08.04.2015

NZZ

"Der Verwaltungsrat soll die Nomination von Tobias Trevisan und Gerhard Schwarz prüfen"

Vier Monate nach der misslungenen Einstellung von Markus Somm als Chefredaktor findet am Samstag die mit Spannung erwartete GV statt. Für Diskussionen dürfte der Antrag der "Freunde der NZZ“ führen, welche eine einjährige Amtsdauer für alle Verwaltungsräte fordert. Edwin van der Geest, Gründungsmitglied der "Freunde der NZZ“, glaubt, dass es im Verwaltungsrat an "verlegerischem und publizistischem Know-how“ fehlt. Zudem fordert er von CEO Veit Dengler noch dieses Jahr wirtschaftliche Erfolge.
NZZ: "Der Verwaltungsrat soll die Nomination von Tobias Trevisan und Gerhard Schwarz prüfen"

Herr van der Geest, am Samstag findet im Zürcher Kongresshaus die mit Spannung erwartete Generalversammlung der NZZ statt. Sie verlangen dabei, dass sich alle Verwaltungsratsmitglieder der Wiederwahl stellen. Warum?
Der Verwaltungsrat der NZZ hat aufgrund der Ereignisse rund um den Posten des Chefredaktors einen Vertrauensverlust erlitten. Viele Aktionäre, Leser, Inserenten und auch die Mitarbeiter wurden verunsichert. Wir sind deshalb der Meinung, dass sich an der kommenden Generalversammlung jeder Verwaltungsrat der Vertrauensfrage - sprich der Bestätigungswahl - stellen muss, damit wieder Ruhe in die Gesellschaft einkehrt. Nur so kann der Verwaltungsrat die eingeschlagene Strategie mit dem nötigen Rückhalt umsetzen. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass die Amtsdauer der Verwaltungsräte generell ein Jahr betragen sollte, denn gerade in der heutigen schnelllebigen und sich stark wandelnden Medienwelt muss auch die Zusammensetzung des Verwaltungsrates flexibel sein.

Unterstützen die "Freunde der NZZ“ alle Verwaltungsratsmitglieder?
Wir geben diesbezüglich keine Empfehlungen ab. Grundsätzlich sind wir aber der Meinung, dass es im VR der NZZ an verlegerischem und publizistischem Know-how fehlt. Wir würden es sehr begrüssen, wenn der Verwaltungsrat die Nomination von Persönlichkeiten wie Tobias Trevisan (früherer Leiter des Bereichs "Verlag Zeitungen" bei der NZZ sowie ehemaliger FAZ-Chef) und Gerhard Schwarz (ehemaliger Wirtschaftschef der NZZ und CEO von Avenir Suisse) prüfen würde.
 
Wieviele Aktien vereinigen Sie?
Die drei Initianten der IG halten knapp 2 Prozent der NZZ-Aktien. Unsere Anliegen werden von zahlreichen Aktionären unterstützt, wobei jeder Aktionär eigenständig denkt und handelt. Wir sind weder eine Gruppe noch ein Verein mit Mitgliedern. Unser Traktandierungsbegehren wurde in diesem Fall von rund 30 Aktionären, die zusammen über 10 Prozent der NZZ-Aktien halten, mitunterschrieben.

Edwin van der Geest ist Gründungsmitglied der "Freunde der NZZ".

Den "Freunde der NZZ“ wird eine Nähe zu SVP-Kreisen nachgesagt. Inwiefern ist dies der Fall?
Das ist ein Unsinn, der seit 10 Jahren immer wieder gerne kolportiert wird. Wir sind engagierte Aktionäre, alle drei parteilos und Unternehmer. Unsere Absichten und Ziele sind auf unserer Webseite klar definiert . Wir wünschen uns ein lebendiges Aktionariat, das sich aktiv für das langfristige Wohl der NZZ einsetzt.
 
Wie standen Sie der Nomination von Markus Somm als NZZ-Chefredaktor gegenüber?
Wir waren sehr überrascht, dass sich der Verwaltungsrat ernsthaft mit der Evaluation eines Nachfolgers von Chefredaktor Markus Spillmann beschäftigt hatte, ohne sich mit dem Redaktionsstab des Hauses abzustimmen. Wir verstanden auch nicht, dass das neunköpfige Gremium einen Kandidaten in Erwägung ziehen konnte, der derart polarisiert wie der Chefredaktor der Basler Zeitung.

Was erwarten Sie von der NZZ-Redaktion?
Die NZZ ist eine Zeitung, die liberal denkenden Menschen hilft, sich eine eigene Meinung zu bilden. Es ist kein Blatt, das einem sagt, wie man denken soll. Dafür gibt es andere Medien.

Sind Sie zufrieden mit der Wahl der jetzigen Führungsspitze?
Es ist zu früh, um darüber etwas zu sagen. Eric Guyer und Felix E. Müller sind auf jeden Fall äusserst fähige Leute. Die neue Online-Chefin Anita Zielina kennen wir nur aus den Medien. CEO Veit Dengler muss dieses Jahr erste Erfolge seines Wirkens zeigen können.
 
Wie beurteilen Sie aus Aktionärssicht die ganzen Wirren um die Absetzung von Markus Spillmann?
Ich komme zum Anfang zurück: Es resultierte eine starke Verunsicherung. Der Verwaltungsrat muss sich das Vertrauen zurückholen. Deshalb ist es uns wohl, wenn wir den gesamten Verwaltungsrat neu künftig jährlich im Amt bestätigen können.
 
Wie beurteilen Sie die wirtschaftliche Situation der NZZ-Gruppe?
Die Transformation in die digitale Welt und die Anpassung an das Nutzerverhalten sind ein sehr anspruchsvolles Unterfangen. Die NZZ-Gruppe hat jedoch eine sehr solide Bilanz und die notwendigen Mittel, mit einer richtigen Strategie den Wandel zu schaffen. Was wir allerdings stossend finden, ist die Tatsache, dass in dieser Umbruchphase die Entschädigungen für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung stark gestiegen sind. Wir wundern uns auch, dass Verwaltungsrat und Geschäftsleitung selber nur sehr wenige Aktien des Unternehmens halten.   
 
Interview: Matthias Ackeret.


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