26.04.2011

"Die BPRA-Agenturen sehen sich mit verstärktem Wettbewerb konfrontiert"

Am Montag veröffentlichte der Bund der Public Relations Agenturen der Schweiz (BPRA) die neusten Zahlen zum PR-Markt Schweiz. Wurde die Branche 2009 noch tüchtig durchgerüttelt, gibt es nun Anzeichen einer Stabilisierung. Die Honorarerträge gingen im letzten Jahr nur marginal zurück. Roman Geiser, Präsident des BPRA und Chairman von Burson-Marsteller Schweiz, erklärt gegenüber "persoenlich.com" die wichtigsten Veränderungen, Herausforderungen und Trends. Das Interview:
"Die BPRA-Agenturen sehen sich mit verstärktem Wettbewerb konfrontiert"

Herr Geiser, wie haben sich die PR-Agenturen 2010 generell geschlagen?

Die erfolgsverwöhnte Branche musste in den Jahren 2008 und 2009 mit nur 0,1 Prozent Wachstum respektive einem Rückgang von 9 Prozent einen Dämpfer hinnehmen. Immer noch weniger als andere Kommunikationsdisziplinen, aber trotzdem deutlich. In diesem Kontext hat sich die Branche im letzten Jahr dank der positiven Wirtschaftsentwicklung gut geschlagen. Es gibt jedoch keinen Königsweg. Jede Agentur ist ihren eigenen Weg durch die Wirtschaftskrise gegangen und es gibt in allen Kategorien Umsatzgewinner und Verlierer.

Wie lassen sich die Veränderungen im Vorjahresvergleich erklären?

Die wirtschaftliche Erholung erfasste insbesondere auch in der zweiten Jahreshälfte die meisten Agenturen. Der Mitarbeiterbestand in den führenden Agenturen der Schweiz ist leicht gestiegen und die Branche stellt sich auf moderates Wachstum ein. Das Geschäftsjahr 2010 war das 'Jahr 1 nach der Wirtschaftskrise'. Dieses erlaubte keine grossen Sprünge, aber doch schrittweise Verbesserung. Der Bedarf nach Reputationsmanagement und Vertrauensaufbau ist gerade nach den Krisenjahren deutlich sichtbar.

Wo liegen die grösste Herausforderung für die Branche?

Eine der grössten Herausforderungen der Branche besteht darin, sich im Dreieck von Digitalisierung, Spezialisierung und Befähigung zum Full-Service richtig zu bewegen. Dann braucht die Branche weiterhin die allerbesten PR- und Kommunikationsexperten als Berater. Diese zu finden ist nicht einfach. Mit diesem Punkt einher geht die Herausforderung, einen Wissens- uns Erfahrungsvorsprung gegenüber den Kunden zu bewahren. Sei es über Erfahrung, Research, Studien oder neue Kommunikationsansätze.

Welches waren 2010 die wichtigsten Auftraggeber?

Die Mitgliederbefragung zeigt auf, dass die Branchen Energie, Pharma, Medizinaltechnik, Chemie, die öffentliche Hand sowie Organisationen der Wirtschaft weiterhin zu den wichtigsten Auftraggebern gehören. Generell kann man sagen, dass Branchen oder Einzelunternehmen, die sich mit komplexeren regulativen Fragen, einem dynamischen Stakeholder-Umfeld oder technisch-wissenschaftlichen Themen beschäftigen, die Unterstützung von PR-Agenturen suchen. Je komplexer dass Geschäftsmodell und das Umfeld, um so dichter der Beratungsbedarf.

Hat sich der Wettbewerb im vergangenen Jahr verschärft?

Die BPRA-Agenturen sehen sich mit verstärktem Wettbewerb konfrontiert. Trotzdem gelang es einen Pro-Kopf-Umsatz zu erwirtschaften, der deutlich über jenem von Einzelberatern oder Kleindienstleistern liegt. Die Qualitätsoffensive des BPRA mit der CMS-Zertifizerung zahlt sich aus, und Kunden schätzen die Verlässlichkeit und das Qualitätsniveau der im Verband zusammengeschlossenen führenden Anbieter im Markt. Verschiedene andere Anbieter aus Werbung, Unternehmensberatung, Online-Agenturen oder eine Vielzahl von Einzelanbietern, meist ehemalige Journalisten, versuchen in den interessanten PR-Beratungsmarkt vorzudringen. Die Agenturen behaupten die Stellung.

