14.05.2025

ESC

Im Backstage-Labyrinth mit Edi Estermann

Hinter den glitzernden Kulissen der grössten Musikshow Europas arbeitet das Kommunikationsteam unter Edi Estermann auf Hochtouren. Der Head of Communications verrät im Rundgang seine Erfolgsstrategien gegen überschwemmte Mailboxen und schlaflose Nächte.
ESC: Im Backstage-Labyrinth mit Edi Estermann
Er gewährte einen exklusiven Einblick in das Herzstück des musikalischen Grossereignisses in Basel: Kommunikationschef des ESC, Edi Estermann. (Bild: Keystone/Urs Flüeler)

Es ist kurz vor 16 Uhr am Dienstag im Aussenbereich der Basler St. Jakobshalle. Vor einem geparkten Truck sitzt der Jodelchor «Echo Basel» in Festtracht und strickt. Eine Armlänge entfernt hastet ein tätowierter Rockstar mit seiner E-Gitarre zur Probe, Tänzerinnen in Bademänteln tratschen mit Kostümierten. Die Outfits sind schrill, die Stiefelabsätze hoch, die Augenlider glitzern – der Eurovision Song Contest (ESC) 2025 ist bereits in vollem Gange.

Inmitten des Menschengetümmels: Head of Communications des ESC, Edi Estermann. Er begrüsst seine Familienangehörigen, die sich zu einer Führung vor dem Eingang der St. Jakobshalle versammelt hatten, mit Umarmung oder einer kollegialen Hand auf der Schulter. Der Rundgang beginnt mit einem kurzen Abstecher in die Eishalle des EHC Basel, die zu diesem Anlass zu einem Mediencenter umgewandelt wurde. Hier können rund 650 Journalistinnen und Journalisten die Show live auf Screens verfolgen. Der Rest der rund 1000 akkreditierten Medienschaffenden arbeitet in Hotels. Nebst Medienkonferenz-Bereich, Interview-Spots und getrenntem Bereich für die «Specialized Media» kann Estermann besonders aber über eines schwärmen: die bereitgestellten Schalen mit Basler Läckerli.

«Work Hard, Play Hard»

Dass in wenigen Stunden das Halbfinale des ESC beginnen würde, lässt sich Estermann kaum anmerken. Schliesslich führt er noch am selben Abend nicht nur Familienangehörige, sondern auch Mitglieder des HarbourClubs durch das Gelände. Zwar klingelt sein Telefon beinahe in Dauerschleife und er wird an etlichen Stellen aufgehalten – sei es wegen technischer Probleme mit der Liveaufnahmen von SRF oder der Akkreditierungsbadges. Nichtsdestotrotz bewegt er sich auf dem Gelände mit einer unverkennbaren Lockerheit. Im Vorbeigehen klatscht er sich mit dem Basler Stadtpräsidenten Conradin Kramer ab und duzt die Kassiererinnen, wie auch die Co-Executive-Producers Moritz Stadler und Reto Peritz. Dies alles mit einem gewissen internationalen Flair – zumindest sprachlich.

Die Bühne nennt Estermann eine «Beauty», das Alphornspiel war bei den Rehearsals immerzu «touchy», alle im Team seien super «happy», dass das Event zustande kam. Im Backstagebereich wendet er sich der Gruppe mit ausgestrecktem Zeigefinger zu und droht witzelnd: «You film, you die.» Besonders in einer solch leistungsintensiven Phase sei es unabdingbar, auch mal mit dem Team lachen zu können. Ganz nach dem Motto «Work Hard, Play Hard».

Die grosse ESC-Reise

Der Morgen nach Nemos Sieg in Malmö markierte für Estermann den Beginn der ESC-Reise: Als Kommunikationschef der SRG unter Generaldirektor Gilles Marchand übernahm er gleichzeitig die Rolle des Head of Communications für den Eurovision Song Contest 2025. «Auf die Dauer konnte das nicht gut gehen», erinnert er sich an die Monate, bevor er am 1. November vollständig ins ESC-Projektteam wechselte.

Die Herausforderung war gross: Ein Kommunikationsteam musste zusammengestellt werden, bevor überhaupt ein finales Budget vorlag. «Auf unsere Ausschreibungen haben sich teilweise bis zu 80 Personen beworben», so Estermann. Was mit sechs Personen begann – Mediensprecher, Social-Media-Experten und Spezialisten für Krisenkommunikation – wuchs schliesslich auf ein 25-köpfiges Team an, unterstützt von 20 freiwilligen Helfern.

Die Arbeit im «Dreieck»

Eine zusätzliche logistische Herausforderung lag in der Zusammenarbeit im sogenannten «Dreieck» zwischen der European Broadcasting Union (EBU), der SRG und der Host City Basel. Jeder dieser Partner brachte eigene Projekt- und Kommunikationsteams mit, die eine gemeinsame, übergreifende Strategie entwickeln mussten.

Nach dem Entscheid Ende August 2024, dass Basel den Zuschlag erhält, installierte sich das gesamte Projektteam im Meret Oppenheim Hochhaus beim Basler Bahnhof. Von dort aus wurden parallel Bühnenbild, Showkonzept, Sicherheitsdispositiv, Transportkonzept, Sponsoring und zahlreiche weitere Bereiche koordiniert. «Die Zusammenarbeit mit der Stadt Basel könnte nicht besser sein – als wenn wir das schon immer zusammen gemacht hätten», so Estermann.

Espresso und Adrenalin

Doch auch wenn Estermann vermehrt von einer «Once-in-a-Lifetime Experience» schwärmt, gibt er den Leistungsdruck unumwunden zu. Die Tage in Basel beginnen um sieben Uhr früh und enden kaum je vor Mitternacht. In einer solchen Position dürfe man nun mal kein Stundenzähler sein. Ab Ende April begann die heisse Phase. «Keine Zeit mehr, um Sprachnachrichten abzuhören», so Estermann. Die Arbeitstage wurden länger und länger, die Mailbox voller und voller. «Bei 100 direkt adressierten Mails pro Tag dachte ich, dass das nun doch ziemlich viel sei. Inzwischen stehen wir bei 150.» Was bei einem solchen Druck helfe? Ein doppelter Espresso und das Adrenalin. In puncto Kaffee nannte Estermann gleich seine Lieblingszahl: Mehr als zwei Tonnen Kaffeebohnen werden in der Showwoche verbraucht.

Auf das Danach scheint sich Estermann noch nicht zu fokussieren. Im Gegenteil. Schliesslich öffne sich in der Zukunft bestimmt wieder ein Türchen. Nach dem Finale sei erstmals eine Fade-Out-Woche für das Team geplant, um den Stresspegel Stück für Stück abzubauen. Man könne nach einem Jahr solch intensiver Arbeit doch nicht einfach nach Hause gehen. Bis dahin konzentriere man sich auf den Samstag. Es gibt noch viel zu tun. Da klingelt sein Telefon erneut.


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