Warum feiert ihr 15 Jahre Zeit Schweiz? Das ist weder ein runder Geburtstag noch ein Jubiläum.
In Lateinamerika wird der 15. Geburtstag als Quinceañera gross gefeiert. Das ist ein Coming-of-Age-Fest und mit ein Grund, warum wir unsere Geburtstagsausgabe ganz den 15-Jährigen widmen und erzählen, wie es heute ist, in der Schweiz 15 Jahre alt zu sein. Es gibt aber auch sonst genügend Gründe zum Feiern: Die Zeit ist in der Schweiz in den vergangenen 15 Jahren konstant gewachsen und inzwischen kratzen wir an einer Wemf-beglaubigten 30’000er-Auflage.
Sie sind seit Anfang dabei, zuerst als freier Mitarbeiter, dann als Redaktor und seit 2014 als Redaktionsleiter. Was hat Sie so lange dabeigehalten?
Meine Arbeit hat sich in diesen Jahren sehr stark verändert. Es wurde mir also nie langweilig. Zusammen mit meiner fantastischen Stellvertreterin Sarah Jäggi und meinen nicht minder tollen Kollegen Salome Müller und Timo Posselt produzieren wir heute zwar noch immer jede Woche drei Zeitungsseiten. Aber es sind zahlreiche neue Aufgaben und Projekte dazugekommen: Wir machen einen Podcast, wir schreiben für andere Ressorts und für Zeit Online, es gibt Leserveranstaltungen und Live-Events. Viermal pro Jahr erscheint zudem in Zusammenarbeit mit dem Wiener Büro der Zeit eine Alpen-Ausgabe mit grenzüberschreitendem Journalismus, den sonst niemand betreibt.
Eure Texte werden online auch von einem Publikum in Deutschland und Österreich gelesen. Was heisst das für eure Arbeit?
Wir achten heute viel genauer darauf, dass unsere Artikel auch in Deutschland interessieren. Es sind vor allem Details, auf die wir achten. Wir schreiben zum Beispiel in den Unterzeilen immer vom Schweizer Bundesrat, damit es keine Verwechslungen mit der deutschen Länderkammer gibt.
«Publizistisch ist Online für uns als Schweizer Büro eine grosse Chance»
Erwartet der Verlag von euch eine bestimmte Performance online?
Nein, es gibt seitens des Verlags keine Erwartung, wie viele Online-Abos oder Ähnliches wir generieren müssen. Publizistisch ist Online für uns als Schweizer Büro eine grosse Chance und hat nicht nur die Reichweite unserer Texte enorm erweitert, sondern auch unsere Zugänge zu Themen und unsere Schreibe verändert. Die Frage, wie wir mit Schweizer Themen auf Zeit Online noch mehr Leserinnen und Leser finden, wird mich in nächster Zeit beschäftigen.
Ihr füllt jede Woche drei Zeitungsseiten. Das ist nicht viel, selbst für ein kleines Land wie die Schweiz.
Klar, man kann nicht auf drei Seiten, auch wenn die bei der Zeit riesengross sind, ein Land integral abbilden. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist darum: sieben, sieben, sieben. Also die Frage beantworten: Was machen wir nicht?
Und was macht ihr dann doch?
Wir haben zum Beispiel eine Seite «Alles ausser Zürich» eingeführt, eine ganze Seite Regionalberichterstattung jede Woche. Das ist auch ein publizistisches Statement gegen den Abbau der Regionalpresse in der Schweiz und gegen die Zürich-Fixierung unserer Branche. Uns ging es darum, von dort zu berichten, wo anderen Medien immer seltener hinschauen.
Nein, es gibt seitens des Verlags keine Erwartung, wie viele Online-Abos oder Ähnliches wir generieren müssen. Publizistisch ist Online für uns als Schweizer Büro eine grosse Chance und hat nicht nur die Reichweite unserer Texte enorm erweitert, sondern auch unsere Zugänge zu Themen und unsere Schreibe verändert. Die Frage, wie wir mit Schweizer Themen auf Zeit Online noch mehr Leserinnen und Leser finden, wird mich in nächster Zeit beschäftigen.
