08.10.2006

Bundesrat Blocher

Auf dem hohen Seil

Analyse des Auftritts in Kloten von Marcus Knill.

Wir haben schon viele Auftritte des Vollblutrhetorikers Blocher beobachtet und analysiert. Der Auftritt in Kloten anlässlich der Medienkonferenz nach seiner Rückkehr aus der Türkei war ein aussergewöhnlicher Anlass. Er zählte nicht zu den üblichen Albisgütliauftritten. Uns interessierte es, live zu erleben, wie sich ein Bundesrat Blocher der Fülle von happigen Vorwürfe stellen wird. Nachdem er in Ankara als Justizminister die Anti-Rassismus-Strafform öffentlich in Frage gestellt hatte, kam es während der letzten Tage in der ganzen Schweiz zu einer Woge von Protesten und es hagelte harsche Kritik.

Blochers 'Botschaftenmanagement'

Die Medienbotschaften hatte Bundesrat Blocher minutiös vorbereitet. Entschlossen und mit ernster Mine begab er sich zum Mikrofon. Blocher unterstrich: Der Besuch war ein Erfolg! Die Beziehung mit der Türkei ist heute entkrampfter. Es wird sogar zu einem Gegenbesuch kommen.

Die Botschaft: "Man muss als VORBLID führen", wiederholte Blocher auch nach der Präsentation, in der Fragerunde und in den meisten Interviews: "Ich weiss dies als Wirtschaftführer, dass man nur als VORBILD etwas erreichen kann. Man erreicht auch als Bundesrat wenig, wenn man ständig nur mit dem Zeigefinger andere belehrt. Ein Chef, der selbst in einem bescheidenen Büro sitzt, muss die Untergebenen nicht zur Bescheidenheit auffordern." Auch die Schweiz muss bei der Meinungsäusserungsfreiheit Vorbild sein. Eine "Diplomatie des VORBILDES" ist gefragt!

Diese Aussage wurde zur Kernbotschaft: Die Meinungsfreiheit darf nicht durch Verbote unnötigerweise gefährdet werden. Der Gedanke gipfelte im Satz: "Ich habe keine Angst vor andern Meinungen -- nur vor verbotenen Meinungen." Was uns auffiel: Blocher trug seine Schlüsselbotschaften, die bereits schriftlich vorlagen, inhaltlich synchron nochmals bei der mündlichen Präsentation vor, lediglich in einer anderen Form. Seine Bilanz war keine Vorlesung, sondern ein wohlbedachtes Vortragen der wenigen Botschaften.

Den ersten Teil seiner Bilanz meisterte Blocher in üblicher Manier. Nach vorn gebeugt, die Arme meist auf dem Tisch abstützend, wiederholte er seine Kernaussagen und verankerte sie oft mit konkreten Beispielen. Vorwürfe, wie er habe im Alleingang -- ohne Absprache mit dem Gesamtbundesrat -- gehandelt, entkräftete er mit einer Vorwegnahmetaktik, indem er mehrmals betonte, dass der Besuch mit dem Bundessrat abgesprochen war.

"Den grossen Rummel" machte Blocher mit zurückgenommener Lautstärke zu einem "kleinem Wirbel" (Abschwächungstaktik) und ergänzte nur so beiläufig: "Wissen Sie, man schlägt den Sack und meint den Esel" (Er sagt damit, dass das Ganze nur ein Spiel gegen seine Person sei). Die Frage, ob er auch die Lage der Menschenrechte in der Türkei angesprochen habe, beantworte er noch im Referat mit einem deutlichen Nein. "Ich reise nicht in ein anderes Land und zeige mit dem Finger auf andere", sagte der Justizminister. Wichtiger sei es, ein VORBILD abzugeben.

Die Lenkungstechniken beim Antworten

Bei der Fragerunde war gut sichtbar, dass der Bundesrat unter grösserem Druck stand. Der gewiefte Rhetoriker verliess in heiklen Situation immer das gefährliche dünne Eis und lenkte mit seiner Antwort sofort wieder auf sicheres Terrain zurück. Unterstellungen erkannte er, entlarvte sie, stoppte unliebsame Fragen mit einem konsequenten NEIN oder, indem er die Frage abqualifizierte.

Erstaunlich, wie es Blocher immer wieder verstand, in den Antworten seine Kernbotschaften geschickt einzubauen (Wiederholungstaktik). Zur Frage, weshalb er sich ausgerechnet in der Türkei Neuigkeiten verlauten liess, antwortete Blocher: Man darf auch im Ausland nachdenken - auch laut, vor allem, wenn man den Gedanken schon in der Schweiz ausgesprochen hat.



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