06.05.2025

NZZ am Sonntag

Weidel-Porträt war ein «journalistisches Must»

Margrit Sprecher verteidigt auf einem deutschen Branchenportal ihren Text über die AfD-Politikerin, der Anfang 2025 in der NZZ am Sonntag erschienen ist. Trotz heftiger Kritik würde sie das Porträt wieder so schreiben.

Aus journalistischer Sicht sah Sprecher das Porträt als notwendig, ja als «überfällig» an, wie sie auf kress.de schreibt. Ihr Ansatz zielte darauf ab, die Person hinter der Politikerin zu zeigen. «Niemand wusste, wie die Politikerin, die ein Fünftel aller Deutschen vertritt, als Mensch tickt», begründet Sprecher ihre Motivation, Weidel zu porträtieren. Für sie sei das ein «journalistisches Must» gewesen.

Schüler fanden Porträt «zu menschlich und nahbar»

Kritiker bemängelten zum einen den schieren Umfang des Textes – drei Zeitungsseiten – und den allzu menschlichen Zugang. So fanden etwa Studierende der Journalistenschule in München, die das Porträt in ihrer Ausbildung besprachen, der Text habe Weidel «zu menschlich und nahbar» gemacht.

Sprecher verteidigt ihre Herangehensweise gegen den vorherrschenden Trend. Reportagen müssten heute eine klare, oft von der Redaktion vorgegebene Stossrichtung haben, kritisiert Sprecher. «Sinnlichkeit und Eintauchen in eine fremde Welt? Nebensache. Die Leser und Leserinnen wollen keine Bilder mehr, sie wollen nur noch eine Meinung. Die richtige natürlich.» Gleichzeitig bleibe eine Reportage immer nur Stückwerk, eine Momentaufnahme, weiss auch Sprecher. «Und doch ist sie dank ihrer Bodenhaftung oft wahrer und informativer als die aus Google und ChatGPT zusammengeklaubte Gesamtschau.»

«Es gab ja auch viel Lob»

Auf die Frage, die ihr immer wieder gestellt werde, ob sie das Porträt nochmals so schreiben würde, antwortet sie: «Aber sicher! Es gab ja auch viel Lob. Und wer weiss, vielleicht sorgt mehr Wissen über den Menschen hinter dem politischen Gegner für mehr Lockerheit im Politbetrieb.»

Das Branchenportal kress.de, das Sprechers Rechtfertigung veröffentlicht hat, gehört dem Medienfachverlag Oberauer, in dem auch die Schweizer Journalist:in erscheint. Margrit Sprecher ist Mitherausgeberin des Fachmagazins. (nil)


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KOMMENTARE

Hanspeter Geissmann
10.05.2025 13:50 Uhr
Nein Frau Sprecher. Einen Shit-Storm haben Sie nicht verdient, auch wenn ich Frau Weidel nicht mag! Ich gratuliere zu Ihrer Stellungnahme auf "kress.de". Vor allem der Satz "Der verhinderte Dialog bringt Aggressionen zum Kochen" bringt es auf den Punkt. Freie Meinungsäusserung ist nicht mehr gefragt. Im privaten Bereich wie auch im Journalismus. Ich betrachte gerne den Umkehrschluss von der Mehrheit gefertigten Meinungen (ob links oder rechts). Wie schnell werde ich in die braune, rechte Ecke gedrängt nur, weil ich mich frage, was die anderen Parteien falsch machen, dass die AfD so einen Zuspruch findet? Oder ich mich nerve, dass Frau Weidel kein Interview führen kann ohne unterbrochen zu werden. Ich hoffe inständig, dass Ihr Bericht weitere Journalisten beflügelt Berichte zu schreiben, die eine andere Sicht auf Menschen oder Themen wirft, auch wenn es weh tut.
Artur Vogel
09.05.2025 15:36 Uhr
Was soll der Hinweis auf Margrit Sprechers Alter.? Sie ist immer noch sehr viel besser als die meisten halb so alten Berufskolleg/innen. Der Vergleich mit Klaus Schwab hingegen ist hinterhältig. Schwab scheiterte am eigenen Grössenwahn, eine Eigenschaft, die Sprecher gänzlich abgeht.
Roland Maeder
08.05.2025 17:54 Uhr
Bitte mehr Gelassenheit - Ecce homo
Werner Schläfli
08.05.2025 09:33 Uhr
Schliesslich will sich die NZZ in D "gut" verankern - man weiss ja nie, was noch kommt. Die Zeitung war ja schon einmal "freundlich zu den Fröntlern" - da "gab es ja auch viel Lob".
Patrick Roth
08.05.2025 08:57 Uhr
Darf jetzt Alice Weidel eine «gesichert rechtsextremistische» Politikerin genannt werden?
Anton Ladner
07.05.2025 09:08 Uhr
Alter in grosser Ehre! Margrit Sprecher ist 89 Jahre alt. Leben wir heute in einer Gesellschaft, die keinen Abbau mehr erlaubt? Soll man mit 90 Jahren immer noch besser werden? Der Fall Klaus Schwab zeigt, dass Grenzen gesetzt sind und dann von der Aussenwelt auch Grenzen gesetzt werden. Das ist gut so, weil es vor Illusionen schützt.
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