06.03.2001

"Wir wollen die grösste Tageszeitung des Landes werden"

Der bisherige Finanzchef von Ringier Europa, Christoph Tonini (Bild), amtet seit dem 1. März als Geschäftsführer von Ringier Ungarn. Im Interview nimmt der 31-Jährige Stellung zur Mitte Februar erfolgten Fusion der ungarischen Boulevardtitel Blikk und Mai Nap, die Zusammenlegung der beiden Verlage Ringier Ungarn und Magyar Hirlap Rt. und seine Zukunftspläne.
"Wir wollen die grösste Tageszeitung
des Landes werden"

Herzliche Gratulation zu Ihrem neuen Job als Geschäftsführer von Ringier Ungarn. Sie sind 31. Ganz schön jung, um schon so Karriere zu machen – wie fühlen Sie sich?

Nachdem ich mich nach meinem 30. Geburtstag schon so wahnsinnig alt fühlte, ist es natürlich schön zu hören, dass man mit 31 eigentlich noch "ganz schön jung" ist. Spass beiseite: Ich fühle mich hervorragend und bin voll motiviert, das in mich gesetzte Vertrauen mit einer entsprechenden Leistung zu rechtfertigen.

Die beiden Verlage – Ringier Ungarn und der ehemalige Marquard-Verlag Magyar Hirlap Rt. – werden zusammengelegt. Was bringt diese Zusammenlegung?

Mit der Zusammenlegung der Verlagsbereiche werden wir die Effizienz der Servicebereiche durch Synergienutzung und bessere Auslastung erhöhen. Bereits kurzfristig werden beispielsweise die Distributions-, Finanz-, Personal- und IT-Abteilungen zusammengeführt.

Blikk und die im letzten Herbst von Jürg Marquard erworbene Zeitung Mai Nap wurden am 19. Februar zu Mai Blikk, der einzigen Boulevardzeitung Ungarns, zusammengelegt. Was versprechen Sie sich von dieser Fusion?

Damit wollen wir den Grundstein legen, um die grösste Tageszeitung des Landes zu werden. Durch die Zusammenlegung der besten Bereiche und Mitarbeiter soll die Zeitung qualitativ noch besser und interessanter werden. Ausserdem soll durch die Fusion die Rendite im Boulevardbereich mittelfristig massiv gesteigert werden.

Wie heisst die neue Ringier-Tochter in Budapest und was gehört dazu?

Die Firmen Ringier Kft. und die übernommene Magyar Hirlap Rt. bleiben vorerst weiterhin eigenständige rechtliche Gesellschaften. Neben der Boulevardzeitung Mai Blikk und der Sonntagsausgabe Vasarnapi Blikk verlegen wir auch noch die Sporttageszeitung Nemzeti Sport und die linksliberale Qualitätszeitung Magyar Hirlap. Mit der Übernahme von Magyar Hirlap Rt. sind noch eine hauseigene Zeitungsdruckerei und ein Call-Center dazugekommen.

Wie viele Mitarbeiter sind für das Unternehmen tätig?

Zurzeit beschäftigen wir insgesamt rund 590 Mitarbeiter in Ungarn.

Wie gross ist der Umsatz?

Wir gehen davon aus, dass der Jahresumsatz nach der Fusion der beiden Boulevardzeitungen bei ca. 36 Mio. Schweizer Franken liegen wird.

Fusionen und Synergieeffekte sind meistens auch mit einem Stellenabbau verbunden: Wird die Zusammenlegung der Zeitungen Arbeitsplätze kosten?

Obwohl wir die Redaktion der Fusionszeitung Mai Blikk ausbauen und verstärken, werden wir uns insgesamt von rund 50 Mitarbeitern aus dem Redaktionsbereich trennen müssen.

Und beim Verlag?

Das Synergiepotenzial steht hier nur bedingt im Zusammenhang mit der Zeitungsfusion. Schon vor der Übernahme von Magyar Hirlap wussten wir, dass der Verlagsbereich von Ringier rund zweieinhalbmal produktiver ist als der von Magyar Hirlap. Je nachdem, welche Geschäftsbereiche weitergeführt werden, wird der Abbau hier rund 120 Mitarbeiter betreffen.