Was sind die aktuellen Trends der Schweizer PR-Branche?

Der Markt ist volatiler und projektbezogener geworden. Dies führt dazu, dass Agenturen in der Lage sein müssen, in kürzester Zeit komplexe Projekte zu bewältigen. Ein zweiter Trend ist Full-Service: Kunden fragen sowohl Strategie- und Beratungskompetenz wie auch die Umsetzungsfähigkeit ein. Nur Strategie- oder nur Umsetzung wird im Markt zwar angeboten, für ein sinnvolles Agenturmodell braucht es beides. Und dann ist natürlich das Thema Social Media ein Trend .

Was sind die größten Wachstumstreiber?

Ein Vierklang: Erstens anspruchsvolles Reputationsmanagement im Nachgang zur Wirtschaftskrise. Zweitens die Herausforderungen der Online-Kommunikation und der Social Media. Drittens Public-Affairs oder das Bedürfnis von Unternehmen und Organisationen, sich durch ein ständig komplexer werdendes gesellschaftliches und regulatives Umfeld zu bewegen. Viertens Krisen- und Issue-Management. Schliesslich wird auch das Wahljahr positive Auswirkungen haben.

Können Sie auf die rasante Entwicklung im Online-Segment näher eingehen?

Public Relations ist per Definition dialogisch ausgerichtet und wenn sich die PR-Branche richtig positioniert, wird sie vom Wachstum in diesem Bereich überdurchschnittlich profitieren. Dieser Trend ist jetzt schon spürbar. Andere Kommunikationsdisziplinen müssen den Weg, weg von der Massenkommunikation hin zum dialogischen Stakeholder-Management zuerst lernen. Wir waren schon immer dort zu Hause und fühlen uns kompetent in der Pflege von Anspruchsgruppen, im Umgang mit Diskurs oder in der dialogischen Entwicklung von Inhalt und Meinungen.

Eine der grossen Herausforderungen für viele Agenturen ist die Rekrutierung qualifizierter Mitarbeiter. Haben die PR-Agenturen als Arbeitgeber an Attraktivität eingebüsst?

Nein, überhaupt nicht. Agenturen werden überflutet von Bewerbungen. Ehemalige Journalisten versuchen sich im Beratungsmarkt, die Hörsäle sind voll von Studenten aus Publizistik und Lehrgänge zu Kommunikation schiessen aus dem Boden. Die Herausforderung der führenden Agenturen ist es, qualifizierte Mitarbeitende zu finden, die zusätzlich Beratungskompetenz, Konzeptionsfähigkeit, das Denken in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen und Praxiserfahrung mitbringen. Ein nicht ganz einfaches Profil.

Man hört immer wieder, dass die Preisverhandlungen seit dem Krisenjahr 2009 teilweise unmoralisch geworden sind. Ihre Beurteilung?

Nur in einem gewissen Sinne: Wer Commodity-Preise zahlt, erhält Commodity, und diese wird im Markt auch angeboten. Wer echte Beratung, ehrliche Aussensicht und Befähigung zur Lösung komplexer Kommunikationsherausforderungen sucht, ist auch weiterhin bereit, die marktüblichen Stundensätze zu zahlen. Stundensätze stehen bei gut geführten Agenturen in direktem Zusammenhang mit dem Ausbildungs- und Kompetenzprofil der Mitarbeitenden und es wäre kurzsichtig für uns Agenturen, dieses people capital zu verschleudern.

Zum Abschluss: Wie bewerten Sie heute das Image der PR-Branche in der Öffentlichkeit?

Um mit einem Bild zu antworten: Uns geht es ähnlich wie den Kindern eines Schuhmachers. Obwohl wir gut darin sind, Schuhe zu reparieren, ist das eigene Schuhwerk dann und wann etwas löchrig. Wichtiger noch ist aber der Umstand, dass wir PR-Berater zu einem grossen Teil eng verknüpft sind mit Handlungsträgern und Entscheidern aus Wirtschaft und Politik. Dies schafft sowohl ein Quäntchen Neid wie auch Angriffsfläche und Kritik. Die Wirtschaft steht in der medialen und öffentlichen Kritik. Dieser haben auch wir uns zu stellen.

Interview: Christian Lüscher


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