26.08.2021

UKW-Abschaltung

Radios senden zwei Jahre länger auf UKW

Die Verbreitung von Radioprogrammen über UKW wird nun doch erst im Jahr 2024 abgeschaltet. Auf dieses – ursprüngliche – Datum haben sich die Schweizer Radios verständigt. Die erneute Verschiebung verursacht Kosten in zweistelliger Millionenhöhe.
UKW-Abschaltung: Radios senden zwei Jahre länger auf UKW
Die Schweizer Radios sind auf ihren ursprünglichen Plan zurückgekommen, die UKW-Sender per 31. Dezember 2024 abzuschalten. (Bilder: David Biedert)

Im vergangenen Jahr hatten sich 42 von 44 Schweizer Radioveranstaltern und die SRG auf eine vorgezogene und gestaffelte Abschaltung der UKW-Sender geeinigt: Im August 2022 für die SRG und im Januar 2023 für die Privatsender (persoenlich.com berichtete). Denn Ende 2021 sei bereits knapp drei Viertel der Radionutzung digital gewesen, teilten die Schweizer Radioveranstalter am Donnerstag mit.

In den vergangenen Wochen und Monaten wurde die Abschaltung aber immer mehr zu einem Politikum: Bereits im Juni hatte sich die frühere Medienministerin Doris Leuthard in die Diskussion eingeschaltet und der Regierung zu einem Marschhalt in der Frage geraten.

Im Juli reichte Medienpionier Roger Schawinski beim Bund eine Petition mit über 60'000 Unterschriften gegen die Abschaltung der UKW-Sender ein. Nach einem Treffen mit Schawinski forderte dann auch die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats (KVF-N) eine vertiefte Prüfung der Folgen eines Verzichts auf die Abschaltung der UKW-Radiosender. Am 30. August befasst sich die KVF-N nochmals mit dem Dossier.

Trotzdem habe sich in der Deutschschweiz und in der italienischen Schweiz weiterhin eine grosse Mehrheit der Sender für das geplante Vorgehen ausgesprochen, schrieben die Radiosender weiter. In der französischsprachigen Schweiz hingegen habe keine Mehrheit mehr gefunden werden können.

Mehr Zeit für Konsumentinnen

Da es aber eine gesamtschweizerische Lösung brauche, seien die Radios nun auf ihren ursprünglichen Plan zurückgekommen, die UKW-Sender per 31. Dezember 2024 abzuschalten.

Ausserdem deuteten die neuesten Marktzahlen darauf hin, dass die Hörerinnen und Hörer mehr Zeit für die Umstellung brauchten, vor allem Autofahrerinnen und
-fahrer von älteren Modellen. Zwar betrage der DAB+-Anteil in Neuwagen seit 2020 fast 100 Prozent. Doch bei älteren Autos bestehe Nachholbedarf.

Schawinski kritisierte in einer Stellungnahme, dass sich das neue Abschaltdatum nur auf das «Auslaufen der privaten Konzessionen» abstütze und «nicht auf die reale Radionutzung». Denn auch danach dürften «wohl noch über eine Million Schweizer Autos keinen DAB-Empfang haben». 

«Roger Schawinski hat sicher eine Diskussion ausgelöst und das Thema in die Politik gebracht», sagte Jürg Bachmann, Präsident Verband Schweizer Privatradios (VSP), am SwissRadioDay, der am Donnerstag im Zürcher Kaufleuten durchgeführt wurde. Das nun präsentierte Abschaltdatum sei das Resultat einer «Suche nach der besten gemeinsamen Lösung».

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Die Verschiebung auf den ursprünglich geplanten 31. Dezember 2024 sei für die Radioveranstalter mit Kosten in mehrstelliger Millionenhöhe verbunden. Die doppelte Verbreitung über UKW und DAB+ könne sich auf die Dauer kein Unternehmen leisten. Ende 2024 laufen die UKW-Funkkonzessionen aus. (sda/cbe)


