27.01.2004

"Polo Stäheli, werden Sie rekurrieren?"

Das "Berner Modell" ist von der Wettbewerbskommission am Montag mit Auflagen genehmigt worden. Zwar wird die Beteiligung der Espace Media Groupe (EMG), der Herausgeberin Berner Zeitung, am lokalen Konkurrenten Bund gebilligt. Der Einstieg bei 20 Minuten aber bleibt der EMG verwehrt. Zudem geht Radio BE1 von der Bund Verlag AG an die NZZ-Tochter Freie Presse Holding. "persoenlich.com" hat EMG-Konzernleiter Albert "Polo" Stäheli (Bild) um ein Interview gebeten. Wie zuvor schon BZ-Verlagsleiterin Franziska von Weissenfluh wollte auch Stäheli "aus Zeitgründen" nur schriftlich Stellung nehmen. Seine Antworten:
"Polo Stäheli, werden Sie rekurrieren?"

Sind Sie mit dem Weko-Entscheid zufrieden?

Bezüglich "Berner Modell" ja, bezüglich 20 Minuten sind wir sehr enttäuscht.

Ein Einstieg der BZ bei 20 Minuten hätte in Bern laut Weko zu einer "marktbeherrschenden Stellung der EMG" geführt. Teilen Sie diese Auffassung?

Natürlich nicht, liegt sie doch völlig neben der Realität. Das Grundübel liegt in der zu kleinräumigen Definition des Marktes durch die Weko. Das relevante Marktgeschehen findet schon seit Zwanzig Jahren nicht mehr im Lokalen statt, sondern im Nationalen. Dort erleben wir einen härteren Wettbewerb als je zuvor. Es ist doch irrwitzig anzunehmen, wir könnten im Lokalen höhere Tarife durchsetzen als im nationalen Markt. Das Überleben eines jeden regionalen Medienunternehmens hängt doch gerade von seiner regionalen Stärke ab. Nur wenn es gelingt, in der Schweiz eine gewisse Anzahl starker regionaler Player zu erhalten, wird ein anspornender Wettbewerb bestehen bleiben. Sicher gelingt dies aber nicht, wenn die Regionen ausserhalb Zürichs von der Weko derart kleinlich zurück gebunden werden.

Nachdem nun 20 Minuten vollständig an Tamedia geht, müsste die BZ im Lokalmarkt gegen ihre Zürcher 49-Prozent-Eignerin kämpfen. Zu erwarten sind indes eher informelle Absprachen zwischen BZ und 20 Minuten/Tamedia. Ist der Weko-Entscheid also ein Rohrkrepierer?

Ich betone nochmals, der Wettbewerb spielt sich gar nicht in der Region ab. Die Anzeigenerlöse der Berner Zeitung generieren sich zu 80 Prozent aus dem nationalen Markt. Mit dem jetzigen Weko-Entscheid flössen die Werbeerträge von 20 Minuten einfach zu 100 Prozent nach Zürich. Wir sehen nicht ein, weshalb nicht ein proportional angemessener Teil aus dem nationalen Markt auch in unsere Region fliessen dürfte.

Werden Sie gegen den Weko-Entscheid rekurrieren?

Wir werden die über 50 Seiten starke Verfügung sehr genau studieren. Nach diesem Verfahren bleiben bei mir einige ungute Gefühle zurück, die nicht einmal nur mit der Beurteilung, sondern auch mit Verfahrensfragen zu tun haben. Wir rechnen uns bei einem Rekurs intakte Chancen aus. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir an die nächste Instanz gelangen.

Sie werden für den Fall eines Weko-Nein zum Einstieg bei 20 Minuten sicherlich einen Plan B erarbeitet haben. Wie sieht Ihre Strategie gegen die Gratis-Konkurrenz aus?

Es ist jetzt zu früh, um über andere Varianten zu spekulieren.

Als neue Bund-Mitbesitzerin müssen Sie das -- immerhin rentable -- Radio BE1 abgeben. Wie sehr schmerzt das?

Gar nicht. Erstens müssen nicht wir, sondern die Bund Verlag AG die Radig AG an die Freie Presse Holding (NZZ-Tochtergesellschaft) übertragen, und zweitens ist BE1 nur rentabel, so lange man die Quersubventionierung aus der Zeitung Der Bund als Erträge betrachtet. Die Bund Verlag AG, an der wir uns jetzt beteiligen dürfen, wird durch diese Desinvestition also finanziell entlastet. Ausserdem ging es uns nie um die Radiostationen, sondern um das "Berner Modell" von BZ und Bund.

BZ-Verlagsleiterin Franziska von Weissenfluh wich unserer schriftlichen Frage vorige Woche etwas aus, weshalb sie hier wiederholt sei: Haben sich wegen des neuen BZ-Bund-Kombis neben C&A und PKZ noch weitere Inserenten zurückgezogen?

Kein einziger Kunde hat sich zurückgezogen. Ich weiss nicht, wer an diesen an den Haaren herbeigezogenen Behauptungen ein Interesse hat. Es gibt auch keinen vernünftigen Grund dazu, schliesslich ist unser Angebot in jeder Hinsicht attraktiver als zuvor. Es nimmt wohl niemand an, dass der Preis der BZ-Gesamtausgabe nicht hätte massiv erhöht werden müssen, wenn Der Bund in Bern verschwunden wäre. In diesem Punkt gehe ich mit der Weko durchaus einig. Der Bund war ein Fall von "Failing Company Defense". Mit anderen Worten: Seine Marktanteile wären nach seinem Eingehen sowieso grösstenteils an die BZ gefallen.


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