15.05.2013

Rent a Rentner

"...eine alte Schachtel für diverse Näharbeiten."

Ein Generationenprojekt zum Vorzeigen: 2009 startete "Rent a Rentner" als Zufallsidee. Mittlerweile ist das Projekt so erfolgreich, dass eine leistungsfähigere Webseite her musste. Deshalb wurde das Portal, auf dem man Rentnerinnen und Rentner zur Miete und zur Adoption suchen und finden kann, am Mittwoch neu lanciert. Persoenlich.com sprach mit Mitgründerin und Werberin Sara Hiltebrand (im Bild mit Reto Dürrenberger) über provokante Umgangstöne und die Frage, warum sich auch die Post für "Rent a Rentner" interessiert.
Rent a Rentner: "...eine alte Schachtel für diverse Näharbeiten."

Frau Hiltebrand, was hat Sie dazu bewogen, die Plattform "Rent a Rentner" zu relaunchen?
Um ganz ehrlich zu sein: Wir hätten niemals mit einem solchen Ansturm von Rentnern und Mietgesuchen gerechnet. Die alte Website war damit schlicht überfordert, wir hatten ein echtes Kapazitätsproblem. Die grosse Nachfrage hat uns also praktisch zu einem Relaunch gezwungen – was wir natürlich zum Anlass genommen haben, sie noch viel besser zu machen.

Wie unterscheidet sich denn die neue Website von der alten?
Die beiden Versionen kann man wirklich kaum vergleichen – die sind so unterschiedlich wie ein altes Velo und ein schickes neues Auto! Wir haben aus der alten, ziemlich statischen Website viel darüber gelernt, was die neue alles können muss. Sie ist darum viel umfassender und bietet den Benutzern deutlich mehr Möglichkeiten – ganz besonders im Austausch untereinander. Und dabei ist sie viel userfreundlicher als vorher. Und viel schöner, wie wir finden! Ausserdem durfte beim Relaunch des Portals, natürlich auch die Einbindung von Social Media nicht mehr fehlen.

Ein kompletter Relaunch einer Seite für Rentner - und einen Newsletter haben Sie jetzt auch noch geplant. Interessiert das die Zielgruppe überhaupt?
Oha, da unterschätzen Sie unsere Rentnerinnen und Rentner aber sehr! Wir haben feststellen können, dass sie sich a) hervorragend mit den neuen Medien auskennen und diese sehr kritisch und aktiv nutzen – die freuen sich also genauso über ein schickes neues Design und viel mehr Funktionen – und b) ausgesprochen gern von uns hören. Darum werden wir mit dem Relaunch der Website ab sofort auch einen Newsletter einsetzen.

Neuerdings sieht man auf der Website auch Werbung. Wieso haben Sie sich dafür entschieden? Haben Sie bereits Anfragen von potentiellen Werbepartnern?
Das hat natürlich ökonomische Gründe. Die Schweizerische Post hat uns gegenüber schon sehr früh ihr Interesse an einer Zusammenarbeit angekündigt, und wir sind bereits mit weiteren Partnern im Gespräch.

Wie bewerben Sie als Werberin das von Ihnen gegründete Portal?
Das bewerben wir genau wie alle anderen Produkte und Dienstleistungen unserer Kunden: mit Kreativität und Freude. Besonders viel Spass macht uns dabei natürlich die Tatsache, dass wir zugleich selbst Kunde spielen dürfen. Auch wenn das die Dinge ehrlich gesagt nicht immer einfacher macht!

Sicherlich gibt es dazu auch eine entsprechende Werbekamapgne. Wie sieht diese aus?
Klar haben wir eine Werbekampagne geplant. Unser Hauptfokus für den Moment liegt aber voll auf dem neuen Portal. Die Werbekampagne wird erst etwas später anlaufen. Auf Facebook findet man jedoch einen kleinen Vorgeschmack in welche Richtung die Kampagne laufen wird.

