02.06.2003

"Mit der neuen Struktur wollen wir beide Titel nachhaltig im Markt positionieren"

Uli Rubner (Bild) hat bekanntlich zusätzlich zur Verlagsleitung der Weltwoche auch die Verantwortung für den Verlag der Bilanz übernommen. Am Montagmorgen informierte sie ihre Mitarbeiter über die neue Organisation der beiden Verlage. Wichtigste Änderung: Mit Christoph Waeber erhalten Weltwoche und Bilanz neu einen gemeinsamen Anzeigenleiter. "persoenlich.com" wollte von Rubner wissen, was hinter dieser personellen Entscheidung steht, wo sie Synergien zwischen den beiden Titel ortet und warum sie Kürzungen bei den Line-Extensions der Bilanz vornimmt. Das Interview:
"Mit der neuen Struktur wollen wir beide Titel nachhaltig im Markt positionieren"

Frau Rubner, soeben haben Sie als Verlagsleiterin der Weltwoche neu auch die Geschäftsführung der Bilanz übernommen. Jetzt erhalten die beiden Titel mit Christoph Waeber auch einen gemeinsamen Anzeigenleiter. Geht es der Jean Frey so schlecht, dass sie beim Kader sparen muss?

Nun, es ist nie schlecht, wenn man das Steuer herumreisst, bevor man an die Wand fährt (lacht). Aber im Ernst: Wir leiden wie andere Medienhäuser auch unter der gedrückten Anzeigenkonjunktur. Aber verglichen mit unseren direkten Mitbewerbern stehen wir deutlich besser da: Bei der Weltwoche bin ich sehr zuversichtlich, dass wir unsere Budgets erreichen, wohlgemerkt Budgets, die wir im letzten Herbst vor Ausbruch des Irak-Krieges und vor der immer tiefer werdenden Branchenkrise erstellt haben. Schauen Sie sich die letzte Wemf-Statistik an und Sie sehen, dass wir der grosse Gewinner unter den Magazinen sind. Auch die Bilanz hat gegenüber den Mitbewerbern Marktanteile zugelegt, währenddem einige Titel im direkten Konkurrenzumfeld drastisch verloren haben. Wir haben also nicht aus einer Defensiv-Situation heraus reagiert.

Bei der Überprüfung der möglichen Synergien hat sich herausgestellt, dass Bilanz und Weltwoche zu 50 Prozent die gleichen Anzeigenkunden haben, grosse Überschneidungen gibt es vor allem bei den grössten Auftraggebern. Wenn wir dieses Synergiepotential richtig nutzen, haben wir mehr Power, ohne dass sich mein Arbeitsaufwand oder auch der des neuen Anzeigenleiters Christoph Waeber dadurch verdoppelt.

Wo konkret soll Synergiepotential bestehen zwischen einem monatlich erscheinenden Wirtschaftsmagazin und einer General-Interest-Wochenpublikation?

Die Ausnutzung von Synergien ist nicht mein erstes Ziel. An erster Stelle muss ganz klar die nachhaltige Ertragssicherheit der beiden Titel stehen. Was auch der Grund dafür war, dass wir nicht einfach die beiden Crews in einen Topf geworfen haben, sondern in der täglichen Kundenbetreuung weiterhin mit zwei eigenständigen Teams arbeiten. Damit wollen wir sicherstellen, dass sich die Leute im Verkauf weiterhin durch eine hohe Identifikation mit dem Titel auszeichnen und mit Herzblut bei der Sache sind. Der Vorteil der gemeinsamen Anzeigen- und Verlagsleitung besteht darin, dass wir der Pflege und Betreuung der Key Accounts der beiden Titel mehr Gewicht geben können. Wir vertreten im übrigen zwei Titel, die sich hervorragend ergänzen: Während die Bilanz die mittlere bis ältere Leserschaft im obersten Segment bezüglich Kaufkraft und Führungsfunktionen sehr gut abdeckt und vor allem männliche Leser anspricht, ist die Weltwoche seit dem Relaunch vor allem für die Jungen attraktiv geworden und hat ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen. Wir haben nur 20 Prozent Überschneidungen bei den Lesern. Damit sind wir nicht Konkurrenten, sondern können gemeinsam ein komplementäres Angebot für unsere Anzeigenkunden offerieren.

Im Lesermarketing und Anzeigenverkauf soll wie bereits angetönt weiterhin mit spezialisierten, getrennt arbeitenden Teams operiert werden. Warum verzichten Sie hier auf Kostenersparnis?

Mit der neuen Struktur wollen wir nicht in erster Linie Kosten sparen, sondern wie gesagt die beiden Titel nachhaltig im Markt positionieren. Wenn dabei Einsparungen gemacht werden können, ist das toll. Handkehrum bringt es mir bei einem Anzeigen-Umsatz von insgesamt 20 Mio. Franken nicht viel, wenn ich ein oder zwei Verkäufer einspare, wenn ich dafür eine Million Umsatz riskiere. Man muss das Ganze in Relation sehen.

Die bisherige Anzeigenkooperation zwischen der Bilanz und dem Edipresse-Titel Bilan wird "in gegenseitigem Einvernehmen" per 1. Juni aufgelöst. Die redaktionelle Kooperation soll jedoch fortgesetzt werden. Was sind die Gründe?

