eine Kostenübernahme durch den Einladenden ist im erwähnten Rahmen jedoch möglich.»
Bei klassischen Pressereisen werde entsprechend deklariert, so Heim. Einheitlich geschieht dies jedoch nicht. Manchmal wird der Transparenzhinweis relativ latent im Lead platziert, manchmal als Fussnote und manchmal im Lead und als Fussnote. «Wir überprüfen gegenwärtig die bestehende Regelung und suchen eine einheitliche Lösung», so NZZ-Sprecherin Heim weiter.
Auch das Lifestyle-Magazin Style von Ringier Axel Springer Schweiz gibt gerne Hoteltipps. Ein aktuelles Beispiel: «In diesen fünf Hotels gibt's Dolce Vita für jedes Budget.» Dass der Transparenzhinweis fehlt, dafür gibt es laut Sprecher Michele Paparone eine Erklärung: «Beim konkreten Beispiel basiert die Berichterstattung auf einer Recherche und nicht auf einer Pressereise.» Generell seien Pressereisen «ein normales Arbeitsmittel, das wir seriös einsetzen», so Paparone weiter. «Denn die Redaktionen entscheiden auf unabhängige Weise, ob sie einer Einladung zu einer Pressereise folgen und auch ob aufgrund dessen eine Berichterstattung erfolgt.»
Roger Köppel schöpft Kraft am Tegernsee
Auf ein etwas spezielles Beispiel stiess persoenlich.com bei der Weltwoche. Im Editorial vom 24. Mai schrieb Verleger und Chefredaktor Roger Köppel über einen Besuch beim «Selfmade-Hotelkönig vom Tegernsee». «Hier am Tegernsee schöpfe ich Kraft – und Zuversicht», schwärmte er. Wenige Seiten später folgte ein Leserangebot mit kostenloser fünfter Übernachtung – in Bayern am Tegernsee.
«Ich habe dort an einer Konferenz teilgenommen, über die ich auf Daily berichtet habe», so Köppel auf Anfrage. «Daily» ist ein tägliches Videoformat auf weltwoche.ch. Die Hotelübernachtung habe er selbst bezahlt, versichert Köppel. Das mache er auf seinen Reisen immer so – auch die Flüge berappe er selbst. Und das Leserangebot habe schon länger existiert. Tatsächlich wurde dieses bereits im Oktober publiziert.
«In meinen Sendungen kommentiere ich aus persönlicher Sicht Nachrichten und lasse dabei, weil ich nicht nur im Büro sitze, Eindrücke meines bewegten Lebens einfliessen», so Köppel weiter. «Ich rede oft mit Begeisterung über grossartige Bücher, Platten, Filme, Gegenden, Landschaften, Hotels, wo ich grade war, Begegnungen mit spannenden Menschen. Das ist alles redaktioneller Inhalt, für den ich nicht bezahlt werde.» Kommerzielle Inhalte würde die Weltwoche – «wie alle seriösen Zeitungen» – als Werbung oder Sponsored Content deklarieren.
Wenig Einsprachen beim Presserat
Bei mehreren zufällig ausgewählten Artikeln im Tages-Anzeiger wurde sauber deklariert. So steht beispielsweise unter dem Artikel «Nizza – fast wie zu Coco Chanels Zeiten» der Satz: «Die Reise wurde unterstützt von Anantara Plaza Nice.» Im Reise-Ressort von SonntagsZeitung und Tages-Anzeiger werde sowohl im Print als auch bei Online-Artikeln offen deklariert, wer die Reise bezahlt habe, so Tamedia-Sprecher Philip Kuhn. Entweder geschehe dies mit einem Satz am Ende des Haupttexts oder in der zugehörigen Infobox. «Findet sich kein entsprechender Vermerk – und nur dann –, kann der/die Leser*in davon ausgehen, dass die Kosten vom/von der Autor*in oder vom Verlag übernommen wurden», so Kuhn.
Negative wie positive Beispiele würden sich bestimmt noch weitere finden. Wie häufig Transparenzhinweise nicht angebracht werden, obwohl sie eigentlich hingehören müssten, darüber lässt sich keine allgemeingültige Aussage machen. «In den letzten Jahren sind dazu beim Presserat keine Beschwerden eingegangen», so Geschäftsführerin Ursina Wey. Drei Entscheide aus dem Jahr 1992, in denen der Presserat die Grundsätze zu journalistischer Unabhängigkeit im Zusammenhang mit Geschenken und Vergünstigungen präzisiert habe, seien jedoch nach wie vor gültig. So heisst es beispielsweise in der Stellungnahme 7/1992: «Immer dann, wenn Medienschaffende auf Kosten der Veranstalter unterwegs waren, sollen sie darüber informieren.»