Der werbesprachliche Duktus von Rent a Rentner ist ziemlich rau und gewöhnungsbedürftig im Stil von "An die Arbeit, alter Sack" oder "Mieten Sie eine alte Schachtel". Wieso haben Sie sich für diesen provokanten Umgangston entschieden? Und hat sich noch nie ein Rentner darüber beschwert?
Unser Motto lautet "Be different or die" – das ziehen wir natürlich auch bei Rent a Rentner durch! Wir haben ganz bewusst diese freche Tonalität gewählt – auch, um uns klar von einer Haltung à la "Ach, jetzt bin ich alt, was mach ich bloss, ich Arme/r" abzugrenzen. Wir möchten Renter nicht hilfloser noch älter machen, als sie sind, sondern diejenigen ansprechen, die selbstbewusst und mit einem Augenzwinkern sagen: "Klar, wir sind alt – aber noch topfit!". Wer sich mit unserem Duktus identifizieren kann, der passt auch zu uns. Und wer nicht – tja, der eben nicht... Wir haben übrigens erst vor kurzem eine Befragung unter unseren Mitgliedern zu diesem Thema gemacht. Rund 70 Prozent fanden die Tonalität gut bis sehr gut, 20 Prozent können damit leben. 10 Prozent stören sich daran ein wenig. Und damit können wir gut leben.
Und nicht zuletzt konnten wir allein wegen unserer provokanten Tonalität vor allem in der Anfangsphase von Rent a Rentner unglaublich viel Aufmerksamkeit und PR generieren – und das praktisch ohne jede (Werbe-)Mittel.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Ihre Rentner auch "zur Adoption freizugeben"? War das ein Wunsch von Rentner- oder von Kundenseite?
Der Input kam von beiden Seiten. Heute passiert tatsächlich alles etwas später – vom Erwachsenwerden bis zur Familiengründung. Bis dann endlich mal die Enkelkinder da sind, an denen man sich erfreuen könnte, ist es manchmal schon zu spät für die Grosseltern-Generation. Dabei könnten beide Seiten soviel voneinander profitieren – die Jungen von der Weisheit der Älteren, und die Älteren vom Austausch mit der jüngeren Generation. Wir finden darum die Idee, über Rent a Rentner einen Ersatz-Enkelkind bzw. einen Ersatz-Grossvater zu suchen, einfach wunderbar und eine Bereicherung für beide Seiten.

Wie funktioniert die Adoption eines Rentners genau? Was beinhaltet sie?
Wir verstehen uns dabei als reine Vermittlung. Die registrierten Rentner können sich auf Rent a Rentner zusätzlich als Adoptivrentner anbieten und müssen dafür einen umfassenden Fragebogen ausfüllen, anhand dessen sich dann suchende Eltern den passenden Opi oder die passende Omi für ihr Kind aussuchen können. Ob, und wie man sich dann findet und versteht, ist Sache von Adoptivrentner und Adoptivenkel bzw. dessen Eltern.

Klingt, als würden Rentner bei Ihnen ein bisschen wie Ware behandelt – man kann sie "adoptieren" oder auf dem neu geschaffenen Marktplatz "spezifisch nach Bedürfnissen suchen"...
Um Himmels Willen, natürlich nicht! Die Rentner bei Rent a Rentner sind glücklich und werden in keiner Weise wie Ware behandelt. Ganz im Gegenteil: Wir verstehen Rent a Rentner vor allem als Plattform, um soziale Kontakte zu fördern und Jung und Alt (wieder) zusammenzuführen. Auf dem Marktplatz können ganz spezifische Arbeitsanfragen platziert werden, über die dann all unsere Rentner informiert werden. Und wer Lust hat, kann sich melden.

Gab es seit Ihrem Start 2010 irgendwelche speziellen Anfragen?
Ach, da gab es unzählige lustige Geschichten! Wir hatten alles von jemandem, der einfach nicht allein mit dem Auto nach Spanien fahren wollte und über Rent a Rentner eine lustige Reisebegleitung gesucht hat, bis zu einem Paar, dass sich einen Tag vor der Hochzeit mit ihren Trauzeugen verkracht hatte und kurzfristig neue brauchte...

Gab es auch schon Mietrentner, die sich wieder aus dem "Business" zurückziehen wollten – und wenn ja, warum?
Das hat es natürlich schon gegeben – zum Beispiel, weil man inzwischen doch nicht mehr so fit ist oder einfach nicht mehr soviel Zeit für Nebenjobs hat. Einige Rentner ziehen sich auch deswegen zurück, weil sie über Rent a Rentner schon genügend langfristige Kontakte geknüpft haben und gar keine weiteren Kapazitäten für zusätzliche Anfragen haben.

Ihr Vater ist selbst Rentner, angeblich stammt sogar die Idee für Rent a Rentner von ihm. Ist er auch als Mietrentner im Einsatz?
Die Idee ist bei uns in der Agentur entstanden. Mein Vater fand die Pensionierung fürchterlich und wollte unbedingt weiterarbeiten. Daraufhin haben wir, also Reto Dürrenberger und ich, gemeinsam mit ihm überlegt, was er in Zukunft Sinnvolles machen könnte. Dabei kamen wir auf die Idee, dass es den 1,3 Millionen Rentnern in der Schweiz vielleicht genauso gehen könnte wie ihm. So wurde Rent a Rentner geboren. Mein Vater ist dabei sowohl als Maskottchen als auch Aushängeschild der Firma – und ist selbstverständlich auch selbst als Mietrentner zu buchen!

Haben Sie denn selbst schon mal einen Rentner gemietet? Und wenn ja, für was für Arbeiten?
Ja, natürlich! Privat habe ich schon einen alten Sack für Gartenarbeiten gebucht, eine alte Schachtel für diverse Näharbeiten.

Werden Sie selbst einen Rentner adoptieren?
Wahrscheinlich nicht, weil meine Tochter in der glücklichen Lage ist, über zwei quietschfidele Grossmamis und einen sehr rüstigen Grosspapi zu verfügen. 

Interview: Lea Friberg


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