16.10.2022

Benissimo

Wie die Presse das Comeback kommentiert

«Es fehlt etwas die Spritzigkeit – und doch ist die Sendung äusserst unterhaltsam», «ein Licht zur Erwärmung unserer Gemüter», «Es ist wirklich alles wie gestern»: Die SonntagsZeitung, der SonntagsBlick, die NZZ und CH Media finden lobende und kritische Töne zur Rückkehr der Show.
Benissimo: Wie die Presse das Comeback kommentiert
Das Gesicht der Sendung führte durch die Jubiläumsshow von «Benissimo»: Beni Thurnheer. (Bild: Screenshot SRF)

Am Abend des 15. Oktobers kehrte die SRF-Show «Benissimo» zu ihrem 30-Jahr-Jubiläum einmalig zurück – natürlich mit Beni Thurnheer in der Hauptrolle, dem Moderator und Gesicht der Sendung. Wie haben die Sonntagszeitungen dieses singuläre Comeback kommentiert? Rico Bandle von der SonntagsZeitung, Jean-Claude Galli vom SonntagsBlick, Michael Graber von CH Media und Nadine A. Brügger von der NZZ finden einerseits positive Töne, anderseits auch kritische:

SonntagsBlick:
«Revivals und Fortsetzungen dominieren die aktuelle Film- und TV-Welt. Auch SRF mischt munter mit und lässt Beni Thurnheer gestern zur besten Sendezeit noch einmal zum Benissimo-Hörer greifen. Diesen Retro-Trend allerdings als Flucht vor der freudlosen Gegenwart zu sehen, wird ihm nicht gerecht. Eher zeigt er die Verunsicherung der Branche. Wenn neue Produktionen immer wieder floppen, wählt man mit dem Griff auf Bewährtes gerne den sicheren Hafen. Die singuläre Neuauflage von ‹Benissimo› dreht das Rad der Zeit natürlich keinen Millimeter zurück ins Quotenparadies. Das oft besungene ‹Lagerfeuer der Nation›, der gemeinsame Fernsehtermin mit der ganzen Familie, hat sich längst in einzelne Glutnester zerschlagen, auch durch den zunehmenden Einfluss der Streamingdienste. Die ‹Benissimo›-Ausgabe 2022 ist höchstens, aber immerhin ein kleines Licht zur Erwärmung unserer Gemüter. Und die versteckte Liebeserklärung an einen Mann, der bisher nie wirklich einen gebührenden Abschied erhielt, obschon er als ‹Beni National› zum Schweizer Kulturgut gehört. (…) Und im Gegensatz zu anderen Showgrössen weiss Beni um seine Endlichkeit. ‹Mich gibt es heute das letzte Mal, versprochen›, scherzte er vorgängig.»

SonntagsZeitung:
«Es ist genauso wie früher. Aber in einem modernen Gewand? Na ja. Modern ist das nicht wirklich, was man am Samstagabend zur besten Sendezeit zu sehen kriegt, wenn man von der jungen Sängerin und YouTube-Star Zoe Wees absieht, die – Zufall oder nicht – bereits beim ‹Wetten dass…?›-Comeback als jugendliches Element eingesetzt worden war. Aber egal. Wer will schon in einer Nostalgie-Sendung Modernes sehen? (…) Thurnheers Telefongespräche mit den potenziellen Gewinnern waren immer das heimliche Herzstück der Sendung. Der Moderator hatte jeweils keine Ahnung, wer am Apparat war, er musste improvisieren – und da war er am besten. Mit seinen 73 Jahren hat er einiges an Schlagfertigkeit verloren, manchmal stockt er etwas, als hätte es ihm die Sprache verschlagen – obschon nun garantiert keine Tessiner mehr am Telefon sind, die kein Deutsch sprechen. (…) Mit seiner sympathischen Art macht er das aber vollkommen wett. (…) Die Sendung ist nicht ganz so spektakulär, wie das ‹Wetten dass…?›-Comeback vor knapp einem Jahr, es fehlt etwas die Spritzigkeit – und doch ist sie äusserst unterhaltsam. Vor allem dank Beni Thurnheer, dessen spitzbübischem Charme man sich immer noch nur schwer entziehen kann.»

