Hinter den Kulissen muss es schon seit längerem gegärt haben. Nach dem Verkauf des defizitären Magazins durch die Tamedia an den Thurgauer Niggli Verlag im vergangenen September zeigte sich offenbar bald, dass die ambitionierte Mannschaft um Seiler das Heu mit der neuen Eignerin nicht in jedem Fall auf der gleichen Bühne hat. An Sitzungen soll sich der Ton dem Vernehmen nach zusehends verschärft haben. Niggli-Verlagsleiter Christoph Bürkle betont indes: "Es hat keinen Streit gegeben." Und: "Ich weiss nicht, warum die gekündigt haben." Chefredaktor Seiler und AD Hess beteuern ihrerseits, der Entscheid zum Ausstieg sei reiflich überdacht worden, bevor man ihn dem Verlag am vergangenen Montagnachmittag vorgelegt habe.
Gemäss Insidern sollen sich Hess und Seiler vom Verlag immer wieder übergangen gefühlt haben. So seien in Produktionsfragen wiederholt Probleme aufgetreten. Auch muss es Differenzen darüber gegeben haben, auf welche Art der neue Auftritt marketingmässig zu begleiten sei. Ein zurückhaltender Wendelin Hess meinte gegenüber "persoenlich.com" aber lediglich: "Ein Relaunch ist eine diffizile Angelegenheit."
Insgesamt muss Hess wohl das Vertrauen in die Kooperation verloren haben. Kommunikation, Entscheidungswege und Hierarchie des Niggli-Verlags hätten nicht seinen Vorstellungen entsprochen, heisst es. Hess äussert sich nur unspezifisch: "Man kann Gestalter als Dienstleister oder als Kompetenzpersonen sehen." Er sei sich bewusst, dass er viel verlange: "Wir sind in unserem Bereich Extremisten. 90 Prozent der Leute können unseren Perfektionismus gar nicht verstehen." Seiler pflichtet bei: "Wir sind vielleicht zu ehrgeizig."
Ob das urbane Kulturmagazin zum Kleinverlag in der "Provinz" Sulgen (TG) passe, hatten sich Beobachter schon beim Kauf gefragt. Verfügten die Buch-Verleger überhaupt über das nötige Marketing-Wissen im Magazinmarkt? Immerhin hatten es im Evaluationsverfahren von 18 Interessenten neben dem Niggli-Verlag vier weitere in die enge Auswahl geschafft (darunter auch die Verleger von "persoenlich.com"). Böse Zungen behaupteten damals, der Niggli-Verlag sei eben als einziger bereit gewesen, die Mitarbeiter zu übernehmen und der Verkäuferin Tamedia zudem noch Geld zu bezahlen. Niggli-Verleger Viktor Heer nannte den Kauf denn auch einen "emotionalen Entscheid" und meinte, es brauche dazu "ein bisschen Mäzenatentum". Er verwies aber auf Affinitäten und Synergiepotential, welche zur vom Niggli-Verlag ebenfalls verlegten Architektur-Fachzeitschrift Archithese beständen.
Nun haben die Zweifler am Deal zumindest in einem Punkt Recht bekommen. Was Branchenkenner schon mal als "Zweckehe" bezeichnet haben, ist gescheitert: Dass nämlich Christian Seiler einen Ort erhält, um sein Projekt zur Welt zu bringen -- und der Niggli-Verlag ein hochkarätiges Team mit einer Vision für seine Neuakquisition. Seiler meint gegenüber "persoenlich.com" heute lapidar: "Ich hätte das gerne durchgezogen. Aber wir haben einfach nicht zusammengepasst." Ansonsten gab sich Seiler zugeknöpft, die Verhandlungen seien schliesslich noch nicht abgeschlossen.
Und die Zukunft? Die Details sind Gegenstand von Verhandlungen, die am späten Mittwochmorgen in Zürich aufgenommen wurden. Die bereits weitgehend produzierte Relaunch-Nummer von Du wird jedenfalls plangemäss erscheinen, wie Christoph Bürkle auf Anfrage von "persoenlich.com" bestätigte. Und das von der Seiler-Crew ausgearbeitete Konzept werde zumindest "bis auf weiteres" integral umgesetzt.
Wer in Seilers Fussstapfen treten wird, ist zur Zeit noch unklar. "Abklärungen sind am Laufen, bis zum Entscheid kann es aber noch dauern", erklärt Verlagsleiter Bürkle und erinnert daran, dass Seiler einen Jahresvertrag habe. Bis die Nachfolge geregelt ist, also für die kommenden zwei oder drei Nummern, hat die Mannschaft um Christian Seiler ihre Mitarbeit angeboten. Bürkle wiederum, der bereits bei der Archithese als Chefredaktor waltet, will die Leitung von Du "höchstens interimistisch" übernehmen. Seiler seinerseits gibt sich auch bezüglich seiner eigenen Zukunft verschlossen: "Erst will ich diese Sache sauber über die Bühne bringen."