08.07.2004

Neues RTVG

Schweizer Werbung kritisiert Artikel 15

TV- und Radio-Werbeverbot an Minderjährige im Visier.

Die Schweizer Werbung (SW) nimmt den Artikel 15 im neuen RTVG in die Zange. Der Verband gibt 12 Gründe an, die gegen ein TV- und Radio-Werbeverbot an Minderjährige sprechen. "persoenlich" veröffentlicht die zwölf Kritikpunkte eins zu eins:

1. "Das Werbeverbot für Minderjährige ist diskriminierend" -- Das Werbeverbot für Minderjährige ist diskriminierend. Gleichermassen für die einheimischen elektronischen Medien, für die einheimischen Hersteller und Anbieter. Ein Beispiel: Der Vertreiber eines Schweizer Kinderbuches darf für das Produkt nicht am einheimischen TV werben. Der Verlag der Harry Potter Bücher kann aber ohne Einschränkung über die ausländischen TV-Stationen die Jungen in der Schweiz erreichen. Es werden also sowohl die Schweizer TV-Stationen als auch der Verlag und der Autor des Schweizer Produktes diskriminiert.

2. "Das Werbeverbot ist untauglich" -- Schweizer Jugendliche konsumieren in sehr starkem Mass ausländische Sender. Ein nationales Werbeverbot ist demnach nicht nur diskriminierend, sondern schlicht untauglich.

3. "Das Werbeverbot ist einseitig" -- Wenn man Minderjährige schon vor Werbung schützen will, so kann das nicht einseitig auf TV und Radio beschränkt sein. Ein Beispiel: Eine Kampagne für Kaugummi oder ein Getränk darf nicht am TV gezeigt werden, in Inseraten und auf Plakaten aber sehr wohl.

4. "Das Werbeverbot ist medienpolitisch widersprüchlich" -- Artikel 15 ist medienpolitisch widersprüchlich: Einerseits soll das neue RTVG den privaten TV Markt beleben (siehe alkoholische Getränke), anderseits wird dieser durch ein weiteres Werbeverbot in seiner Entfaltung behindert.

5. "Das Werbeverbot ist unklar formuliert" -- Der Artikel 15 ist in der Aussage völlig unklar: Geht es dabei um Produkte, die von Minderjährigen genutzt werden oder geht es generell um die Zielgruppe der Minderjährigen? Ein Beispiel: Werbung für eine Pickelcrème darf nicht ausgestrahlt werden, da sie sich naturgemäss an Pubertierende richtet. Wie ist das, wenn dieselbe Werbung im Umfeld einer am Abend ausgestrahlten Familiensendung zu sehen ist, die bekanntlich auch von Jugendlichen konsumiert werden? Darf das Produkt demnach überhaupt nicht am TV beworben werden, weil es sich in erster Linie an Jugendliche richtet?

6. "Das Werbeverbot ist nicht praktikabel" -- Artikel 15 ist nicht praktikabel, weil sich nicht differenzieren lässt, welche Produkte wirklich für Minderjährige sind und welche nicht. Sind zum Beispiel Gummibärchen oder Riegel Produkte, die sich an Minderjährige richten? Ausser Automobilwerbung, die definitiv Personen über 18 Jahren anspricht, müsste konsequenterweise ein Grossteil der Werbung verboten werden, denn, auch wenn Minderjährige nicht explizit zur Zielgruppe gehören, sind sie nicht à priori auszuschliessen als Interessenten und Konsumenten für Artikel zahlreicher Branchen wie: Medien, EDV, Gesundheit, Fahrzeuge (Mofas, Velos etc), Freizeit, Tourismus, Kosmetik, Verkehrsbetriebe, Getränke, Unterhaltungselektronik, Fotografie, Bankenwesen, Bekleidung, Nahrungsmittel. Die Produkte und Dienstleistungen all dieser Branchen dürften nicht mehr am TV beworben werden, weil sie sich ebenso an Erwachsene wie an Ältere der Minderjährigen (15- bis 18-Jährige) richten.

7. "Das Werbeverbot unterscheidet nicht altersmässig" -- Die altersmässige Unterscheidung im Gesetz findet nicht statt: "Minderjährige" sind alle Personen unter 18 Jahren. Ein 17-Jähriger, der Mofa fahren und leichte alkoholische Getränke konsumieren darf, wird gleich behandelt wie ein 5-jähriges Kind. Beispiel: Obschon der Jugendliche ein Mofa fahren darf, kann man am TV nicht für einen Helm oder eine Schutzbrille werben, welche den Fahrer schützen könnte.

8. "Es gibt bereits einen sinnvollen Jugendschutz": Jugendschutz ist bereits in zahlreichen anderen Gesetzen enthalten. Die Normen des europäischen Übereinkommens über grenzüberschreitendes Fernsehen, EÜG, F sind erprobt und durchaus genügend.

9. "Das Werbeverbot ist weltfremd" -- Der Artikel ist absolut weltfremd: Wer Jugendliche und deren Verhalten beobachtet, weiss, dass sie ihren Medienkonsum gewissermassen alternativ zur Erwachsenenwelt gestalten: Sendungen und Filme laden sie heute vom Internet runter und schauen sie wann sie wollen. Mit oder ohne Werbung. Und das Internet unterliegt bekanntlich nicht dem RTVG.

10. "Das Werbeverbot verhindert Präventionskampagnen" -- Artikel 15 behindert effiziente Präventionskampagnen. Wenn Werbung an Minderjährige verboten ist, können Jugendliche auch nicht mit Präventionskampagnen erreicht werden. Stopp-Aids- oder Anti-Raucher-Werbung kann nicht über TV verbreitet werden.

11. "Werbeverbot widerspricht der Konzessionierung" -- Gemäss Formulierung ist auch Sponsoring verboten. Wie soll verhindert werden, wenn in einem Formel-1-Rennen die Boliden der gesponserten Rennställe zu sehen sind? TV-Sender wie MTV, Viva oder Star TV, die weitgehend von gesponserten Sendungen leben und sich in erster Linie an Jugendliche und Minderjährige richten, müssten verboten werden.


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