01.11.2020

Serie zum Coronavirus

«Wir setzen auf Slow Journalism»

Die Zürcher Journalistin Leila Alder startet mit ihrem eigenen Internetportal akutmag.ch. In Folge 131 unserer Serie sagt sie, warum der Moment nun richtig ist und was sie ihrem Publikum bieten will.
Serie zum Coronavirus: «Wir setzen auf  Slow Journalism»
«Es ist erschütternd zu sehen, was mit der Medienlandschaft passiert und worauf die grossen Medienhäuser ihren Fokus richten», so Leila Alder, Gründerin und Chefredaktorin von akutmag.ch. (Bilder: Elay Leuthold)
von Matthias Ackeret

Frau Alder, Sie starten ausgerechnet in dieser Zeit mit Ihrem eigenen Onlinemagazin «Akut». Ist dies nicht der falscheste Zeitpunkt dafür?
Ich bin ein sehr intuitiver Mensch, und für mich fühlt sich dieser Zeitpunkt genau richtig an. Krisen sind meiner Meinung nach auch immer Chancen für neue Lösungen. Und ich denke das hat die Medienbranche ganz dringend nötig. Es macht mich traurig zu sehen, wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen ihre Jobs verlieren und ein Magazin nach dem anderen eingestampft wird. Ich finde, wir sind eine erfreuliche Abwechslung in dieser Tristesse. 

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Was wollen Sie Ihrem Publikum bieten?
Es ist vielen Printmedien nicht gelungen, ihre Qualität vom Print aufs Online zu übertragen. Dadurch wird den Lesern leider ziemlich viel Bullshit serviert. Wir setzen bei Akut auf Slow Journalism. Also auf Qualität statt Quantität. Dadurch dass wir ein unabhängiges Medium sind, werden wir uns ebenso durch Authentizität wie auch Transparenz auszeichnen können. Zudem möchten wir Platz bieten für Themen, die nirgendwo sonst genügend Aufmerksamkeit bekommen, sowie für Kreativschaffende aus der Schweiz.

Haben Sie für den Start etwas Besonderes geplant?
Für den Kick-off haben wir ein Imagevideo gedreht. Es soll bereits ein Bild vermitteln, in welche Richtung wir mit Akut steuern. Die grosse Party holen wir dann nach, sobald wir wieder gemeinsam trinken, tanzen, schwitzen und feiern dürfen.

«Seit ich 16 bin, spare ich auf meine Selbstständigkeit»

Wie finanzieren Sie Ihr Projekt?
Ich finanziere Akut momentan alleine. Seit ich 16 bin, spare ich auf meine Selbstständigkeit. Es wird zwar verdammt knapp, und ich muss nun meine privaten Ansprüche ziemlich runterschrauben, aber es fühlt sich extrem gut an, zu wissen, dass ich es allein hingekriegt habe.

Wie wollen Sie Akut bekannt machen?
Mit der Mund-zu-Mund-Propaganda haben wir frühzeitig begonnen, und ich habe mir über die letzten Jahre ein starkes Netzwerk aufgebaut, auf welches ich nun zurückgreifen kann. Zudem ist es uns wichtig von Anfang an eine starke Community aufzubauen. Das gelingt am besten via Social Media.

Hatten Sie während dieser Projektphase nie Zweifel an Ihrem Vorhaben und wie sind Sie damit umgegangen?
Zweifel eigentlich nicht. Es gab unsichere Momente aber ich versuchte stets nach vorne zu blicken und unser Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Ich hatte den ein oder anderen Nervenzusammenbruch, aber auch die waren es wert. Mein grossartiges Team war dabei natürlich eine riesige Hilfe – ohne sie hätte ich es nicht gepackt.

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Wieviele Leute arbeiten bei Ihnen?
Momentan habe ich sechs Leute in meinem Team. Die meisten zur Zeit auf Freelance-Basis.

Sie haben während des Lockdowns Ihre Stelle beim Onlinemagazin Femelle gekündigt. Was gab den Ausschlag?
Ich konnte mich immer weniger mit dem Inhalt identifizieren, und meine Vorstellung des Portals ging in eine andere Richtung, als die der Geschäftsführer. Obendrauf kam mein Autoritätsproblem und die Kündigung meiner Junior-Redaktorin Vanessa Votta – die hab ich jetzt einfach mitgenommen.

«Es war ein verstörendes und verrücktes Jahr»

Wie erleben Sie als Journalistin das ganze Jahr 2020?
Es war ein verstörendes und verrücktes Jahr. Es ist erschütternd zu sehen, was mit der Medienlandschaft passiert und worauf die grossen Medienhäuser ihren Fokus richten. Ich glaube die Verantwortung und die Kraft, die wir Journalisten haben, ist vielen nicht bewusst und ziemlich gefährlich – das hat sich in diesem Jahr deutlich gezeigt.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Der Videodreh. An diesem Tag war fast das komplette Team und viele freiwillige Supporter gemeinsam am Set. Das Commitment und Vertrauen von jedem einzelnen so zu spüren war krass und hat mich echt berührt.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com regelmässig eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.



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Kommentare

  • Sandro Russo, 30.10.2020 15:06 Uhr
    Leila Alder hat sicher gute Absichten, aber ihr Promo-Video verspricht nichts gutes! Ist sie sicher, dass "akut" der richtige Name ist? Oder sollte es z.B. " Es ist alles Gold was glänzt" heissen?
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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