06.08.2002

Neues Gratisblatt macht Winterthurer Stadtanzeiger Konkurrenz

Das Wiler Verlagshaus Zehnder hat die Gründung eines weiteren Gratisblatts angekündigt. Die Winterthurer Nachrichten sollen ab September jeweils donnerstags in einer Auflage von 60'000 Exemplaren per Post in die Winterthurer Haushaltungen verschickt werden. Damit hat die Stadtanzeiger AG, welche die Winterthurer Woche (WiWo) gekauft hatte und einstellen wird, nun doch kein Gratiszeitungs-Monopol. "persoenlich.com" befragte Rolf-Peter Zehnder (Bild) nach seinen Plänen. Das Interview:
Neues Gratisblatt macht Winterthurer Stadtanzeiger Konkurrenz

Sie hatten den Druckauftrag für Metropol. Ist nach dessen Einstellung eine ungenügende Auslastung Ihrer Maschinen ein Grund für das Projekt Winterthurer Nachrichten?

Das hat damit gar nichts zu tun. Der Abgang von Metropol ist ersetzt, seit einem Monat drucken wir die International Herald Tribune. Natürlich sind wir aber interessiert, möglichst viele Eigenprodukte auf den Maschinen laufen zu lassen.

Was hat Sie dann zur Lancierung der Winterthurer Nachrichten bewogen?

Bis jetzt waren Winterthur und Umgebung die einzige Gegend, die wir mit unseren Produkten nicht bedienten. Ein Einstieg schien mir angesichts von zwei bereits bestehenden Titeln nicht sinnvoll, obwohl unsere Inseratekunden das immer wieder gewünscht hätten. Nach der Übernahme der WiWo durch den Stadtanzeiger wurde ich von Leuten aus Kreisen von SVP und FDP -- insgesamt rund zehn Industrielle -- angegangen. Ich stimmte der Gründung einer AG zu.

Welches sind die Ziele dieser Personen?

Sie möchten eine Plattform für eine zweite Meinung, damit nicht alles aus einem Haus kommt. In der Medienwüste St. Gallen etwa haben Splittergruppen heute kein Sprachrohr mehr. Wir hingegen sind politisch neutral und keiner Partei verpflichtet. So haben bei uns Berichte der SP Platz, auch wenn Sie unserer Meinung nicht entsprechen.

Wer wird konkret an der Winterthurer Nachrichten AG beteiligt sein?

Kurt Hutab und Jack Brunnschweiler werden sicher im Verwaltungsrat sein. Günter Heuberger ist uns zwar positiv gesinnt, ein VR-Sitz könnte wegen seiner Verbindungen mit anderen Medienprodukten aber heikel sein. Hier beabsichtigen wir einen Schulterschluss in der Kommunikation: Wir bekommen ein Fenster in Heubergers Radio Top und berichten in den Winterthurer Nachrichten über dessen Programm.

Wer sind die anderen Beteiligten, und wie werden die Beteiligungsverhältnisse sein?

Das sind verschiedene Namen, die mir als Ortsfremden nur teilweise bekannt sind. Die Entscheidung möchte ich den Herren Hutab und Brunnschweiler überlassen. Jedenfalls werde ich 60 Prozent des Unternehmens sowie die Führung innehaben.

Die WiWo stand mindestens seit dem 30. Juni zum Verkauf. Weshalb kauften Sie sie nicht?

Beim Verkauf der WiWo wurde ich angegangen, habe aber abgesagt. Denn den Titel so zu übernehmen, wäre zu kompliziert gewesen. Wir haben ein anderes redaktionelles Konzept: Mit 50 Prozent Text setzen wir stark auf Eigenleistungen. -- Inzwischen sind wir mit der WiWo-Redaktion und -Inserateakquisition übrigens in fortgeschrittenen Verhandlungen.

Warum sollen die Winterthurer Nachrichten rentieren, nachdem die WiWo aus finanziellen Gründen eingestellt wurde?

Weil wir eine Druckerei besitzen. Das ist heute im Wettbewerb der Gratisanzeiger nötig, um Anfangsschwierigkeiten aufzufangen.

Bis wann muss Ihr Projekt schwarze Zahlen schreiben?

Von Anfang an.

Stadtanzeiger-Verwaltungrat Lothar Dostal glaubt, in Winterthur habe nur ein Gratisanzeiger Platz. Stellen Sie sich auf einen Verdrängungskampf ein?

Nein. Meine Meinung deckt sich nicht mit der von Herrn Dostal. Ich bin überzeugt, dass wir als unabhängige Publikation Sympathie in der Bevölkerung geniessen werden. Der Bürger mag keine Monopole.

Sie geben sich bis zum Start einen knappen Monat Zeit. Reicht das?

Wir möchten etwa in der dritten Septemberwoche starten. Das reicht, in Luzern brauchten wir nur drei Wochen zur Realisierung eines Projekts. Layout und Gerippe der Winterthurer Nachrichten bestehen bereits, weil wir das sehr erfolgreiche Modell der Wiler Nachrichten übernehmen.

Die Zustellung ist per Post geplant. Warum keine Verträger?

Die einzige Vertriebsorganisation in Winterthur ist im Besitz der Konkurrenz. Wir möchten hier Unabhängigkeit. Dafür bin ich auch bereit, den teureren Vertrieb durch die Post zu bezahlen.

Beim Schaffhauser Bock zeichnen sich ebenfalls Veränderungen ab. Sind Sie hier auch an einem Kauf interessiert?

Nein, gar nicht. Zudem möchte meinen Informationen zufolge jetzt die Mitarbeiterschaft das Blatt übernehmen.

Neben all den Prominenten der Verlagsszene sind Sie weniger bekannt. Wer ist Rolf-Peter Zehnder?

Ich stehe nicht gross in der Öffentlichkeit und möchte das auch nicht. Ich habe auch keine politischen Ämter inne. Ich habe genug zu tun. Wir arbeiten, und zwar seriös.

Sie haben 1963 mit dem Thurgauer Wochenanzeiger die erste Schweizer Gratiszeitung gegründet. Heute verlegen Sie 22 Titel. Ihr Erfolgsrezept?

Nur lokal berichten. Es braucht eine lokale Redaktion, die seriös lokale Themen recherchiert.

Trotz Ihrer 22 Gratiszeitungen sind Sie nicht im Gratisanzeigerverband. Warum?

Ich bin kein Verbandsmensch. So lange die nicht einmal eine gemeinsame Aktion hinbringen, damit die heutigen Stopp-Kleber an den Briefkästen ersetzt werden durch solche, welche die Zustellung von Gratiszeitungen gestattet, macht das für mich keinen Sinn.


Kommentar wird gesendet...

KOMMENTARE

Kommentarfunktion wurde geschlossen

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren