30.11.2020

Serie zum Coronavirus

«Die Wirtschaft wird gestärkt aus der Krise herausgehen»

Folge 142: Der bekannte Kommunikationsberater Victor Schmid, Partner bei den Konsulenten, fordert in seinem Buch «Klartext» weniger Schönreden. Vor allem nach Corona.
Serie zum Coronavirus: «Die Wirtschaft wird gestärkt aus der Krise herausgehen»
«Das Buch ist kein Marketinginstrument, sondern ein Beitrag zu einer aus unserer Sicht wichtigen Diskussion», sagt Schmid im Interview. (Bild: zVg.)

Herr Schmid, der Titel Ihres Buches lautet «Klartext. Schönreden war gestern». Was heisst das, wir befinden uns momentan in einer kommunikativen Zeitenwende?
Man könnte das so sehen und das versuchen wir, im Buch mit Beiträgen von 26 Persönlichkeiten aufzuzeigen. Diese wohl seit dem Zweiten Weltkrieg absolut einmalige Situation der Corona-Pandemie hat die Anforderungen an die Kommunikation mit Anspruchsgruppen aller Art ziemlich verändert. Neuste Befragungen zeigen, dass Menschen noch viel weniger als vorher «Schönreden» akzeptieren. Man will Klartext über das, was ist und keine opportunistische «Verwedelung» von Tatsachen. Die Situation hat auch das Potenzial, dass sich Menschen wieder stärker als Bürgerinnen und Bürger verstehen und Ansichten artikulieren.

Kommunikationsberater gelten im Volksmund oftmals auch als «Schönredner». Hat sich die Kommunikationswelt durch die ganze Pandemie verändert?
Die oftmals verzweifelten Kommunikationsversuche einzelner Exponenten, die sich doch hie und da sehr unbeholfen gegen die Unternehmensverantwortungsinitiative stellten, zeigen doch auf, dass das so nicht mehr funktioniert. Gerade Unternehmen müssen heute eine andere Sprache sprechen. Leider haben das etliche Kommunikatoren, Absender von Botschaften noch nicht gemerkt und versuchen immer noch Dinge schönzureden und verschliessen die Augen vor den veränderten Realitäten. Unternehmen müssen heute zeigen können, dass sie relevant sind für eine Gesellschaft und Menschen mitnehmen können durch glaubwürdige Auftritte. Das geht mit Schönreden nicht mehr.

In Ihrem Buch nehmen Sie sehr viel Bezug auf die Jetztzeit. Was hat Sie bewogen, dieses Buch gerade jetzt herauszugeben?
Als wir im April gesehen haben, was Corona mit unserer Gesellschaft und den unterschiedlichen Anspruchsgruppen macht, waren meine Partner sofort überzeugt, dass gerade jetzt sich etwas akzentuieren könnte, wovon wir eigentlich schon lange überzeugt waren, eben, dass in solchen Situationen nur Klartext ankommt.

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Was ist für Sie erfolgreiche Kommunikation?
Klartext mit relevanten Inhalten. Nicht um den Brei herumreden. Persönlichkeiten, die bereit sind über Probleme und Fehler in ihren Unternehmen oder ihrer Politik zu sprechen und sich glaubwürdig bemühen, Menschen ernst zu nehmen und sie nicht einfach als Zielgruppen für ihre Produkte oder ihre Interessen zu sehen.

Sie waren früher selber einmal Bundesratsberater. Wie würden Sie den Job der Landesregierung in der jetzigen Situation beurteilen?
Die Landesregierung hat aus meiner Sicht so gehandelt, wie es dem schweizerischen demokratischen Verständnis entspricht. So viel Eigenverantwortung wie möglich, so viel Direktiven wie nötig. Den Mut, in einer solchen Situation den Mittelweg zwischen wissenschaftlicher Expertise und direktdemokratischer Errungenschaften zu finden, finde ich grossartig. Die Kommunikation des Bundesrates war nie selbstherrlich und hat immer aufgezeigt, dass es eine Gratwanderung ist mit vielen Unbekannten und dass vieles in der Verantwortung jedes Einzelnen bleiben soll. Unsere vielen Kontakte zu unseren politischen und wirtschaftlichen Beratern in Nachbarländern zeigen uns, dass dieser Weg bewundert wird, auch wenn er vielleicht kurzfristig mal zu höheren Fallzahlen führt. Insgesamt hat die Schweiz die Kurve bis jetzt gut gekriegt und den Support der Bevölkerung zu freiwilliger Verantwortung optimal erhalten. In umliegenden Ländern herrscht staatliche Verordnung bis ins Detail – mit dem Resultat, dass die Bevölkerung unwillig Massnahmen im privaten Bereich unterläuft. Mittelfristig wird der schweizerische Weg erfolgreich sein.

