23.03.2023

CS-Krise

«Natürlich war das Schönfärberei»

Der Untergang der Credit Suisse wird immer wieder mit dem Swissair-Grounding verglichen. Das passe nur bedingt, sagt Beatrice Tschanz, damalige Kommunikationschefin der Airline. Ein Gespräch mit der 78-Jährigen über lamentable Akteure und konstruierte Sätze.
CS-Krise: «Natürlich war das Schönfärberei»
«Jeder Satz muss ein Fakt sein», sagt Kommunikationsexpertin Beatrice Tschanz. (Bild: zVg)
von Christian Beck

Frau Tschanz*, bei der CS-Krise werden Parallelen zum Swissair-Grounding gezogen. Zu Recht?
Nein, das kann man nicht vergleichen. Das sind zwei völlig unterschiedliche Sachlagen. Aber klar ist: Für das grosse Publikum ist erneut etwas im Eimer.

«Ein Management, das hilflos versucht, Zuversicht zu verbreiten, und sich ansonsten einigelt», hiess es in der SonntagsZeitung. «Ungläubige Journalistinnen, Analysten und Anleger. Und in Bern eine hilflose Politik, die sich wegduckt. Genau so wie 2001 beim Swissair-Grounding ist es auch heute wieder bei der Credit Suisse.» Würden Sie dies so also nicht unterschreiben?
In der Haltung, dass man praktisch nichts sagt und sich wegduckt, da gibt es tatsächlich Parallelen. Aber in der Sache ist es völlig unterschiedlich. Die Swissair bekam nie auch nur einen Franken Staatshilfe. Die Fluggesellschaft hätte man damals mit 500 oder 600 Millionen Franken retten können. Weder die Politik noch andere Akteure wollen dies.

Wie haben Sie sich in den letzten Tagen über die CS-Krise informiert?
Der Aktienkurs ging immer mehr das Loch ab. Da zeichnete sich ab, dass irgendetwas passieren wird. Schliesslich wurde bekannt, dass über das Wochenende Sitzungen stattfinden. Da rechnete ich damit, dass es zum Ende kommt. Ich verfolgte das Ganze am Fernsehen und sah die Akteure auftreten. Das war dann eher lamentabel.

«Am souveränsten, wenn auch versteinert, war Karin Keller-Sutter»

Dann würden Sie also der Kommunikation zur CS-Krise nicht die besten Schulnoten vergeben?
Man muss hier etwas differenzieren. Am souveränsten, wenn auch versteinert, war Karin Keller-Sutter. Aber der Rest? Alle verbreiteten mit diesem Auftritt eine enorme Nervosität. Der Herr Bundespräsident redete so schnell, dass selbst Welsche ihn nicht verstanden. Etwas besser war es, als er ins Englische switchte. Der Auftritt des gesamten Gremiums war geprägt durch Hektik und Nervosität, was die Hauruck-Lösung verdeutlichte. Ausser Karin Keller-Sutter kommt bei mir niemand gut weg.

Und wem vergeben Sie die schlechtesten Noten?
Axel Lehmann (Anm. der Red.: Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse). Ich fand es sehr pitoyabel, dass ein oberster Verantwortlicher von der an die Wand gefahrenen CS sagen kann: «Es ist die beste aller Lösungen.» Ich empfand dies fast schon zynisch. Etwas mehr Bescheidenheit und ein Wort der Entschuldigung wären angebracht gewesen. Man sagt immer: Juristen würden dies verhindern. Das ist dummes Zeug. Man kann nichts verhindern, Klagen wird es so oder so geben. Dass man in dem Moment, in dem man weiss, dass man in der Schweiz einen Schock auslöst, nicht die Courage hat, ein Wort der Entschuldigung anzubringen, war wirklich schlecht.

Sie lassen kein gutes Haar an der Kommunikation …
Nein. Gut, Nationalbank-Chef Thomas Jordan ist ein Technokrat. Er machte das sehr sachlich, völlig emotionsfrei. Bei seiner Rolle ist das klar. UBS-Verwaltungsratspräsident Colm Kelleher hielt sich stark zurück. Ich sah ihm aber an seinem Gesichtsausdruck an, dass er innerlich triumphierte. Ansonsten war es ein schlechter Auftritt. Die Kommunikationsleistung müsste in solch einer Situation besser sein.