Dazu muss man wissen, dass diese Kooperation erst Anfang 2003 angelaufen ist. Bilan hätte in der Westschweiz Anzeigen für Bilanz verkaufen sollen, die Bilanz umgekehrt in der Deutschschweiz Anzeigen für Bilan. Unterdessen mussten wir aber feststellen, dass das Reporting extrem aufwändig wurde, da wir gegenseitig keinen Zugang zu unseren Anzeigensystemen hatten. Andererseits hätten wir Edipresse ja auch ungerne Zugang zu unserem Verlagsmanager geben wollen, wo alle Informationen unseres Anzeigengeschäftes bis ins Detail hinterlegt sind (lacht). Umgekehrt gilt dies wohl auch. Ausserdem bin ich der Meinung, dass der Westschweizer Markt mit all den Uhrenfirmen, mit Grosskunden wie Nestlé oder auch der Fiat-Gruppe für uns so wichtig ist, dass wir den Markt lieber mit eigenen Leuten bearbeiten statt den Verkauf outzusourcen. Wir haben das Glück, dass der bisherige Weltwoche-Gebietsverkaufsleiter Servais Micolot bereit ist, ab sofort auch die Bilanz in der Westschweiz zu vertreten. Als ehemaliger Generaldirektor von Jean Frey Romandie kennt er die Bilanz bereits sehr gut und er ist sicher einer der best vernetzten Anzeigenprofis in der Westschweiz. Micolot ist im übrigen der einzige, der neben Christoph Waeber und mir für beide Titel arbeiten wird.

Man hört, bei den Line-Extensions der Bilanz wie etwa der "Luxus Bilanz" seien Kürzungen oder Einstellungen geplant. Künftig soll das Hauptheft wieder mehr im Zentrum stehen, wie es Filippo Leutenegger in einer Mitarbeiterinformation formulierte. Was hat es damit auf sich?

Ich bin der Meinung, dass bei einem Monatsmagazin, das 12 Ausgaben pro Jahr herausbringt und zusätzlich bis zu 14 Specials auf den Markt bringt, ein Ungleichgewicht besteht. Das Hauptheft wurde eher erdrückt als gestützt und hat in Folge auch Volumen verloren, währenddem die Specials zugelegt haben. Eine Begründung für diese Verschiebung ist nicht zuletzt die Tatsache, dass der Anzeigenverkauf vielfach aufgrund kurzfristiger Verkaufsziele für die Specials die Präsentationen für das Hauptheft und die Akquisition von Kampagnen-Kunden vernachlässigt hat, weil dafür schlicht die Zeit fehlte. Dabei haben wir mit dem Bilanz-Hauptheft das führende Schweizer Wirtschaftsmagazin mit einer hoch attraktiven Leserschaft und einem unerreichten Preis-Leistungs-Verhältnis. Künftig wollen wir diese Leserschaft im Anzeigenmarkt wieder vermehrt als Verkaufsargument einsetzen und nicht primär über die redaktionellen Umfelder Einzelaufträge akquirieren. Das Hauptheft erhält also wieder mehr Gewicht, die attraktivsten Specials behalten wir als Ergänzung bei. Diese Neufokussierung macht auch markentechnisch Sinn: Schliesslich ist das Hauptheft immer noch der Träger unseres Brands.

Die Auflage der Bilanz ist um 14 Prozent eingebrochen. Da wird man kaum nur die Konjunktur verantwortlich machen können. Was läuft falsch?

Natürlich möchten wir den Auflagetrend wieder kehren. Aber so dramatisch sehe ich das nicht. Denn erstens waren wir mit unseren Verlusten in ziemlich guter Gesellschaft und zweitens haben wir bei der Reichweite unsere Stellung halten oder sogar ausbauen können. Mir ist es lieber so als umgekehrt.

Was haben Sie seit Ihrem Amtsantritt geändert? Und was planen Sie noch?

In den letzten zweieinhalb Wochen stand die Überprüfung der Strategie im Zentrum und die Frage nach einer sinnvollen Organisationsstruktur für die Zukunft. Nun geht es darum, die neuen Organisation zu implementieren. Da wir ja gleichzeitig einige personelle Wechsel haben, gilt es, die guten Leute zu halten und die Teams in der neuen Konstellation wieder aufeinander einzustimmen. Bei jedem Wechsel an der Spitze besteht ja bekanntlich die Gefahr, das gute Leute abspringen können. Nach und nach werden wir herausfinden, wo in der neuen Organisation noch Optimierungsmöglichkeiten bestehen. Im Zuge der nächsten Budgetierungsphase müssen wir uns Gedanken über das Pricing von Weltwoche und Bilanz machen. Beide Titel sind heute im Konkurrenzumfeld sehr gut positioniert und weisen dennoch einen supergünstigen 1000-Leser-Preis aus. Hier sehe ich gewisses Steigerungspotential. Und daneben darf natürlich das Daily Business nicht leiden: Da draussen gibt es Kunden, mit denen wir Kontakt halten müssen, unabhängig davon, was sich hinter der Fassade tut.

Wird es weitere Stellenkürzungen geben?

Warum soll ich jetzt radikal Leute abbauen, die ich später je nachdem wieder teuer einkaufen muss? Erst einmal sollen sich die beiden neuen Teams finden. Durch die engere Vernetzung von Weltwoche und Bilanz und die zum Teil neuen Aufgabenstellungen oder Rollenzuteilungen gibt es ja nun auch viel eher Möglichkeiten für interne Stellenwechsel oder für ein Job Enrichment. Die guten Leute werden ein motivierendes Umfeld mit interessanten Möglichkeiten finden. Im Herbst werden wir dann mehr sagen können.


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