11.11.2020

Serie zum Coronavirus

«Wir benötigen einen runden Tisch»

Folge 136: Für Ringier-CEO Marc Walder ist die Lage in der Branche ernst. Mit der Online-Offensive der SRG und der Debatte um die Medienförderung liege einiges auf dem Tisch. Wenn sich letztere nach hinten verschiebe, sei das schlecht für alle, sagt er im Interview.
Serie zum Coronavirus: «Wir benötigen einen runden Tisch»
«Privat verhalte ich mich vorsichtig und reduziere Kontakte auf ein absolutes Minimum»: Ringier-CEO Marc Walder. (Bild: Ringier)

Herr Walder, Sie gelten in der aktuellen Situation als sehr vorsichtig. Wo und wie haben Sie die letzten Wochen erlebt?
Ringier handelt – seit Anfang März – äusserst diszipliniert. Wir waren bei den Allerersten mit dem Wechsel ins Homeoffice, in allen 19 Ländern. Wir waren früh mit klaren und stringenten Richtlinien im Umgang mit Corona. Bis heute. Als Medienunternehmen, das die historische Coronakrise in all seinen Publikationen analysiert und kommentiert, haben wir vorbildlich zu agieren.

Und Sie selbst?
Die Konzernleitung von Ringier hatte ihre letzte physische Sitzung Anfang März. Seither tagen wir via Video. Das hat Vor- und Nachteile, wie alles. Klar. Aber es funktioniert. Alle anderen Ringier-Unternehmen und -Bereiche agieren gleich. Privat verhalte ich mich vorsichtig und reduziere Kontakte auf ein absolutes Minimum. Das macht keinen Spass. Aber bei 10'000 Neu-Infektionen pro Tag scheint mir dies vernünftig.

Wie beurteilen Sie die Tätigkeit des Bundesrates?
Es gab vier Phasen, bisher: In der allerersten Phase, Ende Februar/Anfang März, wurde der Bundesrat von der Ernsthaftigkeit überrascht. In der zweiten Phase, rund um den Lockdown, machte die Regierung hervorragende Arbeit: konsequent, klar, geschlossen, kommunikativ stark. In der dritten Phase, der Öffnung über die Sommermonate hinweg, nahm der Bundesrat die Pandemie etwas auf die leichte Schulter. Und in der vierten Phase, also jetzt, in der sogenannten zweiten Welle, versucht unsere Regierung einen Kompromiss zu finden zwischen der medizinischen Notwendigkeit und den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnissen. Das ist ein, sagen wir, heisser Ritt. 

Was bedeutet Corona für Ringier konkret?
Wir verlieren in diesem Jahr etwa 140 Millionen an Umsatz. Corona ist für viele Unternehmen in vielen Industrien eine ökonomische Katastrophe, ein historischer Krisenfall. Für Ringier auch. 

«Wir müssen als Gesellschaft sicherstellen, dass dieser Schub auch nachhaltig ist»

Ist das jetzt der endgültige Durchbruch der Digitalisierung?
Ist es, ja. Was sonst vier Jahre dauert, ist nun innert Monaten entstanden. Wir erleben einen noch nie dagewesenen Digitalisierungsschub. Für jede Bürgerin und jeden Bürger, genauso wie für Unternehmen, gross und klein. Allerdings müssen wir als Gesellschaft sicherstellen, dass dieser Schub auch nachhaltig ist – ich denke da etwa an die Schulen, wo die Digitalisierung bisher nur teilweise Einzug gehalten hat.

Was wird sich nach dieser Pandemie ändern? Was wird bleiben?
Viel wird bleiben von dem, was wir in den vergangenen sechs Monaten adaptiert haben: Unternehmen arbeiten effizienter, digitaler. Wir werden nie mehr diese hohe Office-Quote haben wie bis März 2020: Mobile Office ist der Trend. Es wird weniger gereist. Cyber Security wird ernster genommen. Und: Ein gesundes Mass an Demut ist entstanden bei den Menschen. 

Am Freitag war am Swiss Media Forum die traditionelle Gesprächsrunde unter den Verlegern und SRG-Präsident Gilles Marchand. Täuscht der Eindruck – das Verhältnis untereinander scheint angespannter als auch schon ...
Da liegt schon einiges auf dem Tisch im Moment: Was darf die SRG auf den digitalen Plattformen tun? Und was soll sie den Privaten überlassen? Wer bekommt wie viel staatliche Unterstützung beim Vertrieb der Zeitungen und Zeitungen? Und wie viel bei der Online-Förderung? Im Verband kämpfen die Kleinen gegen die Grossen. Und umgekehrt. Das ist zwar verständlich, aber es nützt keinem etwas, wenn wir uns jetzt wieder in Grabenkämpfen aufreiben.

«Nochmals so ein Jahr und es gehen viele Lichter aus»

Woran liegt das?
Die Lage ist ernst. Für viele Unternehmen geht es ums Überleben. Auch und gerade in der Medienindustrie. Die Werbeausfälle sind dramatisch. Und substanzielle digitale Abo-Erlöse haben bisher die allerwenigsten. Nochmals so ein Jahr und es gehen viele Lichter aus.

Sie fordern einen runden Tisch, um allfällige Probleme zu besprechen. Wie würden Sie sich das konkret vorstellen?
Fordern würde ich das nicht nennen. Sagen wir: Vorschlagen. Der Gedanke: Lasst uns die Debatte «Was darf die SRG?» nicht wieder auf dem politischen Parkett führen. Damit würde sich die Einführung des Medienförderungs-Paketes substanziell nach hinten verschieben. Schlecht für alle. Lasst uns diese wichtige Frage also am runden Tisch klären. Und der Politik dann einen abgestimmten Vorschlag machen.

Wer würde an diesem Tisch teilnehmen?
Die SRG, eine vom Verband Schweizer Medien definierte Delegation und Ringier

Wie ist die Resonanz Ihrer Kollegen auf Ihren Vorschlag?
Gut. Was mich freut. 

Wenn Sie auf die letzten Wochen zurückschauen, was war für Sie das prägendste Erlebnis?
Die Rede von Kamala Harris, der zukünftigen Vize-Präsidentin der USA. Ich hatte Hühnerhaut.


Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com regelmässig eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.


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