Wer am Dienstagabend «10vor10» geschaut hat, dürfte gestaunt haben. Im Schwerpunktthema «Fokus» widmete sich die SRF-Newssendung der Migros und ihrem neuen Chef Fabrice Zumbrunnen. Nach einem einleitenden Beitrag folgte ein ausführliches Interview. Und zwar nicht eines der üblichen Sorte.
«Unterwegs zur Machtzentrale des Migros-Genossenschafts-Bundes», sagte Susanne Wille, die eilenden Schrittes Richtung Migros-Hochhaus am Zürcher Limmatplatz ging. Das Intro wurde untermalt mit einem fast schon dramatischen Soundtrack, die Kameraführung und der Bildschnitt waren auffallend schnell. Da wurde klar: Hier konnte nicht nur eine einzelne Handkamera im Einsatz sein. So waren «Luftaufnahmen» zu sehen, die aussahen, als ob sie mit einer Drohne aufgezeichnet wurden – und im folgenden Interview mit Zumbrunnen gab es fast unzählige Kameraperspektiven:
«Bei der Migros waren vier Kameraleute mit fünf Kameras und ein Beleuchter vor Ort. Darunter war keine Drohnenkamera, sondern eine 360-Grad-Kamera, die wir für unsere Innovationabteilung getestet haben», sagt «10vor10»-Redaktionsleiter Christian Dütschler auf Anfrage von persoenlich.com. «Wir sind momentan in der Pilotphase und probieren verschiedene Interview-Varianten aus.»
Die Sendungsmacher von «10vor10» hätten sich in diesem Jahr zum Ziel gesetzt, längere gepflegte Interviews mit Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu führen, um so die wichtigsten Themen zu vertiefen. «So entstand die Idee, dass unsere Anchors zu den Playern gehen und sie dort in einem längeren Interview befragen», so Dütschler weiter. Von der Bildsprache her sollten sich diese Interviews bewusst abheben. «Aber wir sind da am Ausprobieren, dazu gehört auch die Einführungssequenz mit der Moderationsperson dazu», sagt der Redaktionsleiter.
Nicht das erste Interview
Das Interview mit Zumbrunnen war nicht das erste, in welchem etwas Neues ausprobiert wurde. Premiere war ein Gespräch mit Bundespräsident Ueli Maurer am 22. Januar während des Weltwirtschaftforums in Davos. Dieses dürfte daher nicht sonderlich aufgefallen sein, da am WEF ohnehin anders berichtet wurde:
Am 19. März folgte dann ein Gespräch mit SBB-Chef Andreas Meyer. Dort konnten die Zuschauer erstmals feststellen, dass die Produktion aus dem üblichen Rahmen fiel. So wurden am SBB-Hauptsitz in Bern am Boden mehrere im Bild sichtbare rote Scheinwerfer aufgestellt:
Das Interview mit Zumbrunnen war jedoch von der Machart her deutlich aufwendiger. Warum werden die Gesprächspartner nicht – wie sonst üblich – einfach ins Studio nach Zürich eingeladen? «Es gehört zum Konzept dieser Interviews, dass unsere Moderationspersonen zu den Persönlichkeiten gehen und sie in ihrer Umgebung interviewen. Wir versprechen uns davon, dass wir so auch wichtige Politiker und Wirtschaftsführer für ein Interview gewinnen können, die an einem dichtgedrängten Tag wie der Bilanzmedienkonferenz zwar nicht ins Studio kommen können, aber sich Zeit nehmen für ein 15-minütiges Interview vor Ort», so Dütschler. Im Vergleich zu den Studiogesprächen gebe es zudem mehr Zeit zum Hinhören und vor allem mehr Zeit um ein zweites oder drittes Mal nachzuhaken.
Auch entstehe dieses Format nicht aus dem Tag heraus. «Anfragen für grössere Interviews, wie wir das mit dem SBB-Chef Meyer oder Migros-Chef Zumbrunnen geführt haben, reichen wir schon Wochen vorher ein.» Der Grund liege darin, dass sich die Konzernchefs zum Beispiel bei der Bilanzmedienkonferenz mehr Zeit nehmen müssten als bei herkömmlichen Kurzinterviews.
Das #10vor10 Interview:Migros-Chef Zumbrunnen baut den Milliarden-Konzern um.Kritiker sehen die Werte von Gottlieb Duttweiler gefährdet.Zumbrunnen:"Ich denke, dass noch viel von Dutti in der Migros lebt (...) Ich hoffe sehr,dass der unternehmerische Geist Duttis noch lebt" pic.twitter.com/Osy1OXaroc
— Susanne Wille (@willesusanne) 26. März 2019
Teurer sei ein solches Interview nicht, heisst es bei SRF. «Das wird aus dem bestehenden Budget finanziert. Die Kosten für das Interview bewegen sich im Rahmen eines herkömmlichen TV-Beitrags oder liegen darunter», so Dütschler. Der Grund: Weil diese Interviews bis zu neun Minuten lang seien – was der Länge von zwei Beiträgen entspricht –, sinke auch der entsprechende Minutenpreis. Würden stattdessen zwei Beiträge realisiert, würden teilweise mehrere Kameraleute an verschiedenen Orten Interviews machen.
Nächstes Interview: Karin Keller-Sutter
Das nächste «Fokus»-Interview ist bereits diesen Freitag geplant: mit Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Allerdings wird dann der technische und personelle Aufwand kleiner sein: «Bei diesem Interview werden es für ‹10vor10› und ‹Tagesschau› zusammen zwei Kameraleute sein und auch kein Beleuchter. Für unsere Moderationsperson wie auch für die Gäste steht noch eine Maske zur Verfügung», so Dütschler.
Schon nach den ersten drei Interviews während der Pilotphase steht für Dütschler fest: «Längere Gespräche von sechs oder acht Minuten bringen einen Mehrwert für unser Publikum.»
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