17.08.2012

Degen-Zwillinge

Tamtam um Interview

Gespräch mit Christian Nill von bar-storys.ch.
Degen-Zwillinge: Tamtam um Interview

Eigentlich wollte Journalist Christian Nill nur ein gemütliches Bargespräch mit den Fussballzwillingen David und Philipp Degen führen. Mittlerweile hat sich das Ganze zu einer veritablen Medienaffäre entwickelt: Nachdem die Degens das Interview nicht zur Veröffentlichung freigaben, entschied sich Nill, es dennoch aufs Netz zu stellen. Mit Drohgebärden erzwangen die Brüder schliesslich die Löschung des Texts. Sogar der Präsident des FC Basel schaltete sich ein. Wieso das ganze Tamtam? Ex-SF-Moderator Christian Nill erklärt’s im Interview mit persoenlich.com.

Herr Nill, Ihr Interview mit den Degen-Zwillingen auf bar-storys.ch hat für viel Gesprächsstoff, rote Köpfe und rechtliche Streiterei gesorgt. Zuerst die Frage: Verstehen Sie eigentlich, wieso die Degens das Interview zurückgezogen haben?

Ja. Zumindest zu einem gewissen Grad. Ich vermute, dass sie sich nicht gewohnt sind, in einem Gespräch – und ich sprach und spreche immer von einem Gespräch – eher von einer menschlichen Seite gezeigt zu werden. Sonst werden sie ja nur im Zusammenhang mit Fussball porträtiert.

War den Degens das Interview zu wenig glattpoliert?

Ich kann da nur Vermutungen anstellen. Aber die Äusserungen von David Degen gehen in diese Richtung. Wenn er im Nachhinein sagte, er stelle sich ein "Interview" zu interessanten und unterschiedlichen Themen vor, dann ist das für ihn offensichtlich in der von mir gewählten Form nicht der Fall. Aus meiner Sicht allerdings schon.

Das Ganze hat eine absurde Komponente: Sie werden von den Degens im Interview explizit gelobt. David Degen sagt etwa: "...ich muss sagen, Sie stellen hochwertige, also die richtigen Fragen."

Das macht das spätere Verhalten der Degen-Zwillinge für mich auch so schwer nachvollziehbar. Das Gespräch wurde in sehr kollegialem, lockeren Ton geführt. Und sie haben mich tatsächlich mehrfach gelobt.

Was war Ihre Absicht mit dem Interview?

Ich gehe jedes Gespräch für bar-storys.ch mit der gleichen Absicht an: Ich will einen Mensch und keinen Funktionsträger treffen. Mich interessieren keine 0815-Äusserungen. Dazu nehme ich mir die journalistische Freiheit heraus, mich subjektiv einzubringen, sprich: etwas zu erwidern oder kontra zu halten.

Was ist Bar-Storys.ch?

Unser Claim lautet: "Alles, was man sagen kann, kann man auch an einer Bar sagen." – Sprich: Es geht schlicht und ergreifend ums Leben. Wir sind an möglichst vielseitigen Menschen und Meinungen interessiert.

Wie sieht die wirtschaftliche Komponente aus?

Das Projekt ist zum jetzigen Zeitpunkt komplett unabhängig. Ich kriege von niemandem einen einzigen Franken. Auch mit den Lokalitäten, in denen wir unsere Gesprächspartner treffen, gibt es bislang noch keine Zusammenarbeit.

Zurück zu den Degens: Haben Sie geahnt, dass zwischen den beiden eineiigen Zwillingen eine spannende innergeschwisterliche Dynamik herrscht?

Dass eineiige Zwillingen ein besonderes Verhältnis haben, ist ja bekannt. Aber zum Verhältnis der Degen Brüder untereinander, hatte im Vorfeld absolut keine Ahnung. Ich kannte die beiden nicht persönlich. Fussball interessiert mich höchstens bei grossen Turnieren. Während des Gesprächs begann mich die Dynamik dann natürlich zu interessieren.

Wie ist das Gespräch zustande gekommen?

Durch eine Kooperation mit "Best of Swiss Gastro", für die ich u.a. als selbstständiger Content-Lieferant tätig bin. Die kamen auf mich zu und sagten, sie hätten die Möglichkeit mir und meinem Fotografen die Degen-Brüder zu vermitteln. Im Gegenzug wollten die Degens ihr neues Business-Projekt vorstellen. Das klang nach einer klassischen Win-Win-Situation. Ihr Business war ja dann auch Teil des Gesprächs. Den Rest der Themen habe ich selber bestimmt. Das war so abgemacht. Logischerweise habe ich auch kritische Fragen zu ihrem Business-Projekt gestellt.

Fussballer, die sich ins Unternehmertum wagen. Sind das nicht einfache Opfer?

