26.01.2022

Prophet

«Unternehmensberatung ist eine andere Welt»

Thomas Wildberger widmet sich nach fast 30 Jahren in der Werbung einer neuen Aufgabe: Er amtet jetzt als Partner und Markenexperte bei der internationalen Beratungsfirma Prophet. Der ehemalige Kreativchef und CEO von Publicis über Transformation – nicht nur die eigene.
Prophet: «Unternehmensberatung ist eine andere Welt»
«Letztlich geht es auch bei meinem neuen Job darum, Ideen zu haben, die einer Marke zu Wachstum verhelfen», sagt Thomas Wildberger, neuer Leiter des Schweizer Prophet-Büros. (Bild: zVg)
von Christian Beck

Herr Wildberger, Sie kehren der Werbung den Rücken und werden Unternehmensberater. Ist das jetzt die berühmte Midlife-Crisis?
Ach, i wo. Ich befinde mich in der besten Zeit meines Lebens und hatte einfach mal wieder Element of Crime gehört.

Und dann?
Sven Regener singt in einem seiner Songs: «Wichtig ist nur die Veränderung, dass man nie im Stillstand verharrt und dass man sich auch in harten Zeiten seine Träume und Wünsche bewahrt.» Dieser Text bewegt mich regelmässig dazu, den Status quo zu hinterfragen – und letztes Jahr sogar, meinem Herzen zu folgen und etwas Neues zu machen. Ich kehre der Werbung aber nicht den Rücken, sondern lasse sie einfach mal ein bisschen in Ruhe und begebe mich in andere geschäftliche Bereiche, wo Kreativität ebenfalls gefragt ist und vermehrt zum Tragen kommen sollte.

Sie werden Partner bei Prophet (persoenlich.com berichtete). Ist das eine klassische Unternehmensberatung oder eher eine Brandingagentur?
Beides. Und noch viel mehr. Prophet unterstützt Kunden hauptsächlich dabei, schneller und profitabler zu wachsen, indem Marken und unsere Erfahrung mit ihnen überdacht und der heutigen Zeit angepasst werden, damit sie dauerhaft bedeutsam bleiben. Die alles entscheidende Frage, die sich ein CEO heute stellen muss, lautet daher: Wie kann ich die Fähigkeiten, die mein Unternehmen benötigt, um in einer digitalen Welt wettbewerbsfähig zu bleiben, ausbauen?

Und Ihre Antwort darauf lautet?
Zum Beispiel einen Purpose haben, den alle Mitarbeitenden mittragen, und daraus eine Strategie und Positionierung ableiten, die dem Unternehmen neuen Schub gibt. Oder Daten so nutzen, dass sie zu einem effektiveren Marketing führen, beispielsweise herausfinden: Wem sage ich was, wie und wann. Oder neue digitale Produkte entwickeln.

Was reizt Sie an Ihrer neuen Aufgabe bei Prophet?
Es ist niemandem entgangen, dass sich auf unserem Planeten gerade unglaublich viel, unglaublich schnell ändert. Die grossen Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung sowie auch die Pandemie stellen die Unternehmen vor gewaltige Herausforderungen. Sie müssen reagieren und sich transformieren – und stellen dazu alles auf den Prüfstand: Zweck, Organisationsstruktur, Geschäftsmodell, Angestellte, Werte, Innovationskultur, Produkte, Services. Das finde ich spannend, dort will ich hin, an die grossen Stellschrauben, wo Unternehmen ihre strategische Grundausrichtung anpassen oder neu definieren.

«Meine Hauptaufgabe ist es, dem Schweizer Markt die gesamte Bandbreite unseres Angebots näherzubringen»

Und nach 30 Jahren in der Werbung bringen Sie die nötigen Skills für diese Aufgabe mit?
Bei Prophet beraten über 500 Experten in den Bereichen Marketing & Sales, Organisation & Culture, Innovation & Experience und Branding & Activation. Allen voran sind das natürlich Strategen, aber beispielsweise auch Designer-, Retail- und UX/UI-Designer oder Customer Scientists. Und eben Leute wie ich, die insbesondere beim Aufbau einer Marke und deren Aktivierung eingesetzt werden. Meine Hauptaufgabe ist es jedoch, dem Schweizer Markt die gesamte Bandbreite unseres Angebots näherzubringen und individuelle Teams zusammenzustellen, die Kunden punktuell oder ganzheitlich bei ihren Transformationen begleiten.

In der Mitteilung ist die Rede von einem Schweizer Prophet-Büro. Ist geplant, dass Sie demnächst noch Unterstützung erhalten?
Prophet ist schon seit über zehn Jahren mit einem eigenen Büro in Zürich für Schweizer Kunden tätig. Das möchten wir ausbauen und dafür suche ich noch eine Partnerin oder einen Partner. Unsere Firma funktioniert nicht so, dass wir einfach Leute einstellen und das Büro vergrössern. Bereits vor der Pandemie kooperierten wir virtuell, sodass theoretisch in jedem unserer Büros alle unsere Experten arbeiten können – je nachdem, wer gebraucht wird, und unabhängig davon, wer wo lebt.

Im Herbst 2020 platzte die Bombe. «Thomas Wildberger tritt als CEO zurück», hiess unsere Schlagzeile. Wie verliessen Sie Publicis – mit einem lachenden oder einem weinenden Auge?
Sowohl als auch. Publicis ist für mich eine einzige Erfolgsgeschichte, auf die ich voller Stolz zurückblicke. Das aufzugeben, war eine schwierige Entscheidung, aber enorm wichtig für mich und meine persönliche Entwicklung.