Ihr füllt jede Woche drei Zeitungsseiten. Das ist nicht viel, selbst für ein kleines Land wie die Schweiz.
Klar, man kann nicht auf drei Seiten, auch wenn die bei der Zeit riesengross sind, ein Land integral abbilden. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist darum: sieben, sieben, sieben. Also die Frage beantworten: Was machen wir nicht?
Und was macht ihr dann doch?
Wir haben zum Beispiel eine Seite «Alles ausser Zürich» eingeführt, eine ganze Seite Regionalberichterstattung jede Woche. Das ist auch ein publizistisches Statement gegen den Abbau der Regionalpresse in der Schweiz und gegen die Zürich-Fixierung unserer Branche. Uns ging es darum, von dort zu berichten, wo anderen Medien immer seltener hinschauen.
«Inhaltlich geniessen wir hier in Zürich totale Handlungsfreiheit»
Wie lang ist die Leine, an der man euch in der Schweiz hält?
Sehr lang. Sonst würde es auch nicht funktionieren. Mein direkter Vorgesetzter Patrik Schwarz ist als Chefredaktor aller Länderausgaben für die Zeit-Ausgaben in Österreich, der Schweiz, Ostdeutschland und Hamburg verantwortlich. Wir tauschen uns zwar regelmässig aus, da geht es dann aber um Strategie-, Geld- oder Personalfragen. Inhaltlich geniessen wir hier in Zürich totale Handlungsfreiheit. In Hamburg und Berlin ist man sich bewusst, dass wir vor Ort am besten wissen, was unsere Leserinnen und Leser interessiert.
Was ist der Kern eures publizistischen Profils?
Dass wir nicht in Bern sitzen (lacht). Der Blick aus der Halbdistanz auf das Geschehen in Bern ermöglicht uns, den Überblick zu bewahren. Wir wollen die grossen innenpolitischen Fragen bearbeiten, haben dabei allerdings einen sehr breiten Politikbegriff.
Apropos Politikbegriff: Ihr habt Operation Libero schon früh und dann immer wieder eine Plattform geboten. Ist das ein politisches Bekenntnis?
Das war unser journalistischer Spürsinn. Interessant an Operation Libero fanden wir, dass da neue Stimmen auftauchen, die es schaffen , politische Fragen zu enttabuisieren. Zum Beispiel wenn es um die verkachelte Beziehung der Schweiz zur Europäischen Union geht. Diese Stimmen hatten wir als Erste bei uns im Blatt. Sie interessierten uns aber auch dann, als der Medienhype abgeflacht war. Darum sind wir vor den Wahlen mit einem der Gründer und der aktuellen Geschäftsführerin der Operation Libero nochmals zusammengesessen und haben sie gefragt, was sie in den vergangenen Jahren erreicht haben und wie es weitergehen soll.
Was wisst ihr über eure Leserinnen und Leser?
Zum Beispiel, dass sie sich dafür interessieren, wie man von aussen auf die Schweiz schaut. In der diesjährigen Sommerserie sprachen wir mit Kritikerinnen und Kritikern der Schweiz. Etwa mit dem ehemaligen EU-Botschafter Reiterer oder mit Constanze Stelzenmüller. Das kam gut an, gab aber auch das eine oder andere böse Mail.
Widerspiegelt sich in dieser Vorliebe für Schweiz-Kritik auch das politische Profil eures Publikums?
Wir haben in unserer letzten Leserbefragung auch die politische Ausrichtung abgefragt. Da zeigte sich eine sozialliberale Mehrheit. Was wir auch wissen: 70 Prozent unserer Leserinnen und Leser sind Schweizer, aber recht viele sind Doppelbürger oder eingewanderte Deutsche. Für viele sind wir eine Zweit- oder Drittzeitung, wobei die meisten der Befragten neben der Zeit eine Tageszeitung abonniert haben, vor allem die NZZ und den Tagi.