Die Startauflage von Mai Blikk betrug 300'000 Exemplare: Wird man diese ambitiöse Auflage halten können?

Sie war relativ hoch, da wir die neue Zeitung zusammen mit einem grossen Gewinnspiel bekannt machen wollen. Wir rechnen in den ersten Wochen nach der Zusammenlegung mit einer verkauften Auflage von cirka 180'000 und wollen diese bis Ende Jahr auf 200'000 Exemplare steigern. Nächstes Jahr wollen wir die führende Zeitung Nepszabadsag bei der verkauften Auflage (210'000 Exemplare) überholen.

Was heisst Mai Blikk?

Blikk bedeutet im ungarischen "Blitz". Der Name wird aber heute viel mehr bereits als eine Marke empfunden. Mai Nap bedeutet "heutiger Tag" und ist ebenfalls ein richtiger "Brand", also eine Marke. Mit der Namensverschmelzung von Mai Nap/Blikk zu Mai Blikk ("heutiger Blikk") wollen wir auf die echte Fusion der beiden Zeitungen hinweisen, in der sich auch die bisherigen Leser beider Zeitungen wiederfinden.

Haben Sie keine Angst, dass nach der Zusammenlegung von Mai Nap und Blikk die Konkurrenz Appetit erhalten könnte, wieder einen zweiten Boulevardtitel zu lancieren?

Dieses Risiko besteht tatsächlich, doch Angst haben wir deshalb nicht. Die beiden Boulevardblätter waren in den letzten Jahren die einzigen, die an Auflage zulegen konnten. Von da her hat die Konkurrenz wahrscheinlich schon vor der Zusammenlegung "Appetit" auf dieses Segment gekriegt. Es spricht aber auch einiges gegen einen Neueintritt: 1. Mai Nap und Blikk haben bisher nur mit Mühe Geld verdient. Der Markt wird nicht grösser und ein Neueintritt hätte einen Preiskampf (sprich eine magere Rendite) zur Folge. 2. Die Gratiszeitung Metro (der schwedischen Modern Times Group, die auch in der Schweiz mit Metropol aktiv ist) wird ab April neben Budapest auch die grösseren Städte des Landes bedienen und die Konkurrenz im Anzeigen- und Lesermarkt verschärfen. 3. Die Druckkapazitäten für hohe Auflagen sind im Raum Budapest limitiert.

Sie geben zwar Ihre Funktion als Finanzchef von Ringier Europa auf, leiten aber neben der Ringier Tochter Ungarn weiterhin auch den Verlag in Rumänien. Dieses Land kämpft mit grossen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Können Sie sich in Ihrer Doppelfunktion überhaupt genügend um dieses Geschäft kümmern?

Wie bisher plane ich auch in meiner neuen Funktion jede zweite Woche zwei bis drei Tage vor Ort für Rumänien ein. Dieser Rhythmus hat sich bisher ganz gut bewährt, und das rumänische Team hat bewiesen, dass es trotz dem widrigen wirtschaftlichen Umfeld erfolgreich arbeitet. Von Juli bis Dezember 2000 haben wir in Rumänien erstmals wieder Geld verdient, und gleichzeitig ist die Auflage unserer Tageszeitung Libertatea um 40'000 Exemplare auf fast 100'000 gestiegen.

Ungarisch ist eine extrem schwierige Sprache und schwer zu lernen. Wie sieht es mit Ihren Ungarischkenntnissen aus? Wann werden Sie den May Blikk lesen können?

Generell ist die Sprache natürlich ein Hindernis, das jedoch überwunden werden kann. Unser lokales Management spricht ausgezeichnet englisch und die Inhalte und Themenwahl liegen in der vollen Verantwortung der Chefredaktion. Ich werde mir (wie bereits in Rumänien) ab und zu die Hauptthemen übersetzen lassen, um den Stil und die publizistische Richtung zu überprüfen.


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