Herr Somm, warum kaufen Sie ausgerechnet den Nebelspalter?
Für mich als Historiker hat der Nebelspalter eine ganz besondere Bedeutung. Es handelt sich um eine uralte Marke, um einen ganz grossen Schweizer Medien-Brand. Zudem war der Nebelspalter immer bürgerlich-liberal positioniert, er passt also sehr gut zu mir und den vielen Investoren, die an unser Projekt glauben.
Sie wollen den Nebelspalter vor allem digital neu lancieren. Was haben Sie vor?
Die Printausgabe wird vorerst genauso weitergeführt wie bisher. Redaktionszusammensetzung, Standort und Layout bleiben also bestehen. Gleichzeitig konzentrieren wir all unsere Kräfte auf die neue Onlineausgabe nebelspalter.ch. Dafür bauen wir eine zusätzliche, neue Redaktion auf. Diese wird nicht in Horn angesiedelt sein, sondern in Zürich.
Haben Sie bereits einen Standort in Zürich gefunden?
Wir haben uns einige Räumlichkeiten angeschaut. Doch eine Entscheidung ist noch nicht gefallen.
Wenn Sie nun die Onlineausgabe sozusagen von Grund auf neu konzipieren: Was schwebt Ihnen vor, respektive an welchen Vorbildern orientieren Sie sich?
Ich will noch nicht zu viel verraten. Während meiner Zeit in den USA habe ich einiges gesehen, doch die Details werde ich erst im Februar bekannt geben. Publizistische Vorbilder sind etwa «Le Canard enchaîné» in Frankreich oder «Private Eye» in England. Das sind Formate zwischen Satire, Comedy, Humor und Cartoon, kombiniert mit seriösen Recherchen und Kommentaren. Unser Projekt ist also etwas ganz Neues – sowohl für die Schweiz als auch für den Nebelspalter. Denn der Nebelspalter machte bislang ausschliesslich Satire. Künftig wird es einen anderen Mix geben mit neuen Elementen: zuerst nur im Digitalen, mittelfristig auch im Print.
«Recherchieren kann ich, doch lustig zu sein, ist nicht gerade meine Kernkompetenz»
Da nehmen Sie sich einiges vor. Eigene Recherchen, satirisch gut umgesetzt: Das ist sehr anspruchsvoll und braucht die richtigen Leute.
Recherchieren kann ich selbst, doch lustig zu sein, ist nicht gerade meine Kernkompetenz. Darum müssen wir völlig neue Leute finden. Das ist eine Herausforderung. Und für den bisherigen Nebelspalter ist es neu, dass er zu einer politisch ernstzunehmenden, einflussreichen Plattform wird. Wir wollen mit unserer Publizistik in der Schweiz etwas auslösen – auch politisch. Wir werden darum beispielsweise eine gute, prominent zusammengesetzte Bundeshausredaktion haben.
Sie werden also vielleicht auch eine Art Comedy Late-Night-Format lancieren, à la John Oliver oder Steven Colbert?
Genau, solche Elemente werden vorkommen. Text wird eine Rolle spielen, jedoch allenfalls sogar nur eine untergeordnete. Wir wollen alle Kanäle bespielen, die das Digitale zulässt – und das ist ja das Reizvolle. Unsere Redaktoren müssen alles können, sie müssen neben fachlichen breite digitale Kompetenzen vorweisen.
Wer ist mit dabei? Können Sie bereits Namen nennen?
Nein, das ist noch zu früh. Mit der Rekrutierung bin ich erst seit zwei Wochen beschäftigt. Denn, wissen Sie, wir hatten zuerst andere Prioritäten: die Firmengründung, das Fundraising, die Verhandlungen mit dem Nebelspalter und gleichzeitig der Aufbau der Technologie. Das alles hat uns sehr in Anspruch genommen.
«Beim Nebelspalter handelt sich um ein Start-up, und nicht um einen grossen Öldampfer. So viele Kapitäne brauchen wir nicht»
Was haben Sie nun genau vor: Wird nebelspalter.ch ein rechtsgerichtetes Satireformat?
Nein. Die Leute wissen ja, wo ich politisch verortet bin. Gleichzeitig ist bekannt, wie ich die Basler Zeitung (BaZ) gemacht habe – also sehr pluralistisch. Die Linken wussten das – und einige anerkannten das auch, wie etwa der leider vor Kurzem verstorbene Doyen der SP, Helmut Hubacher: «Somms grosse Stärke ist seine liberale Gesinnung», schrieb er in der BaZ, als ich sie verliess. «Somm lässt die andere Meinung konsequent zu. Wissend, dass ein Meinungsaustausch die Zeitung interessant macht.» Das Gleiche strebe ich auch beim Nebelspalter an: Mein Standpunkt ist klar und den werde ich selbstverständlich vertreten. Doch im Nebelspalter wird es Persönlichkeiten geben, die politisch andere Standpunkte einnehmen als ich.
Es gab ja sogar Spekulationen, wonach es eine Kooperation geben könnte zwischen Weltwoche und dem Nebelspalter. Stimmt das?
