TV-Kritik

Ratlos nach dem «Medienclub»

Heute wollen die jungen Menschen, dass der Journalismus über das Smartphone zu ihnen kommt. Instagram, Facebook, Youtube, Netflix, Snapchat oder WhatsApp sind ihr Eldorado. Zeitung oder Fernsehen interessieren sie immer weniger. Und die digitalen Treffpunkte ändern sich laufend. Ist die junge Generation folglich für die klassischen Medien verloren?

Dieser Frage wollte der «Medienclub» vom Dienstagabend nachgehen. Das ist zu wenig gut gelungen. Weil fast ausschliesslich über Online-Medien geredet worden ist. Zum Thema «Junge – verzweifelt gesucht!» vermisste man im Studio einen Vertreter oder eine Vertreterin aus der leidenden Zeitungsbranche. Und blieb am Schluss – nach viel Theoriegeplauder – ziemlich ratlos zurück.

Ein bisschen interessant war die Sendung von Franz Fischlin trotzdem. Die Runde war sich einig, dass die Jungen nicht unpolitisch sind und sich durchaus auch für ernste Themen interessieren. «Sie wollen aber nicht, dass diese zu einer Party gemacht werden», sagte die Politikwissenschaftlerin Cloé Jans (GFS Bern). Ähnlich argumentierte (in einem Einspieler) SRF-Chefredaktor Tristan Brenn: «Wenn wir schwierige Geschichten so aufbereiten, dass die Jungen spüren, es geht sie unmittelbar etwas an, erreichen wir sehr wohl hohe Reichweiten.»

Digitalexpertin Sandra Cortesi findet grundsätzlich, dass die Inhalte von Online-Medien noch jugendfreundlicher produziert werden müssten. «Videos dürfen lang sein, aber nicht langweilig», sagte die frühere NZZ-Videochefin und heutige SRF-Journalistin Sara Maria Manzo.

Thiriet und Co

Mit Soft-News lockt «Watson»-Chefredaktor Maurice Thiriet die Jungen – und das ziemlich erfolgreich – zu relevanten Themen. Lange Texte passen für ihn in der neuen Medienwelt nicht: «Keine einzige Plattform, die lange Texte bringt, hat sich durchgesetzt.» Publizistikwissenschaftler Mark Eisenegger hingegen findet: «Wir haben viel zu viel Soft News.» Professionelle Informationsmedien müssen sich überlegen, wie sie Qualität an die jungen Leute bringen. Personalisierung, die Köpfe hinter den News, sind dabei ganz wichtig.

Und wie steht es mit dem Vertrauen? Cloé Jans: «Das Vertrauen der Jugendlichen in die Medien ist gerade in politischen Fragen extrem gering. Sie vertrauen viel eher den Parteien als den Journalisten.» Laut einer Studie der deutschen Zeitungsverleger haben die jungen Menschen in punkto Glaubwürdigkeit und Seriosität hohe Ansprüche. Und sie wünschen sich einen verlässlichen Journalismus, «der mehr Perspektiven und Lösungsansätze bietet, statt Angst zu verbreiten.»

Sandra Cortesi am Schluss der Sendung: «Die Medien schreiben in den meisten Fällen negativ über die Jugendlichen. Dass sich diese da nicht angesprochen oder repräsentiert fühlen, ist für mich nicht erstaunlich.»


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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Kommentare

  • Ravena Frommelt, 18.10.2018 11:49 Uhr
    Na, hoffentlich weiss Thiriet, wovon er spricht, wenn er Chefredakteur des Magazins ist! Ich fand die Sendung auch spannend, vor allem praktische Beispiele von Frau Manzo und fand keine Aussage wirklich unnötig. Welche Einwürfe Herr Scaglione wohl meinen mag? Schwierig zu sagen, denn er bleibt unkonkret.
  • Giuseppe Scaglione, 18.10.2018 09:10 Uhr
    Also ich fand die Sendung gar nicht so schlecht. Franz Fischlin war wie immer top. Am interessantesten waren für mich die Kommentare/Einschätzungen des Praktikers und Chefredaktors Maurice Thiriet. Auch wenn ich mit Watson wenig anfangen kann: Er weiss wenigstens wovon er spricht. Auf die professoralen Einwürfe der Theoretiker hätte man auch gut verzichten können.
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