26.02.2006

"Herr Falk, braucht die Schweiz nun einen 'Mister Vogelgrippe'?"

Am Wochenende hat die Vogelgrippe auch die Schweiz erreicht. In Genf und in Stein wurden infizierte Wildvögel gefunden. Wie gut ist der Bund auf die Tierseuche vorbereitet? Wie will er die wachsende Angst vor einer Pandemie eindämmen? Marcel Falk, Kommunikationsverantwortlicher des Bundesamts für Veterinärwesen BVET nimmt gegenüber "persoenlich.com" zur Kritik an der Krisenkommunikation der Behörden Stellung und sagt, wie der Bund das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen will. Das Interview:
"Herr Falk, braucht die Schweiz nun einen 'Mister Vogelgrippe'?"

Herr Falk, bräuchte die Schweiz nicht einen "Mister Vogelgrippe", der in der herrschenden, schwierigen Situation die Öffentlichkeit informiert?

Wir haben dies im vergangenen Jahr vor der Vogelgrippe-Welle diskutiert. Es gibt zwei Aspekte der Krankheit: Der eine betrifft die Vogelgrippe als Tierseuche. Hier steht im Zentrum, die Schweiz davor zu schützen, dass die Seuche in die Schweizer Geflügelbetriebe eingeschleppt wird. Der andere Aspekt ist, dass sich das Virus verändern und sich dann unter den Menschen ausbreiten könnte. Diese zwei Aspekte müssen klar von einander getrennt werden. Dafür haben wir von Anfang an gekämpft. Das Bvet ist verantwortlich für die Tierseuche, das BAG für die Pandemie und die Vorbereitung auf dieses Szenario. Doch scheint mir auch klar, dass wir einen Mister Vogelgrippe bräuchten, wenn die Pandemie kommen würde.

Doch führt die von Ihnen angesprochene Zweiteilung nicht zu einer inkonsistenten Kommunikation und beeinträchtigt sie nicht die Koordinationsleistung?

Wir arbeiten von Beginn weg sehr eng mit dem BAG zusammen. Es gibt die von Ihnen angesprochenen Widersprüche doch gar nicht, wenn man die Sache genau betrachtet. Wir hatten andere Probleme. So schilderte etwa die WHO die Lage weltweit und warnte zurecht. Wir schätzten die Gefahr für die Schweiz ein, was dann selbstverständlich harmloser klang und teilweise als beschwichtigend wahrgenommen wurde. Zudem ist die Seuchen-Kommunikation schwierig. Die Entwicklung ist nicht vorhersehbar. Wenn man also die Lage einschätzt, muss man immer die Grundlage dieser Einschätzung mitliefern. Das brachten wir nicht immer bis zum Zeitungsleser durch.

Bvet-Chef Hans Wyss sprach sich vor wenigen Tagen gegen eine Impfung des Geflügels aus, weil er befürchtet, dass sich damit die Krankheit gewissermassen unter der Hand weiterverbreiten könnte. Zugleich aber räumt auch Wyss ein, dass man vielleicht doch impfe, wenn mehr EU-Länder zu dieser Massnahme greifen. Ist diese Haltung nicht widersprüchlich?

Nein. Auch die EU und Deutschland sind sehr vorsichtig mit den Impfungen. Sie vertreten damit dieselbe Position wie die Schweiz. Natürlich kann es immer einzelne Länder geben, die in gewissen Fragen eine eigene Meinung haben, aber das ist kein kommunikatives Problem, sondern eines der realen Einschätzung. Ausserdem wird immer für eine aktuelle Lage kommuniziert, da die Entwicklung nicht vorhersehbar ist. So verhält es sich auch bei den Impfungen für das Geflügel. Aus heutiger Sicht sagt die Schweiz ganz klar: Impfen macht keinen Sinn. Erreichen wir aber Verhältnisse wie in Asien, wo ein beträchtlicher Teil des Geflügels verseucht ist, dann muss die Lage neu eingeschätzt werden. Impfungen können dann Sinn machen.

Trotzdem: In den vergangenen Monaten stand der Bund aufgrund seiner Kommunikation immer wieder in der Kritik. Fehlt es heute an Vertrauen in die Behörden?

