29.01.2020

SRF

«Meine Arbeit als Projektleiter ist getan»

Urs Leuthard, Projektleiter Newsroom SRF, wechselt im Sommer in die Bundeshausredaktion. Dort wird er ein neues Interviewformat realisieren. Ausserdem wagt er den Sprung in die Selbstständigkeit. Der 56-Jährige sagt im Interview, was er genau plant.
SRF: «Meine Arbeit als Projektleiter ist getan»
Urs Leuthard ist Moderator von Abstimmungs- und Wahlsendungen auf SRF und war zuvor Leiter der «Tagesschau» und von der «Arena». (Bild: SRF/Severin Nowacki)

Herr Leuthard, was wird Ihr Job im Bundeshaus sein?
Ich werde in Bern zusammen mit Christoph Nufer die «Interviews zum Tag» realisieren, ein neues Format, bei dem wir vor allem während den Parlamentssessionen die wichtigsten politischen Themen mit spannenden Gästen vertiefen wollen – für TV, aber auch digitale Kanäle. Zudem werde ich als Teil des Bundeshausteams Beiträge rund um die Eidgenössischen Abstimmungen realisieren und auch weiterhin die Abstimmungs- und Wahlsendungen moderieren. Das entspricht einem 50-Prozent-Pensum.

Was reizt Sie daran?
Wieder näher dran sein am Politbetrieb. Und vor allem die Chance, die wichtigsten politischen Themen vertiefen zu können und so unserem Publikum und unseren Usern die Politmechanik, die Akteurinnen und Akteure und die Ziele und Motivationen näherzubringen und damit einen Mehrwert zu bieten. Das scheint mir, gerade als Service-public-Unternehmen, eine der wichtigsten Aufgaben von SRF zu sein.

«Das wahrscheinlich grösste Change-Projekt, das SRF in seiner Geschichte je durchgeführt hat»

Momentan sind Sie bei SRF noch als Projektleiter Newsroom im Einsatz. Geht es in den Schlussspurt mit der Umsetzung?
Das publizistische Projekt selber ist praktisch abgeschlossen – sofern eine solche Transformation überhaupt jemals abgeschlossen ist. Wir haben Ende 2018 die News-Organisation völlig neu aufgestellt, mit Fachredaktionen, einer neuen Videoredaktion, einer gemeinsamen Planung und dem Digital-first-Prinzip. Im November 2019 haben wir das neue News- und Sportcenter bezogen und können nun unsere neue Organisation und die Workflows im neuen Gebäude auch wirklich leben. Meine Arbeit als Projektleiter ist getan, die Verantwortung für die Weiterentwicklung liegt jetzt in den Händen der Kolleginnen und Kollegen in den einzelnen Redaktionen und Teams sowie in der Chefredaktion.

Sie sagen es: Ihre Arbeit ist getan. Nun machen Sie sich auch selbstständig – unter anderem im Bereich Newsroom/Change Management. Was genau werden Sie anbieten?
Das Newsroom-Projekt ist wahrscheinlich das grösste Change-Projekt, das SRF in seiner Geschichte je durchgeführt hat. Ich habe in den letzten Jahren sehr viel gelernt über den Sinn, die Ziele und Schwierigkeiten in einem solchen Prozess. Ich habe gelernt, was Change Management bedeutet, was funktioniert und welche Fehler man machen kann. Diese Erfahrung und dieses Wissen würde ich gerne weitergeben, sei es innerhalb der SRG, aber auch ausserhalb. Denn: Praktisch jedes grössere Unternehmen, nicht nur im Medienbereich, steht in der Kommunikation vor den gleichen Herausforderungen der digitalen Transformation wie SRF.


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Demokratie-Bildung» sei Teil Ihres Angebots als Selbstständiger. Was heisst das?
Seit fast 20 Jahren beschäftige ich mich sehr intensiv mit dem direkt-demokratischen System der Schweiz. Ich finde: Wir haben ein grossartiges politisches System, über das die meisten Leute in der Schweiz aber erstaunlicherweise gar nicht so viel wissen. Wir nehmen die vielen Abstimmungen, die konkordate Regierung mit den Mitgliedern aus (fast) allen Parteien, das Milizsystem und den Föderalismus zur Kenntnis und sind uns der Einzigartigkeit dieses Systems, aber auch der Tatsache, dass es immer weiterentwickelt werden muss, gar nicht richtig bewusst. Und wir sind uns auch zu wenig bewusst, dass dieses politische System das Fundament dafür ist, dass die Schweiz eines der erfolgreichsten Länder der Welt ist. Das liegt tatsächlich auch etwas am Bildungssystem: Ich habe in meiner Schulkarriere alles über die Römer gelernt, aber fast nichts über unser politisches System. Auch da möchte ich meine Erfahrungen und Erkenntnisse gerne weitergeben.

«Es gibt grosse Chancen und grosse Risiken»

Wo erhoffen Sie sich eine Nachfrage für Ihr Angebot?
Für Newsrooms und Change Management: Da scheint mir die Nachfrage nicht nur im Medienbereich, sondern in der gesamten Wirtschaft sehr gross zu sein. Für die Demokratie-Themen: Schulen, Bildungsinstitutionen, Medien, Verwaltungen. Aber auch Unternehmen, denn ich bin überzeugt: Viele Aspekte des erfolgreichen politischen Systems der Schweiz lassen sich auch auf die Geschäftswelt übertragen, zum Beispiel Machtteilung auf allen Ebenen, Delegation der Aufgaben an die Ebene, die die Probleme am besten kennt, Einbezug aller relevanten Stakeholder et cetera. Die Digitalisierung verändert auch die Demokratie entscheidend – es gibt grosse Chancen und grosse Risiken. Alles in allem: viel zu tun.


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KOMMENTARE

Rudolf Penzinger
30.01.2020 13:27 Uhr
"Selbständig" heisst auch "abhängig" - abhängig von den Kunden und Auftraggebern. Wie verträgt sich das mit einem aufrechten SRF-Engagement?
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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