27.09.2018

Swiss Media Forum 2018

Schneider-Ammann eröffnet den Medienkongress

Der Wirtschaftsminister hat am Donnerstag zwei Plädoyers zu Medien und Politik gehalten. Zuweilen war seine Rede sehr humorvoll. So begrüsste der Bundesrat die Medienschaffenden mit «Chers malades».
Swiss Media Forum 2018: Schneider-Ammann eröffnet den Medienkongress
«Bleib wie du bist. Und entscheide einzig danach, was du für richtig hältst – und nicht nach der öffentlichen Wirkung», sagte Bundesrat Johann Schneider-Ammann im KKL in Luzern. (Bild: Swiss Media Forum)
von Christian Beck

Der abtretende Bundesrat Johann Schneider-Ammann hat am Donnerstag bei seiner Eröffnungsrede zum achten Swiss Media Forum in Luzern viel Humor bewiesen. Er begann mit den Worten «Chers malades» und zitierte aus seiner legendären Rede zum Tag der Kranken den mittlerweile weltberühten Satz: «Rire, c’est bon pour la santé.»

«Aber das ist die falsche Rede», sagte der Bundesrat schliesslich vor dem sichtlich amüsierten Publikum. Wenn der Künstler Andy Warhol mit seiner Aussage recht gehabt habe, dass jeder einmal für 15 Minuten berühmt sein werde, dann könne er mit Fug und Recht behaupten: «Meine 15 Minuten habe ich in meiner achtjährigen Bundesratskarriere kassiert.» Sogar Barack Obama sagte ihm einst: «I know you!»

Schneider-Ammann betonte, dass seine Eröffnungsrede noch vor der Rücktrittsankündigung entstanden sei. Und erneut wurde er selbstironisch: «Diese Ankündigung, das wissen Sie – wenn Sie nicht während meiner Medienkonferenz eingenickt sind –, hätte ja erst am Freitag stattfinden sollen.»

Ein Plädoyer, das er sich leisten kann

Der Wirtschaftsminister setzte an zu seinem ersten Plädoyer «für Politiker und Politik, die nicht primär auf Medien fokussieren – das gibt es auch». Als einer, der in seinem Politikerleben nicht mehr gewählt werden müsse, könne er sich dieses Plädoyer leisten. Der Karriereverlauf eines Politikers gehe normalerweise einher mit seinem «medialen Wert»: «Wer nichts produziert, was die Medien als Schnittstelle zur breiten Öffentlichkeit interessiert, kann höchstens darauf hoffen, als Hinterbänkler seine Zeit abzusitzen.» Er mache sich Sorgen darum, was das für einen Einfluss auf die Politik habe.


Schneider-Ammann nannte Beispiele wie dieses: «Wer auf Beliebtheit schielt, sollte besser kein Freihandelsabkommen mit China aushandeln.» Wenn Politik aber zur Nabelschau der Eitelkeiten werde, blicke sie nicht mehr voraus und verliere ihre Wirkung. Den Medien scheine die Hülle ab und zu wichtiger als die Substanz. «Da zählt ein bezauberndes Lächeln mehr als die Arbeit im Hintergrund.» Dabei wäre genau das die Aufgabe kritischer Medien: «Hinter die Fassade blicken und so die Substanz aufdecken.»

Plädoyer für Medien im Umbruch

«Auch ich habe das Zauber-Rezept nicht gefunden, die riesigen Herausforderungen der Medien in der digitalen Transformation zu lösen», fuhr der Wirtschaftsminister fort – und war damit bei seinem zweiten Plädoyer angelangt. Es scheine ihm aber wichtig, dass sich die professionellen Medien konsequenter auf den Kern ihrer Daseinsberechtigung besinnen sollten, wenn sie relevant bleiben wollen. «Nur wer relevant bleibt, wird bezahlt.»

Auch wenn sich das «Wie» der künftigen Medientätigkeit durch veränderte Lesergewohnheiten und technologische Möglichkeiten unweigerlich schnell weiterentwickeln werde, sollte sich das «Was» wieder stärker danach ausrichten, «was kritische, geschulte, recherchierende Journalistenaugen entdecken können, wo es der breiten Öffentlichkeit verborgen bliebe». Diese Ausrichtung fehle ihm teilweise etwas in der «Beliebigkeit zwischen Infotainment und News-Bolzerei».

Schneider-Ammann sagte zusammenfassend: «Politik und Politiker, die sich zu stark nach dem öffentlichen Bild ausrichten, schaden der eigenen Glaubwürdigkeit. Und Medien, die sich zu sehr um die Fassade kümmern, werden zum Spielball und mindern die eigene Relevanz.» Beides sei gefährlich für die Demokratie.

«La suisse est le petit paradis», so der Bundesrat abschliessend. «Ich kann nach Luzern kommen ohne Bodyguard.» Und für diese Werte lohne es sich zu kämpfen. Es folgte ein langer Applaus.

«Ich fühlte mich wie ein Zweitklässler»

Im Anschluss an seine Rede fragte Moderatorin Susanne Wille den Bundesrat unter anderem, ob die Zusammenarbeit mit den Medien während seiner Amtszeit einem Spiessrutenlauf gleichkam. Der Bundesrat verneinte, gab aber gleichzeitig zu: «Die ersten zwei bis drei Jahre waren schwierig. Ich fühlte mich wie ein Zweitklässler gegenüber den Experten auf dem Gebiet, die aus dem Vollen schöpfen konnten.»

In der Mitte des zweiten Amtsjahres habe er sich überlegt, ob er nicht mit der Begründung zurücktreten sollte: «Politik ist etwas Wunderschönes, mein Unternehmertum ist noch wunderschöner.» Seine Ehefrau habe ihn zum Durchhalten motiviert, als sie sagte: «Jetzt kapitulierst du nicht, sonst machst du denen eine Freude.»

Der abtretende Bundesrat gab weiter zu, dass er ab und zu einen Powernap genommen habe, aber nicht während der Von-Wattenwyl-Gespräche. Man müsse aber schon verstehen, dass man nach acht Jahren zum Teil «den gleichen Mist zum x-ten Mal» höre. Wiederum spielte er auf die Journalisten an, die auf Auslandreisen oft vor ihm ins Bett gingen und scherzte gegenüber Wille: «Ich kann Ihnen die Namen dieser Kollegen schon geben – aber nur gegen eine gute Geschichte.»





Das Swiss Media Forum findet noch bis am Freitag im KKL Luzern und auf einem Schiff statt. persoenlich.com berichtet laufend über den Schweizer Medienkongress.



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