19.06.2025

WOZ

«Wir beginnen jeden Donnerstag von Neuem»

Während Zeitungen sterben und Verlage massenweise Personal entlassen, geht es der Wochenzeitung WOZ ganz gut. Ihr scheidender Co-Redaktionsleiter Kaspar Surber verrät das Erfolgsrezept: Nicht die Klicks zählen, sondern gesellschaftliche Relevanz und die eigene Neugier.
WOZ: «Wir beginnen jeden Donnerstag von Neuem»
Kaspar Surber verlässt die WOZ-Redaktionsleitung nach sieben Jahren, arbeitet aber weiterhin als Journalist und Redaktor für die Wochenzeitung. (Bild: Florian Bachmann)

Herr Surber, nach sieben Jahren verlassen Sie turnusgemäss die dreiköpfige Redaktionsleitung der Wochenzeitung WOZ. Was geben Sie Ihrem Nachfolger Renato Beck als Wunsch oder Rat mit auf den Weg, der an der GV am Donnerstag in das Gremium mit den beiden Bisherigen Daniela Janser und Florian Keller gewählt wurde?
Immer die Traktandenliste im Blick zu haben! Es ist ja so, dass wir auf der WOZ eine Basisdemokratie leben und uns Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ganze Betrieb gehört. Als Redaktionsleitung kann man folglich keine Weisungen erteilen. Versucht man es trotzdem, trifft man auf gut erprobten Widerstand. Die einzige Einflussmöglichkeit ist deshalb wie in jedem Schweizer Verein die Ordnung der Traktandenliste: So kann man Geschäfte vorantreiben – oder auch einmal versuchen, sie unter Varia abzuhandeln.

Die WOZ verzeichnet im Gegensatz zu vielen anderen Zeitungen eine bemerkenswert stabile Entwicklung bei Auflage und Leserschaft. Was ist das Erfolgsrezept, und wie haben Sie in den letzten sieben Jahren dazu beigetragen?
Unser Erfolg hat sicher damit zu tun, dass wir unseren Journalismus nicht nach Klicks ausrichten, sondern nach der gesellschaftlichen Relevanz und nach unserer eigenen Neugier. Mir war es immer ein Anliegen, dass wir uns einerseits an den politischen Debatten beteiligen, andererseits aber auch eigenwillige Recherchen und Reportagen veröffentlichen. Eine gute Ausgabe ist eine Mischung aus beiden. So liefert man nicht bloss «more oft the same», verirrt sich aber auch nicht in Nischen.

«Es ist nicht die Form als Printzeitung, die unsere Arbeitsweise definiert»

Den Grossteil des Ertrags erzielt die WOZ weiterhin mit Abonnements der gedruckten Zeitung. Ist das ein zukunftstaugliches Modell?
Als wir unsere Webseite neu gestaltet haben, ist uns etwas Banales aufgefallen. Es ist nicht die Form als Printzeitung, die unsere Arbeitsweise definiert, sondern der zeitliche Rhythmus, in dem die WOZ erscheint: einmal pro Woche, auch online gilt das für fast alle Texte. Das bringt uns mehr Zeit, die Entwicklungen einzuordnen. Diese Orientierungsleistung, zu der Wochenzeitungen generell fähig sind, wird in unserer newsgetriebenen Gegenwart sicher noch wichtiger. Und dafür werden die Leserinnen und Leser bestimmt auch in Zukunft bezahlen, ob sie die WOZ nun im Print, auf der Website oder in der App lesen.

In Ihre Amtszeit fielen mit Corona, Russlands Krieg gegen die Ukraine, dem Hamas-Massaker und dem Gaza-Krieg zahlreiche Ereignisse, welche die politische Linke spalteten. Wie sorgten Sie in der Redaktionsleitung dafür, dass es die WOZ nicht auseinanderreisst?
Die Redaktionslinie entsteht bei uns nicht über Vorgaben von oben, sondern aus der wöchentlichen Produktion. Wir tauschen uns auf der Redaktion über Themen aus, veröffentlichen Berichte, machen eine Blattkritik und beginnen jeden Donnerstag von Neuem. Diese kollektive Entwicklung einer publizistischen Linie hat uns sicher geholfen, dass es uns in den letzten politisch in der Tat sehr intensiven Jahren nicht gespalten hat. Gibt es zudem das Bedürfnis nach einem grundsätzlichen Austausch, dann nehmen wir uns nach Möglichkeit auch die Zeit dafür.

Sie haben nun wieder mehr Zeit für ihre Arbeit als Journalist und Redaktor. Welche Themen werden Sie künftig verstärkt beackern?
Ich möchte wieder regelmässiger über die Asyl- und Migrationspolitik schreiben. Da kommen mit der SVP-Kündigungsinitiative der Personenfreizügigkeit wie auch mit der Demokratie-Initiative für eine erleichterte Einbürgerung grosse Debatten auf uns zu. Das Themenfeld «Medien, PR und Propaganda» interessiert mich auch sehr. Der Aufstieg autoritärer Kräfte lässt sich meiner Meinung nach nur verstehen, wenn wir uns auch mit der veränderten politischen Kommunikation beschäftigen.

«Ich möchte vor allem jenen eine Stimme geben, die von der Politik der Mächtigen betroffen sind»

In der Laudatio zum Zürcher Journalistenpreis, den Sie dieses Jahr gewonnen haben, sagte Doris Kleck: «Surber legt sich gerne mit den Mächtigen an.» Ist das der Antrieb für Ihren Journalismus?
Durchaus, aber nicht als Selbstzweck. Ich möchte vor allem jenen eine Stimme geben, die von der Politik der Mächtigen betroffen sind. Im Text, für den ich den Preis erhalten habe, ging es um einen Secondo, der als Folge seiner Suchtkrankheit einen Landesverweis erhalten hat. Ich wollte das Unrecht beschreiben, das er und seine Familie erlebt haben.


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