10.04.2023

Schweizer Fernsehen

Sascha Ruefer erklärt Kontext seiner Aussage zu Granit Xhaka

Der SRF-Fussballreporter nimmt gegenüber ausgewählten Medien Stellung zu seiner Aussage über den Nati-Captain, die als rassistisch dargestellt wurde. Gegen die WOZ, die den Vorwurf erhoben hat, will Ruefer rechtlich vorgehen.
Schweizer Fernsehen: Sascha Ruefer erklärt Kontext seiner Aussage zu Granit Xhaka
Fühlt sich sehr ungerecht behandelt: SRF-Fussballkommentator Ruefer wehrt sich gegen Rassismusvorwurf. (Bild: Screenshot «The Pressure Game»)

Ende März berichtete die CH-Media-Redaktion als erste darüber. Sascha Ruefer habe eine Aussage über Nati-Captain Granit Xhaka nachträglich zurückgezogen, die er in einem Interview für den Dokumentarfilm «The Pressure Game» gemacht hatte. Es handele sich um eine Aussage, «die man Ruefer in der ursprünglichen Form als rassistisch hätte auslegen können», wird ein anonymer Tippgeber zitiert.

Die CH-Media-Zeitungen weisen aber auch darauf hin, dass der Satz aus einem längeren Gespräch «entrissen worden und in einen völlig anderen Zusammenhang gestellt» worden sei. Erst so habe Ruefers Aussage eine rassistische Note erhalten.

Sowohl Ruefer selbst als auch SRF-Sportchefredaktorin Susan Schwaller und Simon Helbling, der Regisseur des Dokumentarfilms, äusserten sich damals nur summarisch zu den Vorgängen.

Für WOZ «klar rassistisch»

Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte die Wochenzeitung dann den Satz, den Ruefer über den Fussballer kosovarischer Herkunft gesagt haben soll: «Granit Xhaka ist vieles, aber er ist kein Schweizer.» Das Verdikt der WOZ: klar rassistisch (persoenlich.com berichtete). Ein Kontext, der diese Aussage in einem anderen, nicht rassistischen Licht erscheinen lassen könnte, sei «schwer vorstellbar».

Den Rassismusvorwurf will Sascha Ruefer nicht auf sich sitzen lassen. Darum ruft er am Karfreitag ausgewählte Medien zusammen, um ihnen das nicht gesendete Filmmaterial des Dokumentarfilms zu zeigen – und damit auch den nicht gesendeten O-Ton, den die Medien zuvor nur vom Hörensagen und ohne Kontext kannten.

Blick, NZZ, Tages-Anzeiger, CH Media und 20 Minuten berichten in der Folge ausführlich über Ruefers Erklärungen. Nicht eingeladen ist die WOZ, gegen die Ruefer rechtlich vorzugehen erwägt, weil er sich «sehr ungerecht behandelt fühlt» und «journalistische Werte verletzt sieht», wie der Tages-Anzeiger schreibt. Bei der Visionierung des Filmrohmaterials dabei sind auch SRF-Sportchefredaktorin Susan Schwaller und SRF-Sportchef Roland Mägerle.

Mit diesem ungewöhnlichen Medienanlass will Ruefer Klarheit darüber schaffen, unter welchen Umständen er den Satz gesagt hat, wie er genau lautet und in welchem inhaltlichen Kontext seine Aussage steht.

Der Dreh in Doha

Am 2. Dezember 2022, vor dem Spiel Schweiz gegen Serbien an der Fussball-WM in Katar, das Ruefer für SRF kommentieren wird, nimmt er in Doha vor der Kamera Platz für den Dokumentarfilm über die Nati. Eine Dreiviertelstunde dauert der eigentliche Dreh. Danach läuft die Kamera weiter. In den folgenden zwanzig Minuten plaudern Ruefer und Regisseur Helbling in einem informelleren Ton miteinander. In dieser Phase fällt auch der Satz – der aber nicht so lautet, wie ihn die WOZ zitiert hat. Die NZZ beschreibt den Moment, als die Aussage fällt, folgendermassen: «Ruefer fragte den Interviewer, warum Xhaka jeden aufrege. Und er gab die Antwort selber: weil Xhaka alles sei, nur nicht Schweizer. Der Interviewer lachte.»

