05.02.2023

#MediaToo

Tamedia bedauert lange Aufklärungszeit

Der Verlag hat nach Bekanntwerden von Mobbingvorwürfen auf der Magazin-Redaktion Versäumnisse eingeräumt. Die Aufklärung in dem Fall habe zu lange gedauert, schrieb Geschäftsleiter Andreas Schaffner am Sonntag in einer Stellungnahme an die Belegschaft.
#MediaToo: Tamedia bedauert lange Aufklärungszeit
Viele von Anuschka Roshanis Vorwürfen «liessen sich nicht erhärten», heisst es im Untersuchungsbericht. Eine Zusammenfassung davon liegt persoenlich.com vor. (Bild: persoenlich.com/cbe)

Die ehemalige Magazin-Journalistin Anuschka Roshani wirft dem damaligen Chefredaktor Finn Canonica Machtmissbrauch, Sexismus und Mobbing vor. Tamedia bestritt diese Darstellung (persoenlich.com berichtete).

Am Sonntag wandte sich die Tamedia-Geschäftsführung an die Mitarbeitenden. Die interne Mail, die persoenlich.com vorliegt, wurde gezeichnet von Geschäftsführer Andreas Schaffner und Mathias Müller von Blumencron, der interimistisch für den Bereich Publizistik & Produkt in der Geschäftsleitung von Tamedia sitzt. «Eines möchten wir vorwegnehmen: Tamedia hat die Vorwürfe von Frau Roshani sehr ernst genommen und sorgfältig überprüft. Eine externe Kanzlei wurde mit einer unabhängigen Untersuchung beauftragt.» Nach Abschluss der Untersuchung bei Tamedia habe sich herausgestellt, «dass sich ein erheblicher Teil der Vorwürfe, insbesondere der Vorwurf sexueller Belästigung, nicht bestätigen liess».

Die publizistische Leistung der Magazin-Redaktion «war und ist hervorragend», heisst es weiter. «Das kann für uns indes niemals der alleinige Massstab sein. Es kommt uns genauso darauf an, wie wir zusammenarbeiten. Respekt, Wertschätzung und eine darauf beruhende Führungskultur sind essenzielle Prinzipien unseres Hauses. Die konsequente Durchsetzung dieser Prinzipien ist für uns eine der wichtigsten Aufgaben», steht in der internen Mitteilung.

Man habe sich sowohl von Finn Canonica als auch – «aufgrund der Untersuchung» – von Anuschka Roshani getrennt. «Viele ihrer Vorwürfe erwiesen sich als nicht haltbar. Wir haben uns um Transparenz und Gerechtigkeit bemüht. Wir haben beide Parteien über den Inhalt des Untersuchungsberichtes informiert. Obwohl es für uns von Vorteil gewesen wäre, hatten wir uns aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes bisher gegen eine Veröffentlichung entschieden», schrieben Schaffner und Müller von Blumencron. Angesichts des öffentlichen Interesses hätten sie sich nun entschlossen, die Zusammenfassung des Berichts den Mitarbeitenden zugänglich zu machen. Auch persoenlich.com liegt diese Zusammenfassung vor.


In der internen Mail an die Mitarbeitenden heisst es weiter: «Wir sind uns bei Tamedia bewusst, dass es in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben hat und dass die Aufklärung in diesem Fall zu lange gedauert hat. In einer Führungskultur, die wir im Verlag erwarten, hätte es erst gar nicht zu einem solchen Konflikt kommen dürfen. Unter den Vorfällen hat sowohl die Arbeitsatmosphäre als auch die Unternehmenskultur gelitten. Wir bedauern das ausdrücklich.»

In der jüngsten Vergangenheit seien «durch euer Engagement und aufgrund eurer Kritik gemeinsam Veränderungen angeschoben» worden. Die Tamedia-Geschäftsführung zeigt sich im internen Schreiben überzeugt davon, dass in den vergangenen zwei Jahren die Kultur und die Strukturen verbessert worden seien. (cbe)


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KOMMENTARE

Christian Rentsch
05.02.2023 14:22 Uhr
Halt das übliche Rechtfertigung-Blabla, wenn etwas auskommt, das ein Unternehmen unter dem Deckel halten wollte. Niemand kann glauben, dass die Herren Schaffner und Müller v.B fast zwei Jahre brauchten, um zum Schluss zu kommen, dass sieh "ein erheblicher Teil der Vorwürfe nicht bestätigen liess." Vielleicht hätte Chefredaktor Rutishauser das TA-Recherche-Team auf den hauseigenen Fall ansetzen müssen; es hätte gewiss in wenigen Tagen fundiert herausgefunden, dass die meisten Vorwürfe, die in der Zürcher Medienszene längst bekannt waren, sehr wohl zutrafen. Und selbst wenn nur ein Teil dieser Vorwürfe stimmen, hätte das ja ein Grund zur fristlosen Freistellung oder Kündigung Canonicas sein müssen. Am meisten erstaunt aber, dass es immer noch Kommunikationsbeautragte gibt, die meinen, man komme heute noch durch, wenn man alles abstreitet und mit Ausreden entschuldigt, oder nur das zugibt, was sich ohnehin nicht mehr leugnen lässt. Der Schaden ist dann ums grösser. Christian Rentsch, ex-Ressortleiter Kultur- und Medienredaktor des Tages-Anzeigers
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