Nein, das ist nicht geplant. Eine Kooperation mit der Weltwoche wäre auch gar nicht nötig, denn das Blatt von Roger Köppel ist gut positioniert als schweizweit wichtiger, hervorragender Printtitel. Die Weltwoche braucht darum keine neue Partnerschaft. Gleichzeitig ist klar, dass sich die Schweizer Medienlandschaft in einem extremen Transformationsprozess befindet. Wir profitieren davon, dass so neue Nischen entstehen.
Sie fungieren als Chefredaktor, haben aber gleichzeitig einen Redaktionsleiter für Print und allenfalls später auch für Online. Bei einer so kleinen Redaktion: Was machen Sie denn genau?
Vieles. Neben der Funktion als Chefredaktor bin ich Delegierter des Verwaltungsrats, zudem bin ich ein bedeutender Aktionär – spiele also sowieso eine tragende Rolle in der Klarsicht AG. Als Chefredaktor führe ich Print und Online. Man muss jedoch sehen: Beim Nebelspalter handelt sich um ein Start-up, und nicht um einen grossen Öldampfer. So viele Kapitäne brauchen wir nicht.
«Unser Projekt ist keine Eintagsfliege, sondern wir streben etwas Nachhaltiges und qualitativ Hochwertiges an»
Ein bedeutender Aktionär, was ist darunter zu verstehen?
Ich bin an der Klarsicht AG beteiligt, und zwar zu einem grösseren Teil als alle anderen Aktionäre einzeln. Meine Verantwortung ist daher gross.
Welche Rolle spielt Konrad Hummler?
Ich bin Konrad Hummler sehr dankbar, dass er mitmacht. Als ehemaliger NZZ-Präsident, als brillanter Publizist und erfahrener Financier kennt er sich in allen Bereichen aus, die für den Erfolg unseres Unternehmens entscheidend sind. Für mich persönlich ist er ein Sparringspartner, wie ich ihn mir nicht besser wünschen könnte. Seine Beteiligung ist ein Riesengewinn. Sie ist auch ein Beweis für die Ernsthaftigkeit dieses Projekts. Unser Projekt ist keine Eintagsfliege, sondern wir streben etwas Nachhaltiges und qualitativ Hochwertiges an. Ob wir das alles erfüllen können, wird sich zeigen. Unsere Ambitionen sind gross.
Was für Pläne haben Sie bezüglich der Finanzierung? Ich nehme an, Sie wollen irgendwann selbsttragend werden.
Ja, das ist unabdingbar. Wir planen, dass wir nach etwa vier Jahren den Break-even erreichen. Wir werden uns über Abo- und Werbeeinnahmen finanzieren. Sie müssen sehen: Das ist ein Business Case. All diese Investoren sind Aktionäre und erwarten irgendwann dann auch einmal eine Dividende. Ihr Geld ist nicht einfach à fonds perdu, sondern ein seriöses Investment – auch für mich persönlich.
Wie divers wird diese nebelspalter.ch-Redaktion sein? Werden Sie auch Junge und Frauen anstellen?
Nein, wir nehmen nur 60-jährige, weisse Männer mit Innerschweizer Herkunft.
Also alle ähnlich den Investoren.
(lacht) Dann wären es 90-jährige Männer! Im Ernst: Das wäre ja hirnrissig. Ich möchte Leute erreichen, die schon lange keine gedruckte Zeitung mehr lesen oder noch gar nie eine gelesen haben, unter anderem also junge Leute. Von daher muss natürlich die Redaktion in Bezug auf das Alter ähnlich zusammengesetzt sein wie unsere Zielgruppe. Mir ist jegliche Diversität – Einwanderer, Schweizer, Ausländer, Frau, Mann, schwul, heterosexuell, links und rechts – sehr wichtig. Diese ist ja in den meisten Redaktionen in unserer Branche kaum gegeben. Wir sind so homogen, dass wir uns schon fast schämen müssten, über Diversity zu schreiben.
«Vielleicht übernehmen wir noch andere Titel oder lancieren sie neu»
Eine Frage noch zum Namen der Firma: «Klarsicht AG»: Warum?
Klarsicht bedeutet im Grunde das gleiche wie Nebelspalter. Also, wenn der Nebel gespalten ist, hat man Klarsicht.
(lacht) Aha.
Das ist nun einfach einmal der Name der Besitzerfirma des Nebelspalters. Vielleicht übernehmen wir ja noch andere Titel oder lancieren sie neu, was alles möglich ist. Die Zeit wird's zeigen.
Sind Sie nun eigentlich weiterhin bei Tamedia angestellt?
Ich werde die Kolumne in der SonntagsZeitung aufrechterhalten, genauso mein Engagement bei der TV-Sendung SoZ-Standpunkte. Daran erkennen Sie, dass der Nebelspalter nicht das einzige Verlagshaus ist, das den internen Pluralismus pflegt.
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04.12.2020 14:05 Uhr
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