Ein Tonicwater schmeckt bittersüss und spritzig, mit einer charakteristischen herben Note. Passt diese Beschreibung auf die neue Soundagentur Toniq?
Kilian Spinnler: Wir kombinieren frische Zutaten – in unserem Fall Sounds und Musik. Ein Tonic hat gewiss eine herbe Note. Diese verbinden wir damit, dass wir mit unseren Sounds Haltung auf der beratenden Seite einnehmen. Die Wirkung entfaltet sich wie bei einem Tonic, wenn es mit etwas anderem zusammenkommt – in unserem Fall mit einer Marke, einem Film oder Werbespot.
Wie entstand der Name Toniq?
Philipp Schweidler: Bei der Kreation einer neuen Marke müssen ja auch formale Bedingungen erfüllt sein: eine gescheite Domain, SEO, markenrechtliche Unbedenklichkeit. Bekanntermassen eine nicht ganz triviale Aufgabe. Irgendwann kam Kilian mit der Idee eines Wortspiels zwischen «Ton» und «Music». Mit «Q» geschrieben fühlt sich der Name prägnant und gut an. Zusammen mit der gerade zitierten Brandstory war es dann klar. Und toniq.ch finden wir auch nicht so schlecht.
«Wir stellten fest, dass wir sogar für gleiche Projekte pitchten»
Toniq ist der Zusammenschluss aus den Agenturen Department of Noise (DoN) und Stereotyp (persoenlich.com berichtete). Was hat konkret den Ausschlag zur Fusion gegeben?
Spinnler: Man kennt sich, die Szene ist nicht so gross. Wir stellten fest, dass wir sogar für gleiche Projekte pitchten. Da fragten wir uns: Warum gegeneinander, wenn es zusammen viel schöner ist? Vor knapp einem Jahr begannen wir miteinander zu sprechen, wie ein Zusammenschluss aussehen könnte und was die Welt davon hätte: das Angebot ausbauen, Synergien nutzen und so weiter.
Schweidler: Wir merkten schnell, dass wir ähnliche Werte und Visionen teilen, wie man die Kommunikationswelt mit gutem Sound aufwerten kann. Sound und Musik können etwas, was keine andere Designebene kann: Menschen emotional verbinden – sowohl untereinander als auch mit Marken. Stereotyp war bisher vor allem im Kampagnenbereich tätig und bewegte sich in Richtung Branding. Wir bei DoN haben uns in den letzten Jahren hauptsächlich der Markenarbeit gewidmet. Uns wurde bewusst, dass diese komplementäre Ausrichtung zusammengeführt viel Potenzial hat. Wir können emotionale Kontinuität einer Marke über alle Touchpoints hinweg mit dem kreativen Zentrum einer übergreifenden Idee verbinden.
Lief das Geschäft bei beiden Agenturen so schlecht, dass Sie fusionieren mussten, um zu überleben?
Schweidler: Im Gegenteil, beide Parteien hatten funktionierende Geschäfte, entsprechend bringt der Zusammenschluss auch recht wenig Risiko mit sich. Aber es bot sich einfach wie auf dem Silbertablett an, etwas Neues zu schaffen, zusammen weiterzuwachsen und voneinander zu lernen. Konstante Weiterentwicklung macht das Leben lebenswert. Zudem können wir nun ein in der Schweiz wahrscheinlich einmalig umfassendes Angebot in unserem Bereich schaffen.
«Musik ist unser aller Leidenschaft und treibt uns seit jeher an»
Sie haben alle einen Background in der Musikszene. Wie wichtig sind diese Wurzeln für Ihre Arbeit?
Spinnler: Musik ist unser aller Leidenschaft und treibt uns seit jeher an. Unser dritter Partner Dominique und ich stehen oft mit unserer Band Klischée auf der Bühne. Dort erleben wir ganz direkt, was man mit Musik erreichen kann. Das gibt uns wertvolles Know-how für andere Situationen – sei es bei Filmvertonungen, Markensound, Soundlogos oder Sonstigem.
Schweidler: In meiner Zeit als Bassist und Musikproduzent habe ich wohl über 400 Konzerte mit Seven gespielt, von Deutschland über Österreich und England bis hin zu Amerika, und Dutzende Alben mit den verschiedensten Künstlern realisieren dürfen. Auch unser vierter Partner Florian hat unzählige Konzerte und Musikproduktionen – unter anderem für Fettes Brot und Bligg – auf dem Buckel. Dieses gemeinsame Fundament mündet in einer ähnlichen Sprache und gibt uns Authentizität in dem, was wir machen.
Was könnte denn nun Neues entstehen: Branding-Kampagnen oder Kampagnen-Branding? Was liegt dazwischen?
Schweidler: (Lacht.) Wir sehen unser Potenzial neben den nun vereinten Einzelkompetenzen vor allem in der zusammenhängenden Art und Weise, wie man mit Sound und Musik in der Kommunikation umgehen kann. Ein roter Faden in der Wahrnehmung hilft eben schon sehr beim Aufbau von Vertrauen und Loyalität. Wir sind ein einzigartiger One-Stop-Shop in der Schweiz: von strategischem Soundbranding über Kampagnenmusik bis hin zur Kuration von In-Store Music, Audio-Post-Production und Brand-Voices. Und wir bringen auch viel Erfahrung im Bereich Music Rights und Licensing mit. Wir müssen nichts behaupten, sondern können auf einen gut gefüllten Rucksack mit Referenzen verweisen.
In der Mitteilung sprechen Sie von einer Art verbindenden Superkraft von Sound. Können Sie das an konkreten Beispielen aus Ihrer Arbeit erläutern?
