24.08.2017

Swiss Radio Day

Sprachlicher Slalom von Gilles Marchand

Der designierte SRG-Generaldirektor hat zum ersten Mal vor der Medienbranche ein Referat gehalten. In seiner deutsch-französischen Keynote betonte er mehrmals, dass er mit den Privaten zusammenarbeiten wolle. Sein Auftritt kam beim Publikum gut an: «Sympathisch» sei er, hiess es gegenüber persoenlich.com.
Swiss Radio Day: Sprachlicher Slalom von Gilles Marchand
Gilles Marchand, designierter SRG-Generaldirektor: «Das öffentliche Radio braucht die Dynamik der privaten Radiokanäle. So können wir besser werden und uns neu erfinden.» (Bild: Christian Beck)
von Christian Beck

Gespannt erwarteten viele Teilnehmer am Swiss Radio Day vom Donnerstag im Zürcher Kaufleuten den Auftritt des designierten SRG-Generaldirektors Gilles Marchand. Es war einer der ersten öffentlichen Auftritte seit seiner Wahl – und vor allem: der erste an einem Medien-Branchentreffen. Viele Besucher sind sogar extra für diese Keynote angereist, hiess es im Foyer in einer Networking-Pause.

Marchand sei schon etwas nervös, war kurz vor seinem Vortrag von Insidern zu vernehmen. Tatsächlich bereitete er sich bis zur letzten Sekunde auf seinen Auftritt vor. In der ersten Reihe sitzend lauschte er wohl kaum dem zuvor stattfindenden Mediapulse-Vortrag über die «Schweizer Radiowährung im Gattungsvergleich». Vielmehr ging er seine verschriftlichte Keynote nochmals Zeile für Zeile durch und befeuchtete seine Stimme mit kohlensäurehaltigem Mineralwasser.

«Ich will mein Deutsch verbessern», sagte Marchand noch im November in einem persoenlich.com-Interview. Seine Keynote begann dann auf Französisch: «C’est un plaisir de vous retrouver ici, durant cette journée consacrée à la radio, alors que je m’apprête à prendre de nouvelles fonctions à la SSR.» Marchand versicherte jedoch: «Keine Angst, ich werde noch Deutsch sprechen. Ich habe es schliesslich jetzt gelernt.» Um dann gleich auf Französisch weiterzufahren. Ein paar Sätze später stellte er sich – auf Deutsch – etwas näher vor, «um aus dem ‹Gilles Wer?› den Gilles Marchand zu machen». Er gab einen kurzen Abriss zu seinem beruflichen Lebenslauf, erzählte, wie er Mitte der 80er-Jahre als Buchverleger bei einem kleinen Verlagshaus gearbeitet habe. Der Kurz-Lebenslauf endete mit seinem letzten Job als RTS-Direktor.

Die Radiowelt ist für Marchand «heimelig»

Im Sommer sei Marchand mit seiner Familie nach Bern gezogen, und er arbeite sich seither in die bevorstehenden Aufgaben als SRG-Generaldirektor ein. Die Radiobranche sei für ihn zu Beginn noch etwas neu gewesen, anders als die TV-Welt. Als «heimeliger» bezeichnete Marchand die Radiowelt. «Das Radio muss sich jetzt neu erfinden. Radio wird heute gefilmt und es gibt immer mehr Podcast», so der Westschweizer. Es gelte nun auch, gut zusammenarbeiten. «Diese Zusammenarbeits-Kultur ist in der Romandie sehr verbreitet. Und ich will diese Kultur in meiner neuen Funktion weiterführen», sagte der Nachfolger von Roger de Weck.

Nicht nur die SRG, sondern alle Radios würden in vielen Bereichen vor grossen Herausforderungen stehen, die man besser gemeinsam als gegeneinander meistern könne, sagte er. Dabei kam er auch auf die No-Billag-Initiative zu sprechen. «Vielleicht gibt es einige unter Ihnen, die für einen kurzen Moment daran glaubten, dass dies eine gute Idee sei», so Marchand. Aber: Wenn die Initiative angenommen werde, bedeutet es das Verstummen aller SRG-Radiostationen. Auch viele Privatradios wären bei einer Annahme seiner Ansicht nach existentiell gefährdet.

Deshalb müsse die Branche geeint gegen das Volksbegehren kämpfen, das die Abschaffung der Konzessionsgebühren fordert. Es sei ein Irrglauben, dass die Schwächung der grossen SRG zu einer Stärkung der Privaten führen würde, so Marchand. Profitieren würden vor allem ausländische Medien und Giganten wie Google oder Facebook. «Denn während wir uns um die kleinen Brotkrumen streiten, teilen die internationalen Giganten den grossen Kuchen unter sich auf, und reiben sich die Hände.» Er glaube, dass «ein Brudermord für alle Akteure destruktiv» wäre.

Überhaupt sei gemeinsam viel zu erreichen. Das sei ihm sehr wichtig. Wer ihn persönlich kenne, wisse, dass das nicht einfach nur leere Worte seien. «Wir haben mehr Themen, die uns vereinen, als Themen, die uns trennen», so Marchand zu den Radiomachern im Saal.

Steht lieber hinter der Kamera

Gilles Marchand betonte im anschliessenden Gespräch mit persoenlich.com, dass er erst im Oktober SRG-Generaldirektor sei und bis dahin warten möchte, um «offizielle Sachen zu erklären». Aber der Swiss Radio Day sei eine Ausnahme gewesen und hätte zudem die Chance geboten, die Branche zu treffen. Tatsächlich sei es so, dass man ihn in der Deutschschweiz noch nicht so gut kenne. In Zürich auf der Strasse wird er noch nicht erkannt. «Das ist aber kein Problem für mich. Ich bin lieber hinter der Kamera als davor», so Marchand.

Darauf angesprochen, dass er vor der Keynote etwas nervös gewesen sein soll, antwortete Marchand mit einem überraschten «Ja?». Er fühle sich ganz entspannt, sagte er mit einem Lachen. «Ich habe viel Erfahrung mit Reden halten. Etwas neu ist die Sprache. Aber ich lerne immer mehr», so Marchand weiter.

Marchand habe sehr sympathisch und zugänglich gewirkt, meinte Röbi Ruckstuhl, Programmleiter Radio bei SRF, zu persoenlich.com. «Er kam als ein Mensch rüber, mit dem man gut reden und diskutieren kann.» Auch Darryl von Däniken, Organisator vom Swiss Radio Day, fand den Auftritt gut: «An der Spitze der SRG braucht es einen Entertainer. Und Gilles Marchand ist einer.» Auch wenn Marchand sich selber nicht so sieht.

Die meisten Zuschauer, so das Resultat einer nicht repräsentativen Umfrage in der anschliessenden Mittagspause, fanden Marchands Referat sympathisch. Einige der Befragten sagten, der schnelle Wechsel zwischen zwei Sprachen sei etwas mühsam gewesen, weil man immer den Kopfhörer mit der Simultanübersetzung wieder hätte aufsetzen müssen.



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Kommentare

  • Robert Weingart, 25.08.2017 14:34 Uhr
    Gemessen wird in Taten, nicht an Worten.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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