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KOMMENTARE

Frits de Jong
29.08.2021 14:30 Uhr
Seit Jahren reise ich beruflich mit dem Auto in der Schweiz. Fur den Preis seiner Autobahn Vignette war ich auch immer von hervorragende Verkehrsinformationen versichert. Ich wurde es sehr bedauern, wenn nach UKW Abschaltung darauf verzichten zu müssen
Lutz Franke
28.08.2021 15:21 Uhr
Man glaubt an eine Realsatire bei der Nachricht, dass die schweizer UKW-Sendernetze anno 2024 zugunsten von Digitalradio abgestellt werden sollen. Gewiss hat DAB+ programmlich, technisch und beim Energieverbrauch zweifellos Vorteile – nur um welchen Preis? Unkoordiniert mit dem übrigen Europa würden „über Nacht“ die Verkehrsinformationen im ganzen Land nicht mehr verfügbar sein – nicht in Millionen Autos im Lande oder im Transit, nicht in Millionen Haushalten, von denen Verkehrsinformationen vor Reiseantritt zur Routenplanung genutzt werden. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die SRG ihre öffentlich-rechtlichen Informationspflichten vernachlässigt, dass die Polizei, dass der ACS und die anderen Cubs diesem übereilten Lockdown zugestimmt haben könnten. Hat man die EBU mit ihrer europaweiten Rundfunk-Koordinierungsfunktion einbezogen? Unvorstellbar, dass Autoreisende aus dem umliegenden Ausland bis zur schweizer Grenze - wie seit Jahrzehnten gewohnt - über die schweizer Verkehrslagen informiert werden, in der Schweiz aber das UKW-Radio stumm bleibt. Der Preis wird hoch sein: Ohne Traffic-Infos (TI) über UKW werden die innerschweizerischen Kosten für mehr Staus, mehr Unfälle, mehr Verletzte, mehr Krankenhausaufenthalte, mehr Rehabilitationsbedarf und mehr Verkehrstote sowie erhöhte Auto-Reparaturkosten die gesamtgesellschaftlichen Kosten, zumindest eine UKW-Verkehrsinfo-Welle beizubehalten, bei weitem übersteigen! Angesichts des erforderlichen Zeitraums, bis UKW-Empfänger in Autos und Haushalten in nennenswertem Umfang durch DAB+ ersetzt sind, ist eine Art „UKW-Grundversorgung“ mit TI über wenigstens eine parallele Senderkette unverzichtbar: Für eine Übergangszeit bis zu zehn Jahren, obwohl mittlerweile neue Autos bereits meist über DAB+ verfügen. Dennoch braucht es für den UKW-Ausstieg einen langen oder wenigstens einen sehr viel längeren Atem als nur bis 2024. (Siehe hierzu insb. den Kommentar von Beat Sieber am 27.08. / 13:59 Uhr hier in "persönlich.com") * * *
Beat Sieber
27.08.2021 13:59 Uhr
Warum kann man das Problem nicht flexibel lösen? Die SRG sendet ab August 2022 nur noch die ersten Radioprogramme der Sprachregionen über die Hauptsender auf UKW: SRF: Säntis, Chrischona, Rigi, Niederhorn, Chasseral sowie Valzeina. RSI: Salvatore und Ceneri. RTS via La Dole, Ordons und Ravoire. Die Privatradios könnten ab 2023 nach Bedarf nur noch über die Hauptsender (ohne Füllsender) senden. Mit Mono-Ausstrahlung wäre ein weiträumiger Empfang noch möglich. Evtl. könnte man die Frequenzen tauschen, z.B. Säntis (95.4 anstelle 101.5). Mit reduzierten Sendeleistungen dennoch eine rudimentäre Versorgung sicherstellen. So liessen sich Kosten sparen. Ueber DAB ist ja praktisch eine Vollversorgung gewährleistet.
Dietmar Kopitz
27.08.2021 09:26 Uhr
Nach meinen Recherchen hatte die BAKOM Arbeitsgruppe "Digitale Migration" das Problem der Verkehrsinformation mit den Programmen der SRG nie diskutiert. Das Interesse UKW abzuschalten war ein ganz anderes: Man (das BAKOM) wollte mit DAB mehr Programmvielfalt erreichen, und die Privatradios wollten nur auf DAB+ umsteigen unter der Bedingung, dass dieses dann auch die SRG tut, weil ansonsten ja UKW zu einer unerträglichen Konkurrenz für die Privatradios werden würde. Folglich und wegen der damit verbundenen Einsparung für die SRG war dieses dann am Ende auch die Lösung, auf die sich