CH-Media-Titel:
«Am Ende hat ‹Benissimo› vor allem ‹Benissimo› geliefert. Es war ein bisschen, als hätten die Zuschauerinnen und Zuschauer eine Replay-Funktion, die statt zehn Tage zirka zwanzig Jahre zurückspulen kann. Ein bitz Röhrenfernsehen-Samstagsabendcharme. Vieles am Konzept der Sendung hat aber doch reichlich Staub angesetzt, der über die 150 Sendeminuten zeitweise bleischwer wiegt. (…) Der Sendung fehlt stellenweise der Drive, die Wechsel zwischen Kugel-Wählen, Showblöcken und Einspielern sind teilweise etwas zäh. Auch Moderator Beni Thurnheer wirkt nicht immer auf der Höhe. Er geht selten wirklich auf die Gewinnerinnen und Gewinner ein, die per Telefon zugeschaltet sind. Mehrheitlich haben übrigens Pensionierte gewonnen. Die 73 Lebensjahre sieht man Thurnheer nicht an, in Sachen Schlagfertigkeit und Spontanität altert er aber durchaus normal. (…) Über weite Strecken trägt der Nostalgie-Charme diese Sendung. Beni National, ein Telefon und ein paar Kugeln reichen, um gute Erinnerungen an früher zu wecken. Nett gedeutet ist dieses ‹Benissimo› eine Hommage an die früheren Sendungen. Direkt von der digitalen Mottenkiste zurück in den Samstagabend. Mit ‹sanfter Modernisierung›, wie im Vorfeld angetönt, hatte dies herzlich wenig zu tun. Muss es aber auch gar nicht.»

NZZ:
«30 Jahre nach der ersten Sendung rollen die ‹Benissimo›-Kugeln wieder, tanzen die Friends und stellt sich Thurnheer hinter die Telefone, als wäre es anno dazumal und alles gut. Für einen Abend, mehr nicht, das verspricht Thurnheer, mittlerweile 73-jährig und nicht mehr ganz so geübt im schlagfertigen Palavern. Thurnheer ist sichtlich nervös, als er zur Musik- und Lichtshow durch die Tanz-Friends läuft und damit seine 104. ‹Benissimo›-Sendung eröffnet. Aber weil Thurnheer eben Thurnheer ist und noch nie ein Blatt vor den Mund genommen hat, fragt er kurzerhand seinen ersten Gast – den Schlagerstar Helene Fischer –, wie sie das eigentlich so handhabe mit den flatternden Gefühlen vor einer Show. (…) Kaum erwachen die Telefonleitungen zum Leben, blüht auch der Moderator vollends auf. Thurnheer plaudert am Telefon, nicht italienisch wie auch schon und auch nicht ganz so schlagfertig wie anno dazumal, aber munter. Er lacht erfreut, als bereits die erste Gewinnerin zu jung ist, um die alten ‹Benissimo›-Sendungen zu kennen, fühlt sich verbunden mit den Rentnern in der Leitung und lächelt zufrieden, als die erste, die gelbe Kugel ins Rennen um den Hauptgewinn geht. (…) Irgendwann in den gut 150 Minuten Vergangenheitsbeschwörung sagt Thurnheer, man habe die alte Sendung «in neuem Gewand» präsentieren wollen. Aber das Gewand ist altbekannt und zwickt nicht einmal. Es passt der Schweiz noch immer wie angegossen. Es ist alles da. Ein bisschen Unterhaltung und ein wenig Unsicherheit, flache Witze und Glamour. Auch davon aber nicht zu viel. Nichts soll überkandidelt sein, dafür alles ein bisschen für alle. Wer ‹Benissimo› gesehen hat, hat in die Schweizer Durchschnittsseele geblickt.» (tim)


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