Wenn Sie von Vertrauen sprechen: Eine Blick-Umfrage des vergangenen Jahres zeigte, dass sich 72 Prozent der Leute gut bis sehr gut informiert fühlen. Zwei Drittel haben Vertrauen in das Handeln der Behörden. Das sind doch gute Resultate. Lediglich 6 Prozent der Umfrage-Teilnehmer haben dem Bund misstraut. Diesen Eindruck erhalte ich auch im Kontakt mit den Journalisten und über unsere Hotline. Betrachten wir einmal das Thema Stallpflicht: Wir sagten im Januar, nach heutiger Einschätzung ist sie nicht nötig. Wenn aber Fälle in Afrika auftreten, dann müssen wir die Situation neu einschätzen. Dann kamen die Fälle in Afrika und wir zum Schluss, doch, es braucht die Stallpflicht. Das wurde verstanden, und zwar während des ganzen Prozesses. Weder in den Medien noch von Seiten der Geflügelproduzenten gab es wesentliche Kritik.

Zur Frage der Impfungen und der Stallpflicht: Wie eng arbeitet der Bund mit dem Ausland zusammen? Wie stark wird die Kommunikation und Handlungsweise durch die umliegenden Länder vorgegeben?

Wir arbeiten in erster Linie direkt mit der EU und internationalen Organisationen zusammen. Dort werden alle Informationsflüsse organisiert. Und natürlich gibt es auch viele direkte Kontakte mit den einzelnen Mitgliedsländern, etwa beim Fall am Bodensee.

Ist denn die Bevölkerung Ihrer Ansicht nach über die Vogelgrippe gut informiert? Wie gross ist das Risiko, dass es zu einer Hysterie kommen könnte?

Wir wissen das nicht eins zu eins. Im allergrössten Teil der Medienberichterstattung muss ich sagen, doch, so hätte ich das auch geschrieben. Unsere Botschaften kommen also an. Über die Hotline, die wir bewusst In-house betreiben, erhalten wir Feedback, welche Fragen die Leute bewegen und wo Missverständnisse herrschen. Wir haben den Eindruck erhalten, dass die Bevölkerung vieles begriffen hat. Zur zweiten Frage: Vor drei Tagen verzeichneten wir rund 150 Anrufe auf unsere Hotline. Heute Freitag sind es noch 50. Das zeigt uns, dass man nicht von einer Panik sprechen kann oder von einer Angst, die die Leute über Wochen gefangen hält. Panik ist übrigens generell selten, das zeigt die Forschung. Die Menschen können mit Bedrohungen durchaus vernünftig umgehen.

Wie versucht der Bund das Vertrauen in der Bevölkerung herzustellen?

Vertrauen ist das Herzstück gerade in der Seuchenkommunikation. Das wichtigste ist, offen zu kommunizieren. Dazu gehört auch, zu sagen, was man nicht weiss. Und wir wissen vieles nicht. Man muss die Leute auch dort abholen, wo ihre Fragen, ihre Ängste liegen. Auf der emotionalen Ebene spielen hier die Bilder eine zentrale Rolle. Wir haben anfangs damit gekämpft, dass unsere Aussagen oftmals neben Bildern aus Asien gestanden sind. Unsere Verlautbarungen standen neben den Erdlöchern, die mit toten Hühnern gefüllt waren. Das ist als widersprüchlich aufgefasst worden. Wir haben dann versucht, andere Bilder zu produzieren, indem wir mit Journalisten die Geflügelhalter besucht haben. Oder indem wir einen Medientag am Sempachersee organisiert haben, wo die Medienschaffenden die Beprobung von Wildvögeln fotografieren und filmen konnten. Dadurch entstanden Bilder, die zu unseren Aussagen auch passen und mit denen wir die Bevölkerung auch emotional für uns gewinnen konnten.

Die Migros hat vor wenigen Tagen den Bund offen kritisiert. Ist das ein Zeichen dafür, dass der Bund zu wenig eng mit der Wirtschaft -- den Unternehmen, Bauern und Verbänden -- zusammenarbeitet?

Das war ein Einzelfall. Gerade bei der Stallpflicht haben wir die Produzenten stets sehr früh einbezogen. Wir konnten davon profitieren, dass wir in der Kommunikation gegen aussen einheitlich auftraten. Wir haben überdies immer gesagt, dass man Fleisch und Eier bedenkenlos konsumieren kann. Das Problem ist halt, dass man mit dem Bauch einkauft. Und ein Teil der Bevölkerung lässt sich durch eine solche Medienaktivität und die schrecklichen Bilder wohl immer so weit verunsichern, dass sie Rind- statt Geflügelfleisch kauft. Mit Worten allein kommt man da nicht dagegen an.



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