27.09.2002

Privatfernsehen

Schweizer Premiere in der Badmintonhalle

Erstmals sind bei zap-in 03, dem TV-Anlass von IP Multimedia, die Geschäftsführer von RTL, RTL II, ProSieben, Kabel 1, VOX und M6 gemeinsam aufgetreten. Sie, die in der Schweiz laut eigenen Angaben zusammen einen Marktanteil von 30 Prozent vereinen, informierten in der Zürcher Badmintonhalle des UG-Clubs gut 400 Vertreter aus der Werbe- und Medienbranche über ein neues nationales Angebot, aktuelle Probleme im TV-Geschäft, die Programme für 2003 und zukunftsweisende Technologien.
Privatfernsehen: Schweizer Premiere in der Badmintonhalle

Michi Frank, CEO der IP Multimedia, konnte es nicht oft genug betonen: "Wir sind stolz, hier am zap-in 03 zum ersten Mal alle Geschäftsführer der Fernsehsender, die wir vermarkten, versammelt zu haben. Wir werden die Ersten sein, die ein nationales privates Programm anbieten werden. Heute schon haben wir in der Zeit von 18 bis 23 Uhr insgesamt rund 30 Prozent Marktanteil bei den 15- bis 49-Jährigen." Darauf wollen die Verantwortlichen aus Goldbach aufbauen: Die Kunden sollen von einem neuen nationalen Angebot profitieren, bei dem sich neben den deutschen Privatfernsehsendern RTL, RTL II, Kabel 1 und VOX sowie dem französischen Sender M6 auch die Westschweizer Lokalsender des City Pools mit TVRL und léman bleu und TeleTicino beteiligen. Das Kombinationsangebot richtet sich an eine jüngere Zielgruppe und soll nicht mehr nur Ergänzung zur SRG sein. Details dazu dürften im November bekannt werden.

Vor versammeltem Publikum schlug Frank danach in jene Kerbe, mit der er sich schon in der Vergangenheit beschäftigte: "Bis heute können wir das Werbefenster von M6 in Lausanne und Genf nicht ausstrahlen, weil sich TSR mit dem Argument dagegen gewehrt hat, weniger Geld zu verdienen. Fakt ist, dass die TSR per 30. Juni drei Millionen Franken mehr eingenommen hat. Gleich wurde auch argumentiert, als wir 1993 mit dem RTL-Werbefenster starteten. Die Ängste sind unbegründet, denn wir wollen den Werbemarkt im Fernsehgeschäft insgesamt entwickeln." Die Hoffnungen des Geschäftsleiters basieren auf der Tatsache, dass die 17 Prozent Werbegelder, die in der Schweiz via das Fernsehen generiert werden, gegenüber dem Ausland "Peanuts" sind, wie sich Frank ausdrückt. Auf die zukünftige Preispolitik angesprochen, meinte er: "Wir haben uns immer damit profiliert, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten. Das gilt auch für nächstes Jahr. Wir werden die neuen Tarife ab Mitte Oktober in unserem Internet-Auftritt publizieren und die Preise den aktuellen Zuschauerzahlen anpassen."

Die Aussagen verdeutlichten, weshalb die IP Multimedia nach dem Ende von TV3 und Tele 24 einen eigenen TV-Anlass ins Leben rief. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, ein Marketingmittel zu bilden, um den Kunden zu zeigen, was sie für das nächste Jahr erwarten dürfen. Die Abkehr von Screen-up, wo letztes Jahr unter anderem auch RMB, Star-TV und Publisuisse gemeinsam eine breit abgestützte Informationsfläche für Media-, Werbeagenturen und Auftraggeber bildeten, war aus kosten- und marketingtechnischen Gründen erfolgt.

Die Reihe war an RTL-Geschäftsführer Gerhard Zeiler, die Trends fürs nächste Jahr zu präsentieren. Das grösste deutsche Privatfernsehen, das in der Deutschschweiz bei den 15- bis 49-Jährigen einen Marktanteil von 9.8 Prozent generiert, sieht eine Renaissance der Fictions und des intelligenten Krimis, die Seifenopern im Aufwind, Flaute bei den Reality-Shows, eine zurückgehende Quiz-Welle, einen Boom der Nostalgie und damit die Rückkehr zu klassischen Stoffen wie Sitcoms. Ausserdem sprach Zeiler von der Fokussierung auf weichere Inhalte mit weniger Action, dafür Themen wie Familie, Beziehung und Tiere. Und: "Lachen ist Trumpf und zählt nach wie vor." Dazu hat die Nummer 2 hinter SF 1 für das nächste und das übernächste Jahr in beliebte Spielfilme wie "Gladiator", "Harry Potter" und "Pearl Harbor" investiert.

RTL II fokussiert auch nächstes Jahr auf Kinder, Jugendliche, junge Familien und Singles. Zu den Zeiten von Big Brother im Jahr 2000 noch mit einem Marktanteil von 7.2 Prozent ausgestattet, bildete sich dieser Wert 2001 auf fünf Prozent zurück. Im ersten Halbjahr 2002 scheint nun Geschäftsführer Josef Andorfer die Trendwende mit 6.2 Prozent geschafft zu haben. In einem anderen Segment kämpft Kabel 1, sieht sich doch der Sender laut Programmgeschäftsführer Andreas Bartl als "Classic TV"-Anbieter im deutschen Fernsehen. Entsprechend will Kabel 1 dieses Segment für die erwachsene Mediengeneration über 30 mit dem "Best of TV" der letzten vier Jahrzehnte weiter ausbauen. Ganz auf "neudeutsche" Begriffe setzte auch ProSieben-Geschäftsführer Nicolas Paalzow, der in der Schweiz nahezu die Höhe von RTL erreicht. "Unser Motto heisst Entertainment XXL", drückte er sich aus. Das will er mit mehr Blockbuster aus Hollywood, mehr internationalen Serien und mehr Komödien erreichen. VOX schliesslich möchte laut Geschäftsführerin Anke Schäferkordt mit neuen Serien und einem Hauch von Hollywood weiter wachsen.

Bleibt die Thematik nach der mittel- und langfristigen Zukunft. Nach der Frage, wann es mit der (Werbe)-Wirtschaft wieder aufwärts gehen könnte, wollten sich die Verantwortlichen nicht auf die Äste hinaus wagen. "Hoffentlich sobald wie möglich. Wir können es nicht voraussagen. Ich glaube jedoch nicht, dass es viel schlechter wird. Fraglich ist aber, wann es besser wird", gab sich RTL-Zeiler wenig verbindlich. Konkreter war die Antwort von Andorfer zum mobilen Fernsehen: "Dazu braucht es zuerst ein digitales-terrestrisches Fernsehen. In Berlin wird man dazu einen grossen Feldversuch lancieren, ob das überhaupt ein Wunsch der Zuschauer ist. Erst danach wird man wissen, ob die Leute wirklich bereit sind, TV am Schwimmbad oder im Auto zu konsumieren. Wir hängen sehr stark von der technischen Entwicklung ab. So oder so glaube ich nicht, dass bis 2008 alles digital sein wird."

(Reto Wild).


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