Was ist der Kern eures publizistischen Profils?
Dass wir nicht in Bern sitzen (lacht). Der Blick aus der Halbdistanz auf das Geschehen in Bern ermöglicht uns, den Überblick zu bewahren. Wir wollen die grossen innenpolitischen Fragen bearbeiten, haben dabei allerdings einen sehr breiten Politikbegriff.
Apropos Politikbegriff: Ihr habt Operation Libero schon früh und dann immer wieder eine Plattform geboten. Ist das ein politisches Bekenntnis?
Das war unser journalistischer Spürsinn. Interessant an Operation Libero fanden wir, dass da neue Stimmen auftauchen, die es schaffen , politische Fragen zu enttabuisieren. Zum Beispiel wenn es um die verkachelte Beziehung der Schweiz zur Europäischen Union geht. Diese Stimmen hatten wir als Erste bei uns im Blatt. Sie interessierten uns aber auch dann, als der Medienhype abgeflacht war. Darum sind wir vor den Wahlen mit einem der Gründer und der aktuellen Geschäftsführerin der Operation Libero nochmals zusammengesessen und haben sie gefragt, was sie in den vergangenen Jahren erreicht haben und wie es weitergehen soll.
Was wisst ihr über eure Leserinnen und Leser?
Zum Beispiel, dass sie sich dafür interessieren, wie man von aussen auf die Schweiz schaut. In der diesjährigen Sommerserie sprachen wir mit Kritikerinnen und Kritikern der Schweiz. Etwa mit dem ehemaligen EU-Botschafter Reiterer oder mit Constanze Stelzenmüller. Das kam gut an, gab aber auch das eine oder andere böse Mail.
Widerspiegelt sich in dieser Vorliebe für Schweiz-Kritik auch das politische Profil eures Publikums?
Wir haben in unserer letzten Leserbefragung auch die politische Ausrichtung abgefragt. Da zeigte sich eine sozialliberale Mehrheit. Was wir auch wissen: 70 Prozent unserer Leserinnen und Leser sind Schweizer, aber recht viele sind Doppelbürger oder eingewanderte Deutsche. Für viele sind wir eine Zweit- oder Drittzeitung, wobei die meisten der Befragten neben der Zeit eine Tageszeitung abonniert haben, vor allem die NZZ und den Tagi.
«Uns ist es gelungen, in den 15 Jahren aus einer Nische rauszukommen»
Und in Zahlen?
Uns ist es gelungen, in den 15 Jahren aus einer Nische rauszukommen. Wir sind mit einer Auflage von 6500 Exemplaren gestartet und sind nun bei knapp 30‘000 verkauften Exemplaren pro Woche.
Was ist das Rezept für dieses Wachstum?
Die grosse Freiheit, die uns Hamburg lässt, und dass neue Projekte aus unserer Redaktion heraus entstehen und nicht von oben herab befohlen werden. Der Verlag lässt uns auch genügend Zeit, sodass sich eine Idee entwickeln kann. Wir witzeln bei uns im Büro, dass wir Demeter-artig gewachsen sind, also ohne Kunstdünger, dafür unglaublich gesund! Unser bestes Marketing-Tool sind bis heute unsere Produkte.
Ein wichtiges Produkt, das Sie mitverantworten, ist der Podcast «Servus. Grüezi. Hallo». Sie haben den vor sechs Jahren mitlanciert. Wie kam es dazu?
Florian Gasser, der die Zeit-Ausgabe in Österreich leitet, und ich haben so viel zusammen telefoniert, dass wir irgendwann fanden, das müssten wir journalistisch fruchtbar machen. Dann schrieben wir ein Konzept und haben das bei Zeit Online eingereicht. Die fanden das eine gute Idee, wollten aber, dass auch Deutschland mit dabei ist – so kam Lenz Jacobsen dazu. Das war eine super Wahl!
Was ist das Rezept für dieses Wachstum?
