11.08.2022

Eveline Kobler

«So eine Chance liegt einmal auf dem Tisch»

Die Wirtschafts-Redaktionsleiterin von Radio SRF hört Ende Jahr auf und wechselt im Februar 2023 zu Swiss Life als Kommunikationschefin. Ein Gespräch mit Eveline Kobler über ihren Abgang bei SRF nach 15 Jahren, ihren neuen Job und die Wirtschaftsberichterstattung.
Eveline Kobler: «So eine Chance liegt einmal auf dem Tisch»
«Ich habe den Eindruck, dass Journalismus oft der erste Beruf nach dem Studium oder der Ausbildung ist», sagt «Samstagsrundschau»-Moderatorin Eveline Kobler. (Bild: SRF/Oscar Alessio)
von Tim Frei

Frau Kobler, Ihr Abgang bei SRF kommt überraschend. Wie schwer ist Ihnen dieser Entscheid gefallen? 
Sehr schwer. Ich habe einen absolut privilegierten Job bei SRF, mit der Führung eines super Teams und dem Wirken als Journalistin, als Moderatorin der «Samstagsrundschau» und als Wirtschaftsredaktorin on-air und online. Ich habe lange mit mir gerungen.

Was war letztlich der Auslöser dafür, dass Sie sich doch entschieden haben zu kündigen?
Nach 15 Jahren bei SRF und 20 Jahren im Journalismus habe ich mich gefragt, was ich beruflich noch anpacken möchte. Und dann war da plötzlich diese einmalige Chance bei Swiss Life: Die möchte ich packen. 

Inwiefern hat die Umstrukturierung im Rahmen des Transformationsprojekts «SRF 2024» Ihren Entscheid beeinflusst?
Die Transformation hatte keinen Einfluss. Im Gegenteil: Ich wollte diesen Prozess mit meiner Redaktion und meiner Abteilung unbedingt mitgestalten. Inzwischen habe ich den Eindruck, dass das Haus wieder in ruhigeren Gewässern angekommen ist und dass ich mich ohne schlechtes Gewissen neu orientieren darf. Und jetzt habe ich eine perfekte Gelegenheit dazu.

Die Abgänge bei SRF häufen sich, und mit Ihnen kündigt ein weiteres Aushängeschild. Stört es Sie, dass dieser Punkt bei jedem Abgang angesprochen wird?
Offen gestanden: ja. Nicht hinter jedem beruflichen Wechsel steckt ein Skandal. Bei mir ist es schlicht die grosse Lust, künftig die Kommunikation von Swiss Life mitzugestalten. Es ist es keine Abkehr von SRF: Ich habe all die Jahre enorm gern bei SRF gearbeitet. Mich lockt jetzt einfach die Herausforderung, Kommunikationschefin von Swiss Life zu werden: So eine Chance liegt genau einmal auf dem Tisch.

«Es reizt mich enorm, bei Swiss Life künftig die Kommunikation intern und extern mitzugestalten»

Sie starten bei Swiss Life im Februar 2023. Was reizt Sie an dieser Aufgabe? 
Swiss Life ist ein faszinierendes Unternehmen: Börsenkotiert. International, aber doch Schweizerisch. Es steht für eine nachhaltige Vorsorge und eine langfristige Finanzplanung. Es reizt mich enorm, hier künftig die Kommunikation intern und extern mitzugestalten. Dabei ist es mir wie meiner künftigen Arbeitgeberin wichtig, professionell und aufrichtig zu kommunizieren.

Früher war ein Wechsel vom Journalismus in die Kommunikation ein «Sündenfall». Ist das heute anders? 
Es ist sicher eine komplett andere Rolle: Der Journalismus beobachtet, hinterfragt, ordnet ein. Die Kommunikation versucht das Optimum fürs Unternehmen zu erreichen – intern wie extern. Aber letztlich hat beides mit komplexen Inhalten, unterschiedlichen Zielgruppen und einer möglichst verständlichen Sprache zu tun.

Immer mehr Journalistinnen und Journalisten verlassen den Job. Einerseits in ganz andere Branchen, anderseits vor allem in die Kommunikation. Woran liegt es? 
Ich habe den Eindruck, dass Journalismus oft der erste Beruf nach dem Studium oder der Ausbildung ist. Dass man sich im Verlaufe einer Berufsbiografie mal neu orientiert, dünkt mich legitim.

Zurück zu SRF: Nebst Ihrer Funktion als Radio-Redaktionsleiterin Wirtschaft sind Sie Moderatorin der «Samstagsrundschau». Welcher Gast hat Sie am meisten beeindruckt?
Puh, schwierige Frage. Wahrscheinlich war das der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain, den ich kurz nach seiner Weihe als Gast in der Sendung hatte. Eine beeindruckende Persönlichkeit: zugänglich, sympathisch, mit dem Herzen am rechten Fleck. 

Was war Ihr schönster Moment bei SRF respektive der «Samstagsrundschau»?
Persönlichkeiten aus der Wirtschaft in allen möglichen beruflichen Situationen interviewen zu dürfen, ist ein enormes Privileg und macht grossen Spass. Aber mindestens so schön finde ich die Arbeit mit meiner Redaktion: den Zusammenhalt, die Professionalität und den Humor.

«Vielen wurde bewusst, dass Wirtschaft uns alle betrifft»

Und welcher Moment war der schwierigste?
Das war sicher der Moment, als die erste grosse Sparrunde zu stemmen war. Das war anspruchsvoll.

Wie hat sich der Radiojournalismus in den 15 Jahren bei SRF verändert? 
Die grösste Veränderung ist sicher, dass wir längst nicht mehr nur Radio machen, sondern auch Online-Kanäle bespielen – mit Audios und Text-Beiträgen. Und, inspiriert von Podcasts, überlegen wir uns heute viel genauer, wie wir eine Geschichte erzählen.

Die Wirtschaftsberichterstattung in den Medien – vor allem im privaten Radio und Fernsehen – hat zugenommen. Woran liegt das? 
Die letzten 15 Jahre waren wirtschaftlich gesehen hoch interessant: Finanzkrise, UBS-Rettung, Frankenstärke, Schuldenkrise, Corona, Teuerung … Vielen wurde bewusst, dass Wirtschaft uns alle betrifft.

Gleichzeitig haben viele Medienhäuser vermehrt Mühe, Nachwuchs für den Wirtschaftsjournalismus zu finden. Haben Sie eine Erklärung dafür? 
Für mich hat sich die Frage so nicht gestellt: Ich habe zum Glück immer gute Leute gefunden.

Wie blicken Sie Ihrem Ende bei SRF entgegen. Kommt Wehmut auf? 
Oh ja. Der Abschied nach so vielen Jahren von meinen SRF-Kolleginnen und -Kollegen wird mir schwerfallen.



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