Schweidler: Musik kann etwas, was keine andere Design- oder Sinnesebene kann. Sie wirkt sehr schnell, sehr direkt und emotional auf uns Menschen, schafft sofort Assoziationen und Erinnerungsanker. Jede Marke möchte in ihrer Aussenwahrnehmung positiv, kredibel und «top of mind» sein – oder werden.
Was unterscheidet Sie von klassischen Musikproduktionen?
Spinnler: Der Ansatz ist ein anderer. Als freier Künstler kann und will man sich selbst verwirklichen. Bei Toniq ist der Anspruch, durch gezielte Beratung das Bedürfnis des Kunden zu erkennen und dafür massgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.
«Wir kennen die soziokulturellen Begebenheiten zwischen Wallis und Thurgau»
Mit Toniq entsteht laut Ihren Angaben die grösste Schweizer Soundagentur. Wie sehen Sie Ihr internationales Potenzial?
Schweidler: Das ist grundsätzlich schon immer eine Ambition. Gleichzeitig ist der Schweizer Standort preislich natürlich eine Herausforderung gegenüber anderen europäischen Anbietern. Zudem arbeitet zum Beispiel ein deutsches Unternehmen eben auch gerne mit einem Partner zusammen, der die lokalen Begebenheiten kennt. Für den Schweizer Markt ist dieser Umstand dann natürlich auf unserer Seite: Wir kennen die soziokulturellen Begebenheiten zwischen Wallis und Thurgau und können auch mit Vielsprachigkeit bestens umgehen.
Mit welchem Argument wollen Sie dann punkten? Swiss made – und das hat seinen Preis?
Schweidler: Sicher können wir als verlässlicher Partner mit gutschweizerischen Werten punkten. Das Wichtigste sind aber einfach gute Ideen, gute Lösungen und gutes Design. Und dabei können und wollen wir nicht die günstigsten, sondern die Besten sein.
Wechseln wir zum Thema künstliche Intelligenz. Welche Rolle spielt KI heute in der Soundproduktion?
Spinnler: Das ist ein spannendes Thema, das uns sehr interessiert. Wir beobachten die Entwicklung und experimentieren mit verschiedenen Tools als Sidekicks bei der Ideenfindung. KI soll nicht unser Feind sein, sondern eher unser Freund. Aber Vorsicht ist geboten, für viele Projekte ist eine generische KI-Lösung unzureichend. Es braucht Massgeschneidertes, das man direkter gestalten und anpassen kann. Zudem ist die rechtliche Situation in vielen Anwendungsbereichen noch völlig unklar.
Die KI ist «einfach eine statistische Verquastung der Vergangenheit» und damit eben nur Mainstream, sagte Dorothea Baur, Expertin für Ethik und künstliche Intelligenz, in einem persoenlich.com-Interview. Wenn Sie nun KI bei der Ideenfindung einsetzen, laufen Sie da nicht Gefahr, nur noch Durchschnitt zu produzieren?
Schweidler: Eine schöne, provokative Frage (lacht). KI ist wie gesagt ein guter Ideengeber auf übergeordneter Ebene, weil man sehr schnell testen kann, ob etwas grundsätzlich funktioniert. Dann beginnt aber die eigentliche Arbeit: die Entwicklung exklusiver Elemente, die aus dem Grundrauschen herausstechen und sich im Markt differenzieren.
Spinnler: Die Melodie ist dabei ja nur ein Aspekt. Uns interessiert auch besonders das Sounddesign – wie der Klang gestaltet wird, zum Beispiel als Klavierton oder Synthesizer.
«Alles ist kurzfristiger und erratischer geworden»
Wir haben jetzt Anfang 2025. Was sind Ihre Wünsche an die Werbeauftraggeber und die Agenturen?
Schweidler: Längerfristigkeit in der Markenkommunikation. Alles ist kurzfristiger und erratischer geworden. Gerade bei der Markenarbeit sollten Ideen und Strategien jedoch reifen können – auch empfängerseitig. Konditionierung braucht Zeit.
Kreativität hat ja nicht immer gerne Stress …
Schweidler: Wahre Kreativität entsteht ja eigentlich dann, wenn sie zweck- und zeitungebunden passiert. Nun ist ja der Zweck bei unserer Arbeit immer klar, aber Zeit hilft natürlich, damit etwas schlüssiger und ausgereifter wird. Gleichzeitig kann unter Zeitdruck auch Frisches und Ungehobeltes entstehen, was in zu vielen Iterationsrunden wiederum an Schlagkraft verliert.
Spinnler: Ich wünsche mir natürlich, dass Musik häufiger ins Ideenzentrum gestellt wird und Kampagnen darauf aufbauen – und nicht umgekehrt.
Und Ihre Vorsätze?
Schweidler: Wenn man eine neue Firma lanciert, halst man sich eine To-do-Liste von Zürich bis nach Honolulu auf. Dabei ist bei allen Beteiligten aber auch ein wunderbarer, frischer Drive entstanden. Diesen wollen wir nun nach aussen tragen und weiter ausbauen.
Zurück zum Tonicwater: Es gibt eines mit Ihrem Agenturnamen, das in ausgewählten Bars erhältlich sein wird. Bringt das was?
Schweidler: Ein gutes Tonic gehört in gute Bars. Das Schöne am Toniq-Thema ist ja, dass sich immer wieder neue Geschichten drum herum spinnen lassen. Und Zürich ist halt einfach eine Gin-Tonic-Stadt. Möglich wurde unser fast eigenes «Toniq» übrigens durch die schöne Kooperation mit HG Hildebrandt vom lokalen Hersteller Gents.
Wird es bald auch eine Toniq-Band geben? Philipp Schweidler als Bassist …
Schweidler: ... und Florian als Gitarrist ...
Spinnler: ... ich bin Saxofonist und Dominique Pianist. Wir nehmen das mal so auf die Feierabend-To-do-Liste (lacht).