dann alle in dieser Arbeitsgruppe im Dezember 2020 geeinigt haben. Auswirkungen auf die Sicherheit auf den Strassen und Tunneln wurden in der Suche nach einer gemeinsamen Lösung völlig ausser Acht gelassen. Das BAKOM ist noch immer der Ansicht, dass für diese Fragen besser das ASTRA zuständig sei. Eine Verständigung zwischen beiden Institutionen hat es aber wohl auch noch immer nicht gegeben. Der Bundesrat hat die UKW Abschaltung anscheinend auch nie formell beschlossen, sagte mir ein BAKOM Mitarbeiter. Bundesrätin Sommaruga verteidigt aber den Beschluss der DigiMig Arbeitsgruppe, weil damit ja mit Hilfe des BAKOM die Mehrheit der Rundfunkanbieter die UKW Abschaltung Ende 2020 beschlossen hatte. Sicherheitsüberlegungen, was den Strassenverkehr anbelangt wurden also total ignoriert, oder anders ausgedrückt, sie spielten für die Entscheidung, UKW abzuschalten, überhaupt keine Rolle. Niemand hatte auch zuvor auf dieses Problem aufmerksam gemacht. Verkehrsinformationen mit TP/TA Kennzeichnung, so wie RDS-TMC mit UKW und TPEG mit DAB+ sind Datendienste, welche, nach Aussagen des BAKOM, die SRG freiwillig anbietet, ohne dass sich das BAKOM dafür interessiert. Diese Dienste, welche der Sicherheit auf den Strassen dienen, fallen, nach Ansicht des BAKOM, mehr unter die Aufsicht des ASTRA. Ich finde es von der SRG total verantwortungslos, ihre Radioprogramme auf UKW im August 2022 abschalten zu wollen (ohne dass man das gleiche Vorhaben auch in den Nachbarländern der Schweiz hat) und dies bei noch immer 2,6 Millionen schweizer Autos ohne DAB+ Radio. Das Autoradio ist fast immer ein fester Bestandteil des Infosystems im Auto (mit oder ohne Navigation) und kann in den meisten Fällen nicht so einfach ausgewechselt werden, oder falls doch, dann nur mit erheblichen Kosten. Es gäbe meiner Ansichrt nach doch noch eine viel einfachere politische Lösung: Angenommen, die SRG will oder muss tatsächlich die Kosten für die UKW Abstrahlung ihrer Hauptprogramme einsparen. Man sagte mir, dass dies 15 Millionen Franken pro Jahr wären. Bei fast 4 Millionen Haushalten in der Schweiz könnte man die jährliche Rundfunkgebühr doch einfach nur um 5 Franken erhöhen (das wären nicht einmal unerhebliche 2%) und der Bundesrat könnte somit die SRG zwingen, vorerst noch 10 Jahre weiterhin auf UKW zu senden. Das würde jeden schweizer Haushalt doch nur 50 Franken für diesen gesamten Zeitraum von 10 Jahren kosten und das Problem wäre erst einmal gelöst: Alles ginge so weiter wie bisher. Es gäbe auch keinen zusätzlichen elektronischen Müll. Jeder bekäme seine Verkehrsinformationen von der SRG/Viasuisse wie seit Jahrzehnten schon gewohnt. Auch die vielen Touristen aus dem Ausland und Transitfahrer könnten weiter von diesen guten Verkehrsinfos profitieren, die ohne Zweifel zur Sicherheit auf den Strassen und in den vielen Tunneln beitragen. Warum denn nun noch mindestens 10 Jahre weiter mit UKW in der Schweiz? Erst seit 2021 haben fast alle neuen Autos auch DAB+ und dies wegen einer EU Direktive aus dem Jahre 2018. In der Schweiz werden pro Jahr 300 000 Neuwagen verkauft. Bei 2.6 Millionen Autos ohne DAB+ Radio dauert es also noch etwa 9 Jahre bis fast alle schweizer Autos auch DAB+ empfangen können.
Victor Brunner
27.08.2021 07:56 Uhr
Artikel: "Im vergangenen Jahr hatten sich 42 von 44 Schweizer Radioveranstaltern und die SRG auf eine vorgezogene und gestaffelte Abschaltung der UKW-Sender geeinigt". Die wichtigsten Player, die KonsumentenInnen, wurden nicht gefragt. 42 Radioveranstalter und SRG wollten oberherrschaftlich diktieren und scheiterten brachial.Nun sollen sie auch die Kosten für die Verlängerung von UKW aus der eigenen Tasche bezahlen, wie jedes Unternehmen das am Markt vorbei produziert!
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