11.05.2023

SwissMediaForum

Von Verantwortung, Role Models und Zivilcourage

Hat die Medienbranche ein strukturelles Sexismusproblem? Am Medienkongress in Luzern wurde im Rahmen der Debatte MediaToo über Fälle bei Ringier und Tamedia diskutiert.
SwissMediaForum: Von Verantwortung, Role Models und Zivilcourage
Diskutierten über Mediatoo: Christian Mensch (CH Media), Claudia Blumer (20 Minuten), Michèle Binswanger (Tages-Anzeiger) und die Moderatorin Maria Victoria Haas. (Bild: SMF/Rabea Hüppi)
von Michèle Widmer

Kein Panel war wohl so schwierig zu besetzen wie dieses: Am Medienkongress in Luzern kam das Thema Sexismus in der Branche auf den Tisch. Da waren am Schluss Michèle Binswanger, Co-Ressortleiterin Gesellschaft Tages-Anzeiger, Claudia Blumer, 20-Minuten-Redaktorin, und Christian Mensch, Medienjournalist CH Media. Moderatorin Maria Victoria Haas bedankte sich bei den dreien für den Mut. Den brauche es offenbar, um öffentlich über MediaToo zu diskutieren. Die Organisatoren hätten 15 Personen dafür angefragt – es habe viele Absagen gehagelt, jedoch mit dem Verweis, wie wichtig das Thema jedoch sei. 

Zu Beginn also gleich die Frage: «Hat die Medienbranche ein strukturelles Sexismusproblem?», fragte Haas in die Runde. Binswanger erklärte: «Sexismus kommt in jeder Branche vor. Dass die Medienbranche besonders betroffen ist, bezweifle ich.» Blumer ergänzte: «Struktureller Seximus und Mobbing ist eine Keule – ganz so drastisch empfinde ich es nicht. Auf den Redaktionen herrscht ein ruppiges und kompetitives Klima, die Leute sind wettbewerbsorientiert, und das fördert ja auch die Qualität. Aber das ertragen nicht alle gleich gut – darum ist es gut, dass sich das jetzt ändert.»

Und Mensch sagte: «Wenn ich mit jüngeren Journalistinnen und Journalisten spreche, ist das ein grosses Thema – ein grösseres Thema als in anderen Branchen.» Hier brachte sich Binswanger ein: «Es ist vielleicht ein grösseres Thema, weil wir eine Branche sind, die sich um Missstände kümmert.» Sie erlebe einen Generationenwechsel. Jüngere Mitarbeiterinnen hätten andere Vorstellungen und würden diese auch in die Redaktionen hineintragen. 

Was hat sich bei Tamedia verbessert?

Die Moderatorin kam auf den Protestbrief bei Tamedia von 2020 zu sprechen, den damals 78 Frauen unterzeichneten: Blumer zählte dazu, Binswanger verzichtete. Was sich denn seither verändert habe? «Wir haben mehr Chefinnen und mehr Mitarbeiterinnen, alle sind im Ton vorsichtiger geworden», sagte Binswanger. Gleichzeitig forderte die Journalistin Frauen auf, sich zu wehren. «Natürlich muss man sich nicht alles gefallen lassen. Aber ich habe damit in der Branche immer gute Erfahrungen gemacht.»

Nach Tamedia kam das Gespräch auf Ringier Axel Springer – konkret auf den Fall Werner De Schepper. Binswanger hatte ihn bereits vor sechs Jahren als «Chef der Zudringlichkeiten» bezeichnet. Mittlerweile wurde er von seinem Posten bei Ringier entbunden. «An dieser Geschichte kann man ablesen, wie sich der Zeitgeist verändert hat», sagte Binswanger. Damals habe ihren Artikel niemand aufgenommen.

Finn Canonica (Tamedia)Werner De Schepper (Rasch) und Christian Dorer (Ringier): Warum habe innerhalb der drei Medienhäuser in all den Jahren niemand reagiert?, fragte Haas. Mensch stellte eine Gegenfrage: «Warum wurde gerade jetzt reagiert?» Er antwortete gleich selbst darauf: «In den Unternehmensleitungen kam ein neuer Druck dazu: Das Reputationsrisiko.» Die Unternehmen würden zurzeit eher dazu neigen, jemanden über die Klippe springen zu lassen.

Mensch kritisierte generell das späte Handeln der Verlage: «Wenn man ein Problem hat auf der Führungsebene, muss man das innert weniger Wochen lösen, sonst fällt das einem auf die Füsse.»

Zum Schluss fragte die Moderatorin, wie der Kulturwandel positiv beeinflusst werden könne. «Wir haben zwei super Chefinnen beim Tagesanzeiger», sagt Binswanger und fordert die Frauen auf, Verantwortung zu übernehmen. Auch Blumer erwähnte die neue 20-Minuten-Chefredaktorin und sagte, dass es gute Vorbilder brauche. Mensch verwies darauf, im Unternehmen Zivilcourage zu zeigen. Das Resultat könnte dann der Kulturwandel sein. 



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