13.10.2022

Corriere del Ticino

«Von Ärger zu sprechen, ist wirklich übertrieben»

Alessandro Colombi, CEO der Corriere del Ticino-Gruppe, reagiert auf die Kritik der Tageszeitung LaRegione. Der 47-Jährige äussert sich zur Abokampagne des Konkurrenten, die verantwortlichen Zürcher Agenturen Rod und Farner und die Komplexität des Tessins.
Corriere del Ticino: «Von Ärger zu sprechen, ist wirklich übertrieben»
«Der Markt wird entscheiden, ob eine einfache Kampagne das Gleichgewicht verändern kann», sagt Alessandro Colombi, CEO der Corriere del Ticino-Gruppe. (Bild: Corriere del Ticino)

Herr Colombi*, was war Ihre erste Reaktion auf die LaRegione-Abokampagne mit dem Motto «der wahre Kurier des Tessins»? Erfreut waren Sie wohl kaum …
Natürlich war ich ein wenig überrascht – aber vor allem, weil ich verstehen wollte, wer für unsere Marke werben wollte.

Stimmt es also, dass sich «der Ärger beim Corriere del Ticino in Grenzen zu halten scheint», wie LaRegione-CEO Rocco Salvioni in einem persoenlich.com-Interview mutmasste?
Von Ärger zu sprechen, ist wirklich übertrieben. Ich denke, es ist einfach eine unpassende Übersetzung aus dem Deutschen ins Italienische. Es gibt keine Gefühle unsererseits. Hass und Liebe empfindet man in der Regel gegenüber Personen, für die man Gefühle hat. In diesem Fall lächeln wir einfach, aber ich würde sagen, dass es sich hauptsächlich um Gleichgültigkeit handelt.

Haben Sie bereits mit Rocco Salvioni gesprochen?
Ich habe Rocco Salvioni nichts zu sagen. Ich wünsche ihm als Person und für seine berufliche Tätigkeit alles Gute.

Einen Tag nach Kampagnenstart haben Sie mit einer Verlagsnotiz auf der Frontseite des Corriere del Ticino reagiert. Dabei haben Sie betont, dass eine Fusion beider Zeitungen kein Thema sei. Gab es tatsächlich Befürchtungen eines Zusammenschlusses in der Leserschaft? Oder was hat Sie zu dieser Aussage veranlasst?
Die grafischen Elemente, die ohne unsere Genehmigung verwendet wurden, haben eindeutig einen Bezug zu unserer Marke. Wir hielten es daher für angebracht, klarzustellen und zu bekräftigen, dass es sich nicht um eine gemeinsame Aktion handelt. Und, dass keine Allianz zwischen dem Corriere del Ticino und La Regione in Sicht ist.

«Offensichtlich gefällt den Machern von LaRegione unser Logo»

In der Verlagsnotiz haben Sie sich für die Aufmerksamkeit bedankt, die der Corriere del Ticino durch diese Kampagne erhalten habe. Zudem haben Sie die Kampagne gelobt. Sind Sie gar etwas neidisch, dass Sie nicht auf eine vergleichbare Idee gekommen sind?
Ganz und gar nicht. Es handelt sich um eine Kampagne, deren Idee ausserhalb des Tessins, von Zürcher Agenturen (Anm. d. Red.: Rod und Farner) entwickelt wurde. Ich bin mir nicht sicher, ob sie die Befindlichkeiten der Tessiner Bevölkerung in jedem Detail kennen.

