Halten wir fest: Ich fotografiere hundsmiserabel. Es ist mir nie gelungen, die für mich wirklich einzig-artigen Momente mit der Fotokamera festzuhalten. Entweder drückte ich zu spät ab, oder das Bild misslang, oder meistens beides. Überhaupt störte mich, dass meine Aufnahmen von Sehenswürdigkeiten immer die schlechteren waren als diejenigen auf den Postkarten oder in den Bildbänden: Statt zum grossen Feuerball gerät der Sonnenuntergang in Miami zum kaum sichtbaren gelben Kügelchen, und meine Freundin sieht auf den Prints so unvorteilhaft aus, dass es eine Beleidigung ist. Und sowieso: Ausgerechnet in einem für mich einzigartigen Moment an die Kamera zu denken, empfand und empfinde ich als störend lieber lasse ich den einzigartigen Moment auf mich einwirken, in der Hoffnung, er gehöre zu den Bildern, die sich unauslöschlich in meinem Gedächtnis einbrennen. So kam es, dass ich zwar immer eine Kamera dabeihatte, aber nie fotografierte. Das steht im Widerspruch zur visuellen Welt, in der wir leben; und im Widerspruch zur schönen digitalen Bilderwelt, die es einem scheinbar so einfach macht, alles festzuhalten. Da posieren Touristen vor einem Denkmal. Dort versucht ein Liebespaar, sein Glück mit Selbstauslöser für ewig festzuhalten. Irgendwann fragte ich mich, was in den Köpfen der Fotografierenden just in diesem einen Moment des Festhaltens vorgeht? Was ist der Auslöser, dieses Bild in diesem Augenblick machen zu wollen? Welches das Motiv? Und dann drückte ich ab. Das erste Mal vor sechs Jahren. Und danach immer wieder: Statt unterwegs das Übliche zu fotografieren, fotografiere ich Menschen beim Fotografieren. Und so sind nebenbei Bilder von unterschiedlichsten Fotografierenden an unterschiedlichsten Orten dieser Welt entstanden. Und ich bekam richtig Spass daran nicht an den Bildern, sondern viel mehr an den Fragen, die sie mir stellen: Was geht in den Köpfen des Fotografierenden und des gegen Geld posierenden Vietnamopfers in der 5th Avenue in New York vor? Was lässt den Puls des Messebesuchers hochschnellen, der beim Fotografieren eines Autos fast die Balance verliert? Was bringt Touristen dazu, in der Guinness-Brauerei zu posieren, als wären sie Models für eine Werbekampagne? Danke, Dominik Oberwiler, für die Gestaltung dieser Strecke. Danke, Edi Burri, für die Produktion in letzter Minute. Danke, Markus Graf, für die Bearbeitung der Bilder. Danke, Alberto Venzago, mich zu fotografieren beim Fotografieren.
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