Der Satz beziehe sich eindeutig darauf, wie Xhaka als Führungsfigur funktioniere, schreibt der Tages-Anzeiger. Also nicht auf die Person. Und diese Art als Nati-Captain sei für Ruefer eben nicht klischeehaft schweizerisch, also eher zurückhaltend, sondern forsch, mit klar formulierten und sehr hohen Zielen. «Diese Ansicht führt er im Gespräch zuvor deutlich aus», so der Tagi weiter.

Der «unschweizerische» Schweizer

Dass dieses «Unschweizerische» nichts mit der Herkunft zu tun haben muss, zeigt die NZZ mit einem Blick ins Archiv. Vor dem Start der Fussball-WM 2006 schrieb das St. Galler Tagblatt über den damaligen Captain Alex Frei: «Das grosse Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten, das Proklamieren von hohen Zielen – eigentlich ein untypisches schweizerisches Verhalten –, kommt nicht von ungefähr.» Vier Jahre später nannte Andy Egli, der frühere Nationalspieler, Alex Frei gar einen «Anti-Schweizer» wegen dessen Haltung und Ehrgeiz.

Warum dieser eine Satz in der Rohschnittversion vorkam, obwohl sich Ruefer eine Dreiviertelstunde lang zwar auch kritisch, aber vor allem anerkennend zur Rolle Xhakas als Captain der Fussballnati geäussert hatte, erklärt Regisseur Helbling nur allgemein. Nach anfänglichem Schweigen meldet sich Helbling am Ostermontag mit einem Statement, aus dem zahlreiche Medien zitieren. Darin heisst es unter anderem: «Ein Interview für eine Dokumentation wird in eine Zusammenstellung einzelner Sätze zerlegt, ohne Fragen des Interviewers oder zusätzliche Informationen. Danach schneiden die Editoren und Editorinnen diese Sätze. So gelangte das Statement von Sascha Ruefer, welches nach dem eigentlichen Interview gesagt wurde, in die Schnittversion.» 

Ruefer erklärt es sich so, dass es bei einem solchen Projekt auch darum gehe, Reibung und Spannung zu erzeugen, um gute Einschaltquoten zu erzielen. «Es wurde so hingestellt, als gäbe es einen Konflikt Ruefer gegen Xhaka», sagt Ruefer im Interview mit dem Blick. Helbling habe aber den Fehler eingesehen und die Aussage aus dem Film genommen, erzählt Ruefer dem Tages-Anzeiger. Der Filmemacher sieht das auch als Beleg dafür, dass die Kontrollmechanismen «wie vorgesehen» funktioniert hätten. Er und sein Team hätten den in die Schlagzeilen geratenen Satz entfernt, bevor die finale Version ausgestrahlt worden sei, schreibt der Tages-Anzeiger.

«Züge einer Orchestrierung»

Dass die Sache damit nicht erledigt war, rührt für Ruefer daher, dass ihm jemand aktiv schaden wolle. Gegenüber der CH-Media-Redaktion sagt es Ruefer so: «Jemand nahm diese Aussage – ohne jeglichen Kontext – und spielte sie einem Journalisten zu mit der klaren Botschaft: Schau, Sascha Ruefer ist ein Rassist.»

Die NZZ-Sportredaktion sieht «Züge einer Orchestrierung». Auch sie habe Ende März Hinweise auf das Zitat erhalten, das dann die WOZ veröffentlichte. Man habe aber vorerst auf eine Berichterstattung verzichtet, weil der Kontext fehlte.

Nach der Dynamik, die seine Äusserung entwickelt hat, ist für Ruefer klar: Er würde den Satz «so nicht noch einmal sagen, wenn ich zurückgehen könnte», so Ruefer im Blick. Er habe nie ausdrücken wollen, Granit Xhaka sei kein Schweizer. Er sagt auch, dass er keinen Grund sehe, sich zu entschuldigen. Aber: «Ich werde mich bei Xhaka erklären», sagt Ruefer der CH-Media-Redaktion.

«Er hat nichts falsch gemacht»

Das Schweizer Fernsehen stärkt derweil seinem Mitarbeiter den Rücken. «Wir stehen hinter Sascha», sagt Sport-Chefredaktorin Schwaller dem Tages-Anzeiger. «Er hat nichts falsch gemacht und an seiner Rolle als Kommentator der Schweizer Nationalmannschaft wird sich nichts ändern.»

Und was sagt eigentlich Granit Xhaka zu Ruefers Aussage? Bisher nichts. Eine Anfrage der NZZ liess sein Berater unbeantwortet. (nil)



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