Gäbe es kommunikativen «Nachholbedarf»?
Wenn, dann allenfalls in der aktiven Erklärung des Vorgehens, vor allem gegenüber internationalen Medien, die einfach die direktdemokratische Tradition der Schweiz überhaupt nicht kennen und dadurch falsche Schlüsse ziehen. Der Weg des Bundesrates war nie unverantwortlich, aber das Mass an Eigenverantwortung hat in vielen Ländern eben keine Tradition. Wenn eine Bevölkerung gewohnt ist, auch über Steuererhöhungen abzustimmen und so gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, ist das eine Errungenschaft, die man nie genug vermitteln kann.

«Ich würde Bundesrat Berset empfehlen, das Ganze auf sich beruhen zu lassen»


Was würden Sie Herrn Bundesrat Berset nach der Weltwoche-Story raten?
Die Schweiz hat zum Glück einen wenig ausgeprägten Hang zu bigotten Urteilen. Man billigt auch einem Politiker ein hohes Mass an Privatsphäre inklusive allfälliger privater Misstritte zu. Daher würde ich Bundesrat Berset empfehlen, das Ganze auf sich beruhen zu lassen. Er muss selber damit klarkommen. Eine Staatsaffäre ist das nicht.

In Ihrem Buch kommen verschiedene Persönlichkeiten wie beispielsweise FDP-Präsidentin Gössi, der langjährige SP-Chef Christian Levrat oder der Künstler Thomas Hirschhorn zu Wort. Wie haben Sie diese ausgewählt?
Wir wollten eine möglichst breite Palette von Persönlichkeiten zu Wort kommen lassen zum Thema Klartext. Die Gedanken von Christian Levrat oder dem derzeit weltweit anerkanntesten Schweizer Künstler Thomas Hirschhorn und dem Bundeskanzler in einem Buch vereint zu haben, schien uns für sich selbst zu sprechen. By the way: Thomas Hirschhorn findet das Konzept «Klartext» völlig uninteressant und entwickelt seine eigene Antithese dazu. Gerade solche Auseinandersetzungen mit dem Thema fanden wir spannend und sie machen das Buch vielfältig, was uns erste Leserkommentare begeistert zurückmeldeten.

«Gerade die pragmatische Haltung in der Krise ist eine Stärke der Schweiz und ihrer Wirtschaft»


Ein bisschen indiskret gefragt: Haben Sie diese bereits einmal beraten?
Nein, keine dieser erwähnten Persönlichkeiten waren unsere Kunden. Wir hätten zwar das Buch mit interessanten Beiträgen unserer Kunden füllen können, aber das war weder Ziel noch Anspruch dieses Buches. Das Buch ist kein Marketinginstrument, sondern ein Beitrag zu einer aus unserer Sicht wichtigen Diskussion.

Sie selber haben einen sehr guten Draht auch in die Wirtschaft. Wie wird sich das nächste Jahr für die Schweiz entwickeln?
Ich bin überzeugt, dass sich die Schweizer Wirtschaft gestärkt aus dieser monumentalen Krise herausbewegen wird. Das nächste Jahr wird jedoch in einzelnen Branchen noch deutliche Verwerfungen zeigen. Wir sind noch nicht über den Berg. Aber gerade die pragmatische Haltung in der Krise ist eine Stärke der Schweiz und ihrer Wirtschaft.

Was war für Sie das prägendste Erlebnis der letzten Wochen?
Neben der Pandemie die demokratische Abwahl von Trump und natürlich die neue Erfahrung, plötzlich in sozialen Medien spontane und positive Empfehlungen zu unserem Buch zu finden von Leuten, die ich überhaupt nicht kenne.



Was bedeutet die Corona-Pandemie für die verschiedenen Akteure der Schweizer Medien- und Kommunikationsbranche? Bis auf Weiteres wird persoenlich.com regelmässig eine betroffene Person zu Wort kommen lassen. Die ganze Serie finden Sie hier.


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