Nach einer intensiven Debatte hat sich der Nationalrat am Donnerstag mehrheitlich für eine Aufstockung der indirekten Presseförderung für die Tageszustellung der Regional- und Lokalpresse von heute jährlich 30 auf neu 45 Millionen Franken während sieben Jahren ausgesprochen. Die Verbilligung soll die Verlage finanziell entlasten. Sie sollen damit mehr Geld in die digitale Transformation investieren können.
Dafür hat die grosse Kammer eine Vorlage ihrer Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF-N) zu einer Revision des Postgesetzes mit 126 zu 61 Stimmen bei zwei Enthaltungen verabschiedet. Angestossen hatte die Vorlage Christine Bulliard-Marbach (Mitte/FR) mit einer parlamentarischen Initiative. Auch für die Frühzustellung von Tageszeitungen unter der Woche bis 6.30 Uhr soll es eine durch den Bund subventionierte Ermässigung geben.
Nach dem Ende August bekannt gegebenen Stellenabbau bei Tamedia hatte zuletzt auch der Verlegerverband Schweizer Medien einen Ausbau der indirekten Presseförderung gefordert. Nur so bleibe das journalistische Angebot der privaten Medien in der Schweiz erhalten. Die Entwicklung treffe auch kleinere Lokal- und Regionalzeitungen. Ohne zusätzliche Förderung komme es zum Aus für Zeitungen.
Sparpläne des Bundes in der Kritik?
Der Nationalrat widersetzte sich mit den Entscheiden denn auch den Sparvorschlägen des Bundes: Eine Kürzung des Bundesbeitrags für die indirekte Presseförderung war Teil des unlängst veröffentlichten Expertenberichts für potenzielle Einsparungen beim Bund.
Der Bundesrat beantragte im Vorfeld Nichteintreten auf die Vorlage. Seine ablehnende Haltung begründet er unter anderem mit der angespannten Finanzlage. Ein Antrag der Landesregierung, für die indirekte Presseförderung insgesamt 37,5 anstelle von 45 Millionen Franken jährlich zu sprechen, scheiterte.
«Wir stehen zur indirekten Presseförderung, wollen aber keine Erhöhung», sagte Medienminister Albert Rösti im Rat. Nur die SVP warb im Rat für eine niedrigere Aufstockung. Eine Ermässigung für die Frühzustellung hatte die Landesregierung im Vorfeld ebenfalls abgelehnt.
Aufstockung unter Vorbehalt
Die Vorlage wurde am Donnerstag teilweise emotional diskutiert. Die SVP beantragte als einzige Fraktion im Rat Nichteintreten auf die Vorlage: «Medien sind in erster Linie privatwirtschaftliche Unternehmen», sagte Gregor Rutz (SVP/ZH). Diese müssten sich am Markt orientieren. Die Medienkonzentration, die vielerorts beklagt werde, sei nicht per se etwas Schlechtes. Durch die Konzentrationsprozesse würden auch neue Dinge entstehen, so Rutz. Mit Subventionen erreiche man das Gegenteil von Innovation. Der Bereich Medien sei kein Handlungsraum für den Staat.
Jaqueline Badran (SP/ZH) entgegnete, dass sich das Produkt der Information, der Presse nicht über Werbung oder Abonnemente refinanzieren lasse. Es gebe keinen «verdammten» Markt dafür. «Wenn wir in dieser Region, an diesem Ort oder in dieser Talschaft keinen Journalismus mehr haben, gibt es da keine Information mehr», sagte Jon Pult (SP/GR). Die Theorie des Strukturwandels sei hier daher nicht zutreffend. Vielmehr stecke man in einer fundamentalen Medienfinanzierungskrise.
Ähnlich tönte es auch von der Mitte-Fraktion. Marie-France Roth Pasquier (FR) sagte, die Pressevielfalt in der Schweiz sei regional und lokal bedroht. Man wolle einen finanziellen Puffer zur Verfügung stellen, damit die kleineren Medientitel die Digitalisierung vorantreiben könnten.
Am Ende wurde die Aufstockung der indirekten Presseförderung beschlossen - auch mithilfe der Stimmen von Grünen, GLP, Mitte und FDP. Letztere sieht laut Sprecher Andri Silberschmidt (ZH) im Schaffen des Regionaljournalismus einen grossen Wert. Die Regionalpresse habe aber nicht die Mittel, um die digitale Transformation alleine zu stemmen. Dies sei aber «wohl nicht die Rettung des Lokaljournalismus». Deshalb müsse die Erhöhung der Beiträge teilweise kompensiert werden, so Silberschmidt.
Beiträge für Stiftungspresse gestrichen
Dies sah auch die GLP-Fraktion so: Veraltete Strukturen sollten nicht zementiert werden, eine zukünftige Medienförderung soll anders aussehen, sagte Katja Christ (BS) im Rat. Deshalb sollte die Unterstützung ein Ablaufdatum haben. Der Rat befristete sie sodann auf sieben Jahre.
Der Bundesrat beantragte derweil auch die Streichung der Beiträge für die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse. Auch dies war im Rat bereits am Dienstag rege diskutiert worden. Bisher lagen die Beiträge bei 20 Millionen Franken jährlich. Eine linke Minderheit wollte sie auf 30 Millionen Franken erhöhen, scheiterte aber im Rat. Der Beitrag für die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse wurde am Ende knapp - auch dank Stimmen vonseiten der GLP und auf Antrag einer FDP-Minderheit - mit 94 zu 91 Stimmen bei vier Enthaltungen abgeschafft.
Elektronische Medien fördern
Dagegen will der Nationalrat die Einführung einer kanal- und geschäftsmodell-unabhängigen Förderung elektronischer Medien durch den Bundesrat prüfen lassen. Die Motion der KVF-N wurde mit 116 zu 72 Stimmen bei einer Enthaltung und gegen den Willen einer Minderheit der KVF-N aus SVP- und Mitte-Nationalräten angenommen. Auch mit dem Vorstoss muss sich als nächstes der Ständerat befassen.
Die Förderung soll aus dem Bundeshaushalt finanziert und durch eine Reduktion oder Abschaffung der indirekten Presseförderung gemäss Postgesetz kompensiert werden. Angesichts des wegen der anstehenden Volksabstimmung zur «200-Franken-Initiative» aus ihrer Sicht verfrühten Zeitpunktes und der aktuellen Finanzlage sprach sich die Landesregierung auch hier erfolglos gegen eine Annahme aus.
Eine weitere Motion der KVF-N zur Aufhebung der Wettbewerbsverzerrung bei der Förderung der Mitgliedschafts- und Stiftungspresse wurde derweil ohne Abstimmung angenommen - und in den Ständerat geschickt.
Erste Reaktionen
Kurz nach dem Entscheid des Nationalrats folgten erste Reaktionen. Mit der Vorlage erhalte die Schweizer Medienlandschaft eine Übergangslösung, mit der die Entstehung von Medienwüsten verhindert werden könne, schreibt der Verlegerverband Schweizer Medien. Der Ausbau ermögliche es den Verlagen, die notwendigen Investitionen in die digitale Transformation zu tätigen.
Auch der Verband Medien mit Zukunft (VMZ) begrüsst den Ausbau der indirekten Presseförderung, sieht diese aber nicht als langfristige Lösung. Es müsse klar werden: Nur Printmedien zu fördern, während Onlinemedien aussen vor bleiben, sei längst nicht mehr zeitgemäss. Zudem sei die Streichung des Beitrags an die Stiftungs- und Mitgliedschaftspresse bedauerlich. (sda/wid)