Tamedia-Redaktion
Für Zita Affentranger, Teamleiterin International, bedeutet die Invasion das Ende einer Welt, wie wir sie kennen. «Wladimir Putin greift die Ukraine an allen Fronten an. Nichts gilt ihm mehr was – weder das Leben der ukrainischen Bevölkerung noch die Zukunft Europas und seiner eigenen Bürger.» Für sie steht fest: «Nach diesem schwarzen Tag wird nichts mehr wieder so sein, wie es vorher war.» Die Diskussion von harten Sanktionen verdeutliche, dass im Moment nichts den Wahnsinn stoppen kann: «Russland werde erst im Nachhinein für das Verbrechen zahlen müssen.»
Für Raphaela Birrer, Leiterin der Inland-Mantelredaktion von Tamedia, ist klar, dass der Bundesrat sich nicht hinter der Neutralität der Schweiz verstecken darf: «Selbst die neutralste Vermittlerin kennt Grenzen. Sie liegen dort, wo sie ihre ureigensten Werte verraten müsste», schreibt sie. Die Möglichkeiten der Schweiz, auf Russland Druck auszuüben, sind aus ihrer Sicht gerade im Finanzbereich sehr gross. «Privatpersonen aus Russland senden in kein anderes Land der Welt mehr Geld als in die Schweiz. Und der von russischen Investoren kontrollierte Kapitalbestand hat sich hierzulande seit den internationalen Sanktionen 2014 sogar vervielfacht», so Birrer.
Weltwoche
Auch Kurt Peleda, seit Kurzem Autor bei der Weltwoche, sieht Gründe für die Teilnahme der Schweiz an wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland: «Erstens heisst neutral sein juristisch gesehen vor allem, sich selbst nicht am Kriegsgeschehen zu beteiligen (…). Die Teilnahme an Wirtschaftssanktionen wegen des flagranten Bruchs des Völkerrechts durch Moskau ist durch das Neutralitätsrecht aber zweitens nicht verboten. Falls Bern bei Sanktionen ausschert, würde das in Europa drittens kaum verstanden. Es würde die Schweiz noch mehr isolieren. Zudem könnte die Nichtteilnahme an Finanzsanktionen viertens dazu führen, dass Russland versuchen würde, diese auch via Schweiz zu umgehen. Das wiederum würde Vergeltungsmassnahmen der USA nach sich ziehen.»
Tribune de Genève
Ganz anderer Meinung ist Arthur Grosjean, Bundeshausredaktor der Tribune de Genève. Dass sich die Schweiz bei den Sanktionen zurückhält, sei ein Zeichen von Realismus, nicht Feigheit, schrieb er noch vor der Ankündigung von Bundesrat Ignazio Cassis, die Regeln gegen die Umgehung der EU-Sanktionen in der Schweiz verschärfen zu wollen. Durch die Teilnahme an den Wirtschaftssanktionen würde sich die Schweiz mit den USA und der EU de facto verbünden. Das würde ihrer Rolle als neutrale Vermittlerin langfristig schaden, und es ihr in Zukunft nicht mehr erlauben, eine Plattform für Verhandlungen zwischen den USA und Russland zu bieten.
CH Media
Aus der Sicht von Samuel Schumacher, Auslandchef bei CH Media, hat die Diplomatie ausgedient. Es gebe keinen Grund mehr, sich gegenüber dem Kreml neutral zu verhalten. Für ihn steht fest: «Die geopolitische Realität ist seit heute Nacht eine andere; eine, wie Europa sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr erlebt hat. Wer jetzt nicht mit aller Deutlichkeit alle Massnahmen ergreift, um Russland zu isolieren und den Kreml in schwere Ketten zu legen, steht auf der falschen Seite der Geschichte. Das gilt auch für die Schweiz.»
NZZ
Noch härtere Töne schlägt die NZZ an. Neben Wirtschaftssanktionen muss die NATO ihre Selbstverteidigung stärken, findet Peter Rásonyi, Leiter Ressort Ausland. «Die Ostflanke der EU und der NATO muss militärisch besser abgesichert werden. Es braucht eine langfristige Strategie, um die westliche Interessensphäre in Osteuropa zu definieren und durch entsprechende Massnahmen zu verteidigen», so Rásonyi. Der Westen müsse Moskau mit maximaler Härte entgegentreten.
Auch Auslandredaktor Andreas Rüesch spricht sich neben harten Wirtschaftssanktionen für weitere Massnahmen aus, darunter die Lieferung von Waffen und nachrichtendienstlicher Hilfe für die Ukraine. Aus seiner Sicht ist das wichtigste Motiv Putins zu verhindern, dass es in Russland zu einem ähnlichen Volksaufstand wie in Weissrussland vor anderthalb Jahren kommt. Die geostrategische Argumentation hält er für Unsinn: «Eine kriegerische Bedrohung ging von der Ukraine nicht aus. Weder verfügt das Land über die militärischen Mittel dazu, noch konnte es auf absehbare Zeit mit der Aufnahme in die Nato rechnen, noch hat das westliche Verteidigungsbündnis je Angriffswaffen an den Grenzen Russlands aufgestellt oder über entsprechende Pläne diskutiert.»
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