06.01.2021

Verlegerverband

«Näher am Puls kann man nicht sein»

Stefan Wabel wird neuer Geschäftsführer des Verlegerverbandes Schweizer Medien. Den neuen Job empfindet er als Privileg und sagt, wo die grössten Herausforderungen für die Branche momentan liegen.
Verlegerverband: «Näher am Puls kann man nicht sein»
Wabel ist seit 2014 Verlagsleiter der Schaffhauser Nachrichten und zugleich stellvertretender Unternehmensleiter des Medienhauses Meier + Cie Schaffhausen. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Wabel, herzliche Gratulation zu Ihrer neuen Tätigkeit als Geschäftsführer des Verbands Schweizer Medien. Ist dies jetzt ein Aufbruch zu neuen Ufern oder eine «Flucht» aus Schaffhausen, wo Sie Verlagsleiter der Schaffhauser Nachrichten sind?
Von Flucht kann keine Rede sein. Die Aufgabe in Schaffhausen macht mir nach wie vor viel Freude und ich hätte durchaus gut und gerne noch weitere Zeit in dieser anspruchsvollen Position verbringen können. Dass ich nun die Geschäftsführung des Verbandes Schweizer Medien übernehmen darf, ist für mich ein riesiges Privileg. Denn auch nach über zwanzigjähriger Tätigkeit ist meine Faszination für die Medienbranche ungebrochen. Und ich glaube, noch näher am Puls des Geschehens kann man nicht sein.

Nun sind Sie nicht mehr aktiver Handelnder wie als Verlagschef. Was reizt Sie genau an der Verbandstätigkeit?
Die Frage klingt so, als würde man in der Verbandstätigkeit nur zuschauen, statt aktiv zu handeln. Das ist aber überhaupt nicht meine Vorstellung, ganz im Gegenteil: Unsere Branche steht vor gewaltigen Veränderungen. Das bisherige Geschäftsmodell ist infrage gestellt und die Medienhäuser befinden sich in einem umfassenden Change-Prozess. Hier kann und soll ein starker Verband mithelfen, diese Herausforderungen erfolgreich zu gestalten. Und genau das reizt mich an dieser Position. Denn ich habe die tiefe Überzeugung, dass ein funktionierendes Mediensystem, welches unabhängige und verlässliche Informationen bereitstellt, für unsere Gesellschaft von essenzieller Bedeutung ist.

Sie haben lange bei den Schaffhauser Nachrichten gearbeitet, waren aber auch bei Ringier. Verstehen Sie sich jetzt als Vertreter der grossen oder der mittelgrossen Verlage?
In der neuen Position als Geschäftsführer des Verbandes bin ich weder noch. Primär vertrete ich dann die Interessen des Verbandes, insbesondere des Präsidiums. Dieses ist mit Vertretern von grossen, mittleren und kleinen Verlagen ausgewogen zusammengestellt, sodass auch die unterschiedlichen Ansichten und Möglichkeiten berücksichtigt werden. Generell denke ich, dass eine Vielzahl der Herausforderungen sowieso für alle Mitglieder des Verbandes identisch ist.

«Mit Aktivitäten im Bereich Media-Literacy widmen sich die Verlage einer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe»

Wo sehen Sie momentan die grössten Herausforderungen für die Branche?
Es gilt die Auswirkungen der Corona-Pandemie zu meistern, welche bei allen Medienhäusern zu massiven Einnahmeausfällen geführt haben. Dann läuft die wegweisende politische Diskussion über die Ausgestaltung der Medienförderung, welche die Medienbranche für die nächsten Jahre prägen wird, und wir müssen uns intensiver um die Schutzrechte für unsere Inhalte kümmern. Die Digitalisierung bringt in vielen Medienhäusern kostspielige Investitionen mit sich, während die nach wie vor gut gelesene Printausgabe ebenfalls täglich gedruckt und verteilt werden muss.

Was noch?
Es bedarf an Massnahmen, um die Zahlungsbereitschaft für journalistische Inhalte gerade in der digitalen Welt zu erhöhen und um mit Gattungsmarketing die Vorzüge von Printwerbung darzustellen. Mit Aktivitäten im Bereich Media-Literacy, also der Förderung der Medienkompetenz bei jungen Menschen, widmen sich die Verlage einer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe. Ich könnte die Auflistung noch fortführen, aber ich denke, das sind die dringendsten Aufgaben. Reicht das fürs erste?

Ja. Und für den Verband?
Da ich noch nicht offiziell im Amt bin, formuliere ich das generell: Rahmenbedingungen schaffen, welche die Unabhängigkeit und Freiheit der privaten Medien in der Schweiz ermöglichen. Das klingt vielleicht etwas banal, die daraus folgenden Aufgaben sind aber sehr vielfältig, spannend und äusserst fordernd.

«Vermutlich sollte ich meinen Twitter-Account auf Vordermann bringen»


Wie haben die Schaffhauser Nachrichten bis anhin die ganze Krise gemeistert?
Es erging uns wohl wie den meisten anderen Verlagen auch: Zum einen spürten wir eine massiv gesteigerte Nachfrage nach unseren Inhalten. Zum anderen verzeichneten wir einen starken Rückgang der Werbeeinnahmen. Wenn Veranstaltungen abgesagt sind und Geschäfte, Gastronomie und Freizeitangebote behördlich geschlossen werden, gibt es auch keine Inserate. Um den Umsatzeinbruch einigermassen ausgleichen zu können, waren kurzerhand diverse Kosteneinsparungen notwendig. Dazu kamen und kommen wie in allen Betrieben die organisatorischen Herausforderungen mit Schutzmassnahmen, Homeoffice und virtuellen Konferenzen. Insgesamt haben wir die Krise gut gemeistert und werden das vergangene Jahr mit einem soliden Ergebnis abschliessen.

Wenn diese Pandemie irgendwann vorbei ist, wie wird sich die Branche verändert haben?
Lassen wir die Pandemie zuerst einmal vorübergehen, bevor wir schon irgendwelche Schlüsse ziehen. Denn aktuell stecken wir noch mittendrin, daran hat leider auch der Jahreswechsel noch nichts geändert.

Welchen Vorsatz haben Sie für Ihre Tätigkeit gefasst?
Ganz pragmatisch: Zuerst möchte ich meine jetzige Tätigkeit in Schaffhausen sorgfältig abschliessen und dann ab Mitte Jahr mit vollem Elan die vielfältigen Aufgaben beim Verband anpacken. Und ja: Vermutlich sollte ich bis dahin noch meinen Twitter-Account auf Vordermann bringen.



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