Die grosse Freiheit, die uns Hamburg lässt, und dass neue Projekte aus unserer Redaktion heraus entstehen und nicht von oben herab befohlen werden. Der Verlag lässt uns auch genügend Zeit, sodass sich eine Idee entwickeln kann. Wir witzeln bei uns im Büro, dass wir Demeter-artig gewachsen sind, also ohne Kunstdünger, dafür unglaublich gesund! Unser bestes Marketing-Tool sind bis heute unsere Produkte.
Ein wichtiges Produkt, das Sie mitverantworten, ist der Podcast «Servus. Grüezi. Hallo». Sie haben den vor sechs Jahren mitlanciert. Wie kam es dazu?
Florian Gasser, der die Zeit-Ausgabe in Österreich leitet, und ich haben so viel zusammen telefoniert, dass wir irgendwann fanden, das müssten wir journalistisch fruchtbar machen. Dann schrieben wir ein Konzept und haben das bei Zeit Online eingereicht. Die fanden das eine gute Idee, wollten aber, dass auch Deutschland mit dabei ist – so kam Lenz Jacobsen dazu. Das war eine super Wahl!
«Wir nehmen uns selbst nicht allzu ernst»
«Servus. Grüezi. Hallo» zählt zu den meistgehörten News-Podcasts im deutschsprachigen Raum. Woher kommt dieser Erfolg?
Als Zeit-Journalisten haben wir einen seriösen Background, aber im Podcast vermitteln wir den Hörerinnen und Hörern das Gefühl, mit uns Dreien an einem Küchentisch zu sitzen. Was wir machen, ist eine Mischung aus Edu- und Politainment. Und sehr wichtig: Wir nehmen uns selbst nicht allzu ernst. Wir können über uns und den Wahnsinn in unseren Ländern lachen. In einem Text funktioniert Ironie nicht.
Im Podcast treten Sie als Schweiz-Erklärer auf. Spielen Sie da eine Rolle?
Ich habe zwar einen Podcast-Modus, aber das ist keine künstliche Rolle, sondern ergibt sich aus der Drei-Länder-Konstellation. Klar, wir arbeiten auch mit Klischees und Running-Gags, etwa wenn Florian immer wieder Kaiserin Sisi ins Spiel bringt oder Lenz vom BVB schwärmt. Wir sind aber auch froh um Hörerinnen und Hörer, die uns sagen, wenn sie genug davon haben. Wobei Sisi halt tatsächlich weiterhin eine kulturelle Referenzgrösse in Österreich ist, und sich auch viele Schweizer Themen auf eine Frage runterbrechen lassen: Wie viel Geld lässt sich damit verdienen?
Sie gehen gegen Mitte 40, arbeiten seit 15 Jahren bei der Zeit. Einmal Zeit, immer Zeit?
Solange sich mein Job ständig verändert und immer wieder Neues und Spannendes dazukommt, gibt es keinen Grund, etwas zu ändern. Ich bin hier sehr glücklich und zufrieden.
Im Podcast treten Sie als Schweiz-Erklärer auf. Spielen Sie da eine Rolle?
Ich habe zwar einen Podcast-Modus, aber das ist keine künstliche Rolle, sondern ergibt sich aus der Drei-Länder-Konstellation. Klar, wir arbeiten auch mit Klischees und Running-Gags, etwa wenn Florian immer wieder Kaiserin Sisi ins Spiel bringt oder Lenz vom BVB schwärmt. Wir sind aber auch froh um Hörerinnen und Hörer, die uns sagen, wenn sie genug davon haben. Wobei Sisi halt tatsächlich weiterhin eine kulturelle Referenzgrösse in Österreich ist, und sich auch viele Schweizer Themen auf eine Frage runterbrechen lassen: Wie viel Geld lässt sich damit verdienen?
Sie gehen gegen Mitte 40, arbeiten seit 15 Jahren bei der Zeit. Einmal Zeit, immer Zeit?
Solange sich mein Job ständig verändert und immer wieder Neues und Spannendes dazukommt, gibt es keinen Grund, etwas zu ändern. Ich bin hier sehr glücklich und zufrieden.
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