Vergleichende Werbung wie jene von LaRegione ist gemäss dem Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb erlaubt, wenn Regeln wie diese eingehalten werden: Vergleiche dürfen unter anderem nicht unrichtig, irreführend sein oder den guten Ruf eines Konkurrenten ausnützen. Wie bewerten Sie in diesem Kontext die Kampagne von LaRegione?
Offensichtlich gefällt den Machern von LaRegione unser Logo, haben sie doch mit der Kampagne versucht, sich uns anzunähern. Bereits in der Vergangenheit hat es ähnliche Vorkommnisse gegeben. Ich erlaube mir nicht, ein Urteil über die Arbeit Anderer abzugeben. Wir sind erwachsene Menschen, die in ihrer verantwortungsvollen Rolle jeden Tag Entscheidungen treffen müssen, die Konsequenzen haben können. Der Markt wird entscheiden, ob eine einfache Kampagne das Gleichgewicht verändern kann. Etwas möchte ich aber noch festhalten.

Bitte.
Ich bin der Meinung, dass wir uns auf einem so schwierigen Markt um etwas andere Dinge kümmern sollten, um Lösungen zu finden und um das bestmögliche Produkt zu publizieren. Natürlich hätten auch wir vergleichende Werbung machen können. Aber wir haben eine andere Vorstellung der Marktbearbeitung.

Rocco Salvioni war gegenüber persoenlich.com überzeugt, dass LaRegione der Leserschaft die bessere journalistische Alternative zum Corriere del Ticino biete. Was entgegnen Sie?
Das ist offensichtlich eine subjektive Meinung, auf die ich nicht eingehen möchte. Wenn Herr Salvioni davon überzeugt ist, freue ich mich für ihn. Unser Sektor ist kein Wettbewerb, der auf Zeit oder messbaren Punkten basiert, sondern die über Jahre hinweg bewiesene Qualität, die den Unterschied macht.

«Ich habe mich daran gewöhnt, mit den Sorgen der Medienbranche zu leben – ich schlafe nachts immer noch gut»

Weiter befand der LaRegione-CEO, dass «der Corriere del Ticino das institutionelle Modell des Journalismus heute noch repräsentiert». Helfen Sie mir bitte, was ist unter diesem Modell genau zu verstehen? Und was halten Sie von dieser Kritik?
Kritisieren kann man natürlich alles. Ich kann Ihnen aber sagen, dass unsere Leserinnen und Leser bei Umfragen, die wir regelmässig durchführen, unsere Arbeit stets sehr gut bewerten.

Bei LaRegione ist man überzeugt, mehr Leserinnen und Leser aus Ihrem Hauptgebiet – dem Sottoceneri – zu gewinnen. Bereitet Ihnen das Sorgen? Oder belebt Konkurrenz das Geschäft?
In allen Branchen hilft der Wettbewerb, auch im Verlagswesen. Die Sorgen der Medienbranche begleiten uns jeden Tag. Ich habe mich daran gewöhnt, mit ihnen zu leben – ich schlafe nachts immer noch gut.

LaRegione möchte die «publizistisch wichtigste Stimme im Kanton» sein. Wer nimmt denn aktuell diese Position ein aus Ihrer Sicht? Das Radiotelevisione Svizzera?
Unser Kontext, jener des Kantons Tessin, ist kompliziert, «übermedialisiert». Es würde Seiten füllen, diese Frage zu beantworten. Man muss berücksichtigen, dass es in der Tessiner Bevölkerung verschiedene Gewohnheiten und Strömungen gibt – wir versuchen, diese mit dem Corriere del Ticino und seinen Inhalten abzuholen.

Wer die Nummer eins im Kanton ist, ist natürlich auch eine subjektive Frage. Klar ist aber: Das National-League-Eishockeyteam aus dem Gebiet von LaRegione – Ambri-Piotta – liegt deutlich vor Lugano, dem Team aus dem Einzugsgebiet des Corriere del Ticino. Bleibt Ambri-Piotta bis zum Saisonende die Nummer eins im Kanton?
Ich feuere das Tessiner Eishockey an, und ich feuere den gesamten Tessiner Sport an – wir sind der Corriere del Ticino.


*Alessandro Colombi, 47-jährig, ist seit 2015 für die Corriere del Ticino-Gruppe tätig. Zuerst bis 2018 als COO, seit 2018 als CEO.


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