12.02.2020

Credit Suisse

Kritik an gezielt «gefütterten» Schweizer Medien

Nach dem Abgang von Tidjane Thiam kommt die Frage auf, inwiefern sich Schweizer Journalisten in der CS-Affäre haben instrumentalisieren lassen. Gewisse Kreise hätten gezielt Indiskretionen platziert, so der CEO. Was sechs Schweizer Wirtschaftsredaktionen dazu sagen.
Credit Suisse: Kritik an gezielt «gefütterten» Schweizer Medien
«Unsere Journalistinnen und Journalisten lassen sich von niemandem instrumentalisieren», heisst es bei SRF: Tidjane Thiam an einer Pressekonferenz der Credit Suisse im Jahr 2015. (Bild: Keystone/Walter Bieri)
von Michèle Widmer

Nach dem Abgang des Credit-Suisse-Chefs Thiam veröffentlichen die CH Media-Zeitungen am Montag neue Hintergründe. Wie Chefredaktor Patrik Müller mit Verweis auf Thiams Umfeld schreibt, soll dieser in seiner Zeit in der Schweiz das Gefühl gehabt haben, von Medien und Gesellschaft als Afrikaner nicht gleich behandelt zu werden. Dies insbesondere nachdem die Beschattungsaffäre um den Star-Banker Iqbal Khan aufgeflogen ist.

Thiam habe Äusserungen in den Kommentarspalten auf dem Finanzblog Insideparadeplatz zur Kenntnis genommen, heisst es in dem Artikel weiter. So sei dort über seine Heimat, die Elfenbeinküste, zu lesen gewesen, dass «Deals und Abmachungen grundsätzlich mit dem Geldkoffer oder/und der Kalaschnikow getätigt» würden. Oder dass es bei der CS «höchste Zeit zum Aufräumen» sei, weil «die in Schwarzafrika zulässigen Geschäftspraktiken hier nichts zu suchen haben».

Aufgebauschter Schweizer Medienskandal

Wie Müller schreibt, beschwerte sich Thiam bankintern, die Kritik an ihm wegen der Beschattungsaffäre sei überzogen. Er vermutete, dass Schweizer Medien gezielt «gefüttert» würden mit Informationen, die ihn in ein schlechtes Licht rücken und so destabilisieren. So gelangte der Nachbarschaftsstreit, den sich Thiam in Herrliberg mit Iqbal Khan lieferte, an die Presse. Hinter diesen Indiskretionen stünden Kreise, die ihn, Thiam, wegmobben möchten – weil er nicht zur CS passe. Für Thiam sei es vor allem ein aufgebauschter Schweizer Medienskandal ohne grössere internationale Bedeutung gewesen.

Besonders gestört hat Thiam laut CH Media, dass mehrere Zeitungen eine Luftaufnahme seiner Villa in Herrliberg publizierten. Ein solcher Bericht im Blick, der zudem ein Foto des CS-Chefs zeigte, hatte demnach eine Intervention bei Verleger Michael Ringier zur Folge. Bei der Pressestelle des Verlags weiss man auf Anfrage davon nichts. «Uns ist keine Intervention bekannt», sagt Sprecherin Alina Bolz. Damit konfrontiert hält Chefredaktor Müller an seiner Recherche fest. «Die Information kommt aus absolut verlässlicher Quelle», sagt er. 

«Zu Recherchen no comment»

Der CH-Media-Artikel wirft die Frage auf, inwiefern sich Schweizer Medien im Fall Credit Suisse bewusst oder unbewusst haben instrumentalisieren lassen. Bei Ringier will man sich nicht weiter dazu äussern. «Vermutungen kommentieren wir nicht weiter», heisst es dort. Auch Lukas Hässig von Insideparadeplatz schreibt auf Anfrage: «Zu Recherchen no comment.»

Bei SRF antwortet man auf die Frage mit einer Grundsatzantwort: «SRF hält kritische Distanz zu allen Gruppierungen des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens. Unsere Journalistinnen und Journalisten lassen sich von niemandem instrumentalisieren.» Tamedia und die NZZ winken dezidiert ab. «Nein, wir haben uns nicht instrumentalisieren lassen. Wir haben immer beide Seiten berücksichtigt», sagt Tamedia-Chefredaktor Arthur Rutishauser auf Anfrage. Und: «Dies trifft in keiner Weise zu», antwortet NZZ-Kommunikationschefin Seta Thakur. Etwas diplomatischer formuliert es CH-Media-Chefredaktor Müller: «Unsere Redaktion wurde nicht aktiv gefüttert. Aber wir haben schon auch mit allen Seiten und deren Beratern Kontakt gehabt.»



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