«Das sind ja nicht irgendwelche Influencer, die hier Stimmung machen»

Mir fiel noch eine andere Aussage auf: «Seit Oktober 2022 führten auf den sozialen Medien ausgelöste Gerüchte zu massiven Abflüssen von Kundeneinlagen bei der Credit Suisse», sagte Finma-Präsidentin Marlene Amstad. Kann Twitter schuld an der Krise sein?
Sicher nicht. Natürlich wissen wir heute alle, dass Stimmungsmache über die sozialen Medien schnell geht. Aber man darf dies nicht überbewerten, wo sind wir hier? Das sind ja nicht irgendwelche Influencer, die hier Stimmung machen. Hier muss man drüberstehen und das ertragen können, wenn Twitter hundertmal schreibt, alles sei bedenklich. Dies als Schuldzuweisung zu verwenden, empfand ich als sehr schwaches Argument.

Es sind drei Akteure involviert: CS, UBS und der Staat. Das macht es nicht einfacher. Was gilt es in einer solchen Konstellation besonders zu beachten?
Erstens, ganz klar: Es braucht eine exakte Vorbereitung, auch unter Zeitdruck. Man muss wissen, wer welche Rolle hat. Bei der Medienkonferenz gab es Wiederholungen. Das wirkte unsicher. Zweitens: Jeder Satz muss sitzen.

Wäre es besser gewesen, die CS-Krise hätte ein empathisches Gesicht gehabt – wie Sie damals bei der Swissair oder Daniel Koch als «Mister Corona»?
Man muss aufpassen: Eine Bank ist nicht irgendeine Firma oder irgendeine Situation. Ich glaube nicht, dass die Empathie das Matchentscheidende gewesen wäre, sondern die konzise, präzise Information und das Verbreiten einer gewissen Sicherheit und Stabilität. Hier aber wurde das Bild vermittelt: «Wir haben Hauruck und über Nacht … und dann gab es noch Sitzungen über das Wochenende.» So what? Das war unprofessionell.

«Das kann man nicht mit konstruierten Sätzen verhindern»

Aufgefallen ist am Montag auch ein Inserat der CS, insbesondere der Satz «Die Credit Suisse und die UBS haben einen Fusionsvertrag abgeschlossen.» War das Schönfärberei?
Das ist eben so Juristendeutsch. Natürlich war das Schönfärberei. Es wurde natürlich alles versucht, dass nicht noch mehr Kundengelder abfliessen. Das ist aber illusorisch. Jeder, der noch Geld bei der Credit Suisse hatte, zog es ab. Das kann man nicht mit konstruierten Sätzen verhindern.

Schauen wir in die Zukunft: Beim Zusammenführen der beiden Grossbanken muss gespart werden. Werden Marketingabteilungen und Kommunikation als erstes zusammengestrichen?
Ja, das ist natürlich immer der beliebteste Hebel. Das ist in jeder Firma so: Wenn man Kosten sparen muss, werden zuerst beim Marketing Abstriche gemacht. Für die konzise Kommunikation ist nun wichtig, dass es nicht zwei Akteure gibt, die sich mühsam absprechen müssen. Ich rechne damit, dass die UBS sehr schnell die Kommunikationsführung übernehmen wird. Die CS wird zwar nicht zum Schweigen verdammt, aber zu äusserster Zurückhaltung. Darauf dürfte geachtet werden.

Wenn Sie jetzt für die Banken arbeiten würden: Welche Kommunikationsstrategie würden Sie persönlich nun fahren?
Eine absolut faktenorientierte. Jeder Satz muss ein Fakt sein – keine Spekulationen, kein Wir-möchten-wir-machen-wir-könnten-vielleicht. Es braucht eine ganz präzise Faktenkommunikation.

Und falls Sie den Bundesrat beraten würden, welches wäre dann Ihre Strategie?
(Lacht.) Mir ist schon klar: Bei diesem Gremium müssen sieben einverstanden sein, und der arme Bundesratssprecher André Simonazzi muss versuchen, das alles in verdaubare Sätze zu fassen. Das ist keine leichte Aufgabe. Meine Empfehlung wäre: Ruhe, mehr Souveränität, Sicherheit verbreiten – und nicht durch hektisches Auftreten die Unsicherheit noch zu untermauern.

Würden Sie zusagen, wenn eine Anfrage käme?
Nein, ich gehe schnurgerade auf die 80 zu. Es gibt so viele andere gute Leute, die das auch können. Klar, verfolge ich immer noch alles und es interessiert mich. Aber ein Mandat? Das ist jetzt vorbei.

«Man darf das Tempo der sozialen Medien nicht überbewerten»

Sie arbeiteten während 20 Jahren im Journalismus, wechselten dann in die Kommunikation von Ringier, Jelmoli und Swissair. Wie hat sich die Kommunikation von Grossunternehmen in den letzten 20 Jahren verändert?
Alles wurde viel schneller. Die sozialen Medien sind aufgetaucht und gewachsen. Nach meinem Dafürhalten wird dies jedoch überbewertet. Schauen Sie: Das sind so Kurzzeit-Aktionen, die sind nach zwei Stunden schon wieder alt. Man darf das Tempo der sozialen Medien nicht überbewerten.

Seit dem Halifax-Unglück von 1998 sind Sie der Inbegriff von guter Krisenkommunikation. Kurz vor dem Swissair-Grounding mussten Sie allerdings den Sessel räumen. Hätten Sie das Swissair-Aus ebenfalls gerne kommunikativ begleitet?
Ja, sicher. Es tat sehr weh, als damals CEO Mario Corti beschlossen hatte: «So, nun müssen Sie verschwinden. Sie stehen mir vor der Sonne.» Ich hätte gerne noch begleitet, als die Swissair zusammenkrachte – es war wie der Schlusspunkt in einer Geschichte. Aber es kam anders und ich trauere dem nicht nach.

Welchen Werdegang würden Sie heute jungen Menschen empfehlen: Journalismus oder Kommunikation?
Der Journalismus ist das beste Fundament für eine gute Kommunikationsleistung. Im Journalismus lernt man, was Fakten sind, wie man recherchieren muss, wie man schnell sein kann – alles Dinge, die man in der Kommunikation sehr gut gebrauchen kann. Deshalb setzte ich auch immer gerne auf Mitarbeiter mit journalistischem Hintergrund.



* Beatrice Tschanz war während 20 Jahren als Journalistin für diverse Medien tätig. Ende der 1970er-Jahre war sie stellvertretende Chefredaktorin von Annabelle, Anfang der 1980er-Jahre Chefredaktorin von Femina. Später wechselte sie in die Unternehmenskommunikation – zuerst war sie Kommunikationschefin von Ringier, dann von Jelmoli und schliesslich von Swissair. Ihre Arbeit nach dem Absturz einer MD-11 in Halifax gilt bis heute als Meisterleistung der Krisenkommunikation. Nach dem Swissair-Grounding ging Tschanz zu Sulzer Medica, 2003 machte sie sich als Kommunikationsberaterin selbstständig.



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Kommentare

  • Rudolf Bruno Geisselhardt, 24.03.2023 15:13 Uhr
    Eine glasklare Anlyse.Ich bewunderte und bewundere Frau Tschanz`s Kommentare noch immer. Vielen Dank !
  • Susanne Frei, 23.03.2023 08:40 Uhr
    Frau Tschanz beurteilt die lamentable Situation perfekt und professionell. Es ist erfreulich, einmal mehr zu lesen, wie sie analysiert und sich ihre Meinung bildet. Ich bewunderte ihre Haltung schon vor 25 Jahren. Danke sehr!
  • Raphael Imhof, 23.03.2023 07:04 Uhr
    Tolle Analyse der Grande Dame der Schweizer Kommunikation. Merci.
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