Wie meinen Sie das? Wollen Sie mir eine böse Absicht unterstellen? Ich gehe nie mit einer bestimmten These in ein Gespräch. Jemanden fertig machen zu wollen liegt mir völlig fern. Auch bei diesem Gespräch kann mir das niemand unterstellen. Ich hab gefragt, sie haben geantwortet. Alles wurde wie abgemacht aufgezeichnet. Schliesslich habe ich alles haargenau schriftlich wiedergegeben. That’s it. Wie sie sich präsentieren, lag einzig und allein an den Degens. Während des Gesprächs haben wir viel gelacht.

Wenn man Interviews transkribiert, ändert man immer gewisse Dinge. Wie viel haben Sie geändert?

Das ursprüngliche Transkript war mindestens nochmals dreissig Prozent länger als die Originalversion des Gesprächs, die ich auf unsere Plattform gestellt habe. Das heisst: Ich habe verdichtet. Bei diesem Gespräch bin ich aber extrem nah am Transkript geblieben.

In ihrem Interview liegt auch extrem viel in den angefangenen und abgeklemmten Sätzen.

Wie meinen Sie das konkret?

Nun ja, David Degen wirkt sehr dominant.

Ich habe mich für die Form der möglichst exakten Wiedergabe entschieden, weil ich diesen Umstand während des Gesprächs selber auch zum Thema gemacht habe. Ich habe immer wieder gesagt: "Geben wir doch Philipp noch eine Chance, lassen wir ihn jetzt mal zu Wort kommen." Ich habe es als meine journalistische Pflicht erachtet, diese Dynamik offen zu legen.

Ich finde das Interview spannend und bin dankbar, dass ich durch den ganzen Rummel darauf aufmerksam geworden bin. Hat die ganze Geschichte für Sie selbst auch einen positiven Effekt?

Das kann ich aus nahe liegenden Gründen noch nicht abschliessend beurteilen. Tatsache ist sicher: Das Gespräch hat unserer Plattform Bar-Storys.ch Aufmerksamkeit verschafft. Ob das nachhaltig positiv oder negativ ist, weiss ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Die Affäre ist noch nicht ausgestanden.

Was heisst das?

Jetzt kommunizieren die Anwälte miteinander.

Aber Sie haben das Interview ja von der Website genommen!

Ja, das habe ich. Aber das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange betreffend der Forderungen von der Degen-Seite.

Worum geht es denn da noch?

Ich müsse mich darum bemühen, den Zustand vor der Veröffentlichung des Interviews wieder herzustellen. Also als ob das Gespräch nie stattgefunden hätte.

Und wie macht man das?

Ob wir das machen wollen und wie man es machen würde, muss ich zuerst noch mit meinem Anwalt besprechen.

Das Interview schwirrt jetzt durchs Netz. Jeder kann es lesen. Ganz rückgängig machen, so was gibt’s heute gar nicht mehr.

Dafür habe ich zu wenige Kenntnisse im IT-Bereich. Aber ja: Das Gespräch hat nicht nur physisch, sondern auch digital stattgefunden. Dafür habe ich gesorgt.

Jetzt befinden Sie sich mit den Degens im Rechtsstreit. Sind Sie machtlos?

Die Rechtslage ist relativ klar: Das Gespräch hat stattgefunden, die Bedingungen waren bekannt, beide Seiten haben eingewilligt. Mächtig oder nicht mächtig: Es geht um die Argumente. Meine habe ich im Text "Gedanken eines Hampelmanns" festgehalten. Ich frage mich wirklich, ob wir Journalisten nur noch Ausführungsgehilfen für die PR-Wünsche von Prominenten sind. Es gibt kein Vetorecht im Nachhinein! Das Gegenlesen dient nur dem Überprüfen von Fakten. Etwas umzuschreiben oder gar ein ganzes Gespräch zurückzuziehen, ist nicht vorgesehen.

Trotzdem ist es Usus. Wie kann man das ändern?

Meiner Meinung nach, geht es da meistens um Abhängigkeiten. Wir Journalisten nennen uns unabhängig. Tatsächlich sind es aber nur sehr wenige. Da gibt es immer wirtschaftliche Interessen, da gibt’s immer Verbandlungen von einzelnen Verlagshäusern mit irgendwelchen Unternehmen. Das habe ich selber in diesem konkreten Fall erlebt. Von verschiedener Seite habe ich zu hören bekommen: "Hey Christian, ich würde dein Interview sehr gerne weiterempfehlen und auf Facebook 'liken', aber ich kann leider nicht. Mein Arbeitgeber und der FC Basel haben gemeinsame wirtschaftliche Interessen."

Sind Sie stolz auf das Interview?

Das wäre etwas übertrieben formuliert. Ich bin immer dann zufrieden, wenn ich das Gefühl habe, ich hätte etwas Neues aus einer Persönlichkeit herausgeholt. Das ist mir bei diesem Gespräch auf jeden Fall gelungen. Es zeigt die Degens so, wie sie sonst nur engere Freunde und ihre Familie kennen. Und ich finde, in ihrem Fall hat die Öffentlichkeit ein Recht darauf zu erfahren, wie sie so ticken.

Interview: Adrian Schräder


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