TV-Kritik

So starteten SRF und ARD in die WM

Kein anderes Ereignis generiert mehr TV-Zuschauer als Fussball, die beliebteste Sportart der Welt. Die Fussball-WM, ein Massenphänomen, «rettet» die grossen Sender quotenmässig über ein ganzes Jahr hinweg. SRF ist am Donnerstag solide in die WM gestartet. Mehr Pläsier macht es allerdings, den Deutschen zuzuhören. Allein schon die ARD-Expertenrunde im Heimstudio war fröhlicher, witziger und motivierter als die die kleine Gästeschar bei Paddy Kälin im WM-Studio in Zürich. Allen voran der österreichisch-schweizerische Fussballer Moritz Bauer (Ex-GC, jetzt Stoke City) langweilte dort.

Bevor im Startspiel Gastgeber Russland gegen Saudi-Arabien antrat, gab es im Moskauer Luschniki-Stadion vor 80’000 Zuschauern eine kurze, farbenfrohe Eröffnungsfeier. Der rockende Robbie Williams sorgte für einen kleinen Skandal: Der Top-Star zeigte der Welt seinen Mittelfinger. Offenbar wehrte er sich damit gegen Vorwürfe, von Präsident Putin «gekauft» worden zu sein.

Sascha Ruefer kommentierte danach versiert das Spiel. Die Russen hatten erwartungsgemäss das Zepter übernommen und gewannen hoch mit 5:0. Rekord bei einem WM-Eröffnungsspiel. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman liess es auf der Ehrentribühne über sich ergehen, direkt neben Russlands Präsident Wladimir Putin und Fifa-Präsident Gianni Infantino. Scheich und Scheich gesellt sich gern. Hinterher wurde in den Studios (zu lange) analysiert und dazwischen viel Werbung platziert. Treuherzig berichteten Rainer Maria Salzgeber und Beni Huggel aus dem Lager der Schweizer, für die das Turnier am Sonntag gegen Brasilien beginnt. Die deutschen Sender (ARD und ZDF wechseln sich ab) sind näher dran an ihrer Mannschaft.

Enttäuschend der Auftritt des Comedy-Duos Oropax als WM-«Experten» in «Glanz & Gloria». Die weltmeisterlichen Komikerbrüder Volker und Thomas Martins aus Freiburg im Beisgau bekommen in dem People-Magazin zu wenig Zeit, um eine Granate zünden zu können. Am späten Abend gab es auf SRF 2 bei lieblos gezapftem Bier den ersten WM-Talk «Letschti Rundi» mit Hausherr Tom Gisler. Gäste: FCZ-Präsident Ancillo Canepa und der vorlaute Sänger Baschi (Einblender: «Trinkt schneller als er dribbelt»). Unterhaltungswert dieser Premiere: mässig. Ich freue mich auf die Late-Night-Show «WM-Kwartira», die am Freitagabend zur selben Sendezeit in der ARD losgeht.

Fazit: Grosse Leidenschaft und Emotionen wurden am ersten WM-Tag noch nicht entfacht. Die Russen und Saudis lieferten kein Herzinfarkt-Spiel. Apropos: Auf den Tag pünktlich zum WM-Start lag am Donnerstag die Kundenzeitschrift meiner Krankenkasse im Briefkasten. Darin steht zur WM: «Als Zuschauer im Stadion oder vor dem Fernseher mitzufiebern, ist ein klassischer Trigger, also ein Auslöser für einen Herzinfarkt.» Ruhig Blut und schöne WM.


René Hildbrand
René Hildbrand ist Journalist, langjähriger Fernsehkritiker und Buchautor. Während 27 Jahren war er für «Blick» tätig, danach Chefredaktor von «TV-Star».

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