19.11.2019

Affäre Geri Müller

Sacha Wigdorovits steht vor Gericht

In der sogenannten «Nacktselfie-Affäre» hat am Dienstag der Prozess gegen den Zürcher PR-Berater Sacha Wigdorovits begonnen. Ihm wirft eine Berner Staatsanwältin versuchte Nötigung, eventuell Anstiftung oder Gehilfenschaft dazu, vor.
Affäre Geri Müller: Sacha Wigdorovits steht vor Gericht
Der Badener Stadtammann Geri Müller 2017 auf einem Wahlplakat. Die Wiederwahl schaffte er damals jedoch nicht. (Bild: Keystone/Walter Bieri)

Nach Ansicht der Staatsanwältin hat sich Sacha Wigdorovits auch der Aufbewahrung, der Auswertung, des Zugänglichmachens und Kenntnisgabe von unbefugt aufgenommenen Gesprächen schuldig gemacht. Wigdorovits soll als politischer Gegner des früheren Aargauer Nationalrats Geri Müller dessen Affäre mit einer jüngeren Bernerin zum Anlass genommen zu haben, «diesen zum Rücktritt von seinen politischen Ämtern zu bewegen», wie es in der Anklageschrift heisst.

Der ehemalige Chefredaktor des «Blick» sei im Hintergrund geblieben und habe auf die psychisch instabile Frau eingewirkt, heisst es in der Anklageschrift weiter. Diese habe dann Müller «immer konkreter» in Aussicht gestellt, dass sie die für ihn kompromittierenden Chats, Fotos und Audiodateien der Öffentlichkeit zugänglich mache.

Die Staatsanwältin beantragt dem Gericht, Wigdorovits zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagesätzen zu verurteilen. Wigdorovits ist aktiv bei der Stiftung Audiatur, welche sich nach eigenen Angaben für eine ausgewogene Berichterstatttung zu Israel einsetzt. Müller ist Präsident der Gesellschaft Schweiz-Palästina.

«Nur Auskünfte erteilt»

Am ersten Verhandlungstag befragte ein Bieler Einzelrichter rund zwei Stunden lang Wigdorovits und etwa gleich lang Geri Müller, der als Privatkläger anwesend war. Wigdorovits sagte kurz zusammengefasst, er sei zwar schon interessiert gewesen an der Geschichte, welche ihm die Chatpartnerin Geri Müllers aufgetischt habe. Er bestritt aber den Vorwurf, die Affäre der Frau mit Geri Müller zum Anlass genommen zu haben, letzteren aus dem Amt drängen zu wollen. Er habe der Frau auch keine Ratschläge oder Empfehlungen abgegeben, sondern lediglich Auskünfte erteilt und Tatsachen erläutert.

Die Frau habe ihn gebeten, Kontakt mit Medienleuten herzustellen, und das habe er auch getan. Sie habe aber den Kontakt zu den Medien gesucht, nicht er. Ihm selber sei nicht bewusst gewesen, dass man sich strafbar mache, wenn man einem zugeschickte, unbefugt gemachte Aufnahmen nicht sofort lösche.

Geri Müller sagte vor Gericht, die Bernerin habe grosse Stimmungsschwankungen gezeigt. Einmal habe sie gesagt, sie sei froh, wenn die Medien die Geschichte nicht brächten, dann wieder habe sie gesagt, sie sei daran, die Pressefreiheit zu unterdrücken. Er habe den Eindruck gehabt, die Frau stehe unter Druck einer «Organisation», deren Nummer 2 Wigdorovits gewesen sei.

Der Prozess in Biel wird am Mittwoch fortgesetzt mit einer Einvernahme von Patrik Müller, dem damaligen Chefredaktor der «Schweiz am Sonntag», die heute als «Schweiz am Wochenende» herausgegeben wird. Auch die Plädoyers sollen am Mittwoch gehalten werden. Der Bieler Richter will das Urteil am Freitag bekanntgeben.

Frau rechtsgültig verurteilt

Die Nacktselfie-Affäre hatte im Sommer 2014 für Aufregung gesorgt. Die «Schweiz am Sonntag» berichtete, dass der Badener Stadtammann und Nationalrat der Grünen Geri Müller von seinem Stadthausbüro aus einer Chat-Bekannten Nacktbilder geschickt hatte. Danach soll er die Frau aus dem Kanton Bern zum Löschen der Mitteilungen aufgefordert haben.

Als Folge der Affäre entband die Badener Exekutive Müller vorübergehend von seinen Führungs- und Repräsentationsaufgaben. Bei den Nationalratswahlen im Herbst 2015 trat Müller nicht mehr an.

Die ehemalige Chat-Partnerin Müllers wurde 2016 von der Staatsanwaltschaft Berner Jura-Seeland per Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt. Sie wurde schuldig befunden der Beschimpfung, üblen Nachrede, versuchten Nötigung, Urkundenfälschung und des unbefugten Aufnehmens von Gesprächen. Die Frau akzeptierte den Strafbefehl.

Rüge durch den Presserat

Mit der AZ-Mediengruppe einigte sich Geri Müller Anfang 2018 auf einen Vergleich. Dieser Verlag und Patrik Müller, Chefredaktor der «Aargauer Zeitung», drückten bei Bekanntgabe dieses Vergleichs ihr Bedauern gegenüber Müller aus.

Der Schweizer Presserat befand 2016, die «Schweiz am Sonntag» habe mit ihrem ersten Bericht über die Affäre die Privat- und Intimsphäre Geri Müllers in schwerer Weise verletzt. (sda/eh/cbe)

 



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