«Schon bei Publicis war ich ja gewissermassen eine Art kreativer Unternehmensberater»

Im Vorgespräch haben Sie mir gesagt, dass Sie sich nicht weiter über die Gründe Ihres Abgangs äussern möchten. Wie gross ist jetzt der Unterschied zu Ihrem früheren Job?
Die Unternehmensberatung ist natürlich eine andere Welt. Aber es gibt Parallelen. Schon bei Publicis war ich ja gewissermassen eine Art kreativer Unternehmensberater, hatte häufig damit zu tun, Marken strategisch zu beraten, neu zu positionieren und aufzubauen, was mir sehr viel Spass gemacht hat. Zum Beispiel bei Swiss, Sunrise, Calanda oder auch bei Salt, wo ich damals schon auf meinen neuen Arbeitgeber traf, denn Prophet hatte das Salt-Branding entwickelt – und wir den Rest. Die Zusammenarbeit ging phasenweise Hand in Hand und ich war beeindruckt von der Arbeitsweise meiner heutigen Kollegen.

Und so kam diese Partnerschaft zustande? Also quasi bei Publicis den neuen Arbeitsvertrag unterzeichnet?
Naja, das war vor sieben Jahren. Aber vermutlich fing nach der Erfahrung damals der Wunsch in mir zu reifen an, viel früher in Prozesse einzusteigen und Kunden von Anfang an zu beraten. Kleine Geschichte aus dem Nähkästchen: Salt sollte ursprünglich anders heissen, nämlich «078». Dieser erfrischende Vorschlag hatte alle sofort überzeugt. Aber weil damals gerade die Portierung der Handynummern erlaubt wurden, man also auch mit einer 079-Nummer zu «078» wechseln konnte, wäre das nicht eigenständig gewesen. «078» wurde daher verworfen und man einigte sich mit Salt auf eine der Fallback-Varianten.

Zurück zu den Unterschieden zwischen altem und neuem Arbeitgeber …
Letztlich geht es auch bei meinem neuen Job darum, Ideen zu haben, die einer Marke zu Wachstum verhelfen. Aber nicht einfach im Sinne von grösser, profitabler und schneller, sondern Wachstum, das aus neuen Produkten, Services und Innovationen kommt, die die Konkurrenz auf dem falschen Fuss erwischen und die Konsumenten positiv überraschen.

Und wie ist es für Sie, nicht mehr Chef von x Hundert Leuten zu sein?
Ich arbeite in erster Linie gern mit vielen Menschen aus verschiedensten Bereichen zusammen. Bei Prophet sind das rund 500 Leute. Dass ich für die alle nicht als Chef verantwortlich bin, ist nach den vielen Jahren des Drucks, bestimmte Umsatzziele erreichen zu müssen, auch mal ganz schön.

«Die DNA kann man gar nicht hoch genug bewerten»

Nehmen wir an, ich wäre ein CEO und komme als Kunde zu Ihnen an die Talstrasse nach Zürich. Was raten Sie mir, worauf ich mich hauptsächlich fokussieren sollte?
Auf drei Dinge: DNA, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Die DNA kann man gar nicht hoch genug bewerten, weil darin Purpose und Strategie enthalten sind, woraus sich wiederum ergibt, welche Skills und Talente benötigt werden, welche Organisationsstruktur, welche Prozesse, welche Tools et cetera. Erst wenn alles im Einklang ist, alle Mitarbeitenden hinter einer Vision stehen, kann man gemeinsam an einem Strang ziehen und Erfolg haben. Und was Nachhaltigkeit und Digitalisierung betrifft: Um diese beiden Themen kommt heute sowieso niemand mehr herum.

Die Digitalisierung erlebte durch die Coronapandemie einen markanten Schub. Hat sich Ihr Blickwinkel auf Ihre Arbeit dadurch geändert?
Da Marken vermehrt digital erlebt werden und im digitalen Umfeld funktionieren müssen, muss man natürlich genau diese Umfelder beherrschen. Allein schon das Design der Marke sowie das Design der Services um sie herum ist betroffen und muss laufend dem Standard angepasst werden. Genau hier werden Unterschiede offensichtlich. Prophet schafft die Voraussetzungen dafür, dass eine Marke perfekt positioniert und aufgebaut werden kann – und das vermehrt in digitalen Umfeldern.

Das Metaverse ist derzeit in aller Munde. So will beispielsweise die Agentur Farner in einem Metaversum eine Niederlassung eröffnen. Was halten Sie von diesem Tummelplatz für brandneues Marketing?
Es ist hochspannend, was da auf uns zukommt und man kann dem wohl nicht mehr ausweichen. Wenn ich mir vorstelle, dass ein Computer mich eines Tages so gut kennt wie ich mich selber, was nach Jahrzehnten des Datenabsaugens im Rahmen des Möglichen liegt, führt das dazu, dass ich einem Computer die Entscheidung über gewisse Dinge überlasse, etwa welches Auto ich kaufe. Vielleicht brauche ich dieses Auto aber gar nicht, weil ich ohnehin nur noch zu Hause bin und statt meiner Selbst meine Avatare an virtuelle Anlässe schicke wie Meetings, Stammtische, Konzerte oder sonstige Treffen, mich vielleicht von Fall zu Fall dazu schalte und ein bisschen mithöre, mitrede oder mitbestimme.

Was löst das bei Ihnen aus?
Das ängstigt mich einerseits. Andererseits finde ich es faszinierend, weil es unserem Berufsstand ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, wie man Marken ins Spiel bringen kann. Ich will versuchen, mich diesem Neuem eher zu öffnen – und werde dazu wohl einfach noch ein